Angst vor Rassismusvorwurf: Aus „Lumumba“ wird „Rumumba“

In Schaustellerkreisen ist man an sprachkritische Diskussionen inzwischen gewöhnt: Zigeunerschnitzel und Mohrenköpfe gehörten schließlich einmal zu Volksfesten wie Glühwein und gebrannte Mandeln zum Weihnachtsmarkt. Im Frühjahr erfuhren die Schausteller dann von einem neuen Versuch, in ihre Traditionen einzugreifen: Die Tierschutzorganisation Peta hatte den größten amerikanischen Hersteller von Karussells aufgefordert, künftig auf die Darstellung von Tieren beim Bau der Fahrgeschäfte zu verzichten. Die Nutzung von Delphinen oder Kamelen als Fortbewegungsmittel wirke sich negativ auf den Umgang von Kindern mit Tieren aus.

Lumumba - Figure 1
Foto FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Da überrascht mich das jetzt auch nicht mehr“, sagt Georg Spreuer, zweiter Vorsitzender des Schaustellerverbands Mainz und Umgebung. Mit „das hier“ meint Spreuer die Nachricht aus Frankfurt, wo die Tourismus- und Congress-Gesellschaft (TCF) in der vergangenen Woche eine „dringende Empfehlung“ an die Schausteller des Weihnachtsmarktes rund um Römer und Hauptwache herausgab: Geraten wurde, auf den Namen „Lumumba“ als Bezeichnung für ein mit Rum angereichertes heißes Kakaogetränk zu verzichten. Bei der Herleitung des Begriffes gebe es „eine Variante, die rassistische Stereotype bedienen kann“. Es geht dabei um den kongolesischen Freiheitskämpfer Patrice Lumumba, der 1961 als Regierungschef erschossen wurde.

Rassistisch kontaminiert? Ein heißer Kakao mit Rum und SahneFrank Röth

Herkunft der Bezeichnung ungeklärt

„Das Vorgehen in Frankfurt hat einen Shitstorm ausgelöst, dem wir uns lieber beugen, weil keiner von uns die Nerven hat, im Weihnachtmarkttreiben über so was zu diskutieren“, sagt Spreuer, der eine gewisse Verständnislosigkeit in seiner Branche feststellt. In Wiesbaden, wo Spreuer gerade mit einem Stand vertreten ist, hätten die Kollegen schnell reagiert, um die Frankfurter Diskussionen zu vermeiden. In Mainz passten sich die Standbetreiber gleichfalls an, wie überall im Bundesgebiet.

Spreuer selbst hat die Wortschöpfung eines Kollegen aufgegriffen und verkauft nun „Rumumba“ statt „Lumumba“. Dafür musste er nur je einen Buchstaben auf seinen Angebotstafeln wegkratzen, ein paar „R“ kaufen und aufkleben. In Frankfurt haben die Stände derweil meist das alte Wort notdürftig mit Folie überklebt und in Handschrift beispielsweise „Kakao mit Schuss“ daraufgeschrieben. Es findet sich aber auch das Wort „Rumba“.

Ob die Diskussion gerechtfertigt ist, bleibt fraglich: Die Herkunft des Namens für das Getränk gilt laut Wikipedia als ungeklärt. Denkbar scheint demnach die Entstehung aus einer farblichen Konnotation mit Kakao, was die Meinung der Antidiskriminierungsaktivisten begründen würde. In dieser Betrachtungsweise würde auch der „Schuss“ Rum eine herabwürdigende Anspielung auf die Art der Tötung Lumumbas bedeuten. Es ist auch unklar, ob „Lumumba“ zuerst in Spanien getrunken wurde oder in Deutschland. In Spanien gäbe es gar keine missverständliche Formulierung wie „mit Schuss“. Stattdessen sollen gerade dort Linke das Trinken von „Lumumba“ als Zeichen der Solidarität verstanden haben, so, wie der Drink „Cuba libre“ ein Verweis auf kubanische Freiheitsbestrebungen war.

TCF-Geschäftsführer Thomas Feda betonte am Montag auf Nachfrage, dass seine Agentur nicht auf eine politische Anweisung hin gehandelt habe. Vielmehr sei das Thema seit zwei Jahren immer wieder aus verschiedenen Richtungen an ihn herangetragen worden. Auch intern sei die Tourismusgesellschaft überzeugt, dass rassistische Stereotype durch die Bezeichnung bedient werden könnten.

Die TCF hat unterdessen auch Erfreuliches zu vermelden: Am Dienstag sollen von 11 Uhr an die ersten nachproduzierten Glühweintassen mit dem Motiv des „Neuen Frankfurt“ an die Standbetreiber verteilt werden. Zusammen mit dem Hersteller sei es gelungen, in kürzester Zeit Ersatz für rund 40.000 Tassen zu beschaffen, die in der vergangenen Woche zurückgerufen werden mussten: Tassen aus der ersten Lieferung waren beim Kontakt mit heißer Flüssigkeit zerborsten. Der Nachschub scheint nötig: Auch wegen der Diskussionen der vergangenen Tage gehen offenbar mehr Heißgetränke über die Theken als üblich.

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