100 Jahre Loriot: Das Mängelwesen Mensch
Pedantischer Chronist der menschlichen Komödie: Loriot auf seinem Sofa Bild: picture alliance / United Archives
So seid ihr nun mal, lautete Loriots Botschaft an sein Publikum. Um zwischenmenschliche Kommunikation und ihr unweigerliches Scheitern dreht sich sein Werk. Zum hundertsten Geburtstag des großen Humoristen Vicco von Bülow.
War er Deutschlands beliebtester Humorist oder der Lehrmeister der Nation? Bernhard-Viktor „Vicco“ Christoph-Carl von Bülow, der sich seit 1950 Loriot nannte, liebte es, einem Bürgertum, das es nicht mehr gab, zu zeigen, was es alles nicht mehr wusste. Wenn er in einem seiner Cartoons seinem Publikum demonstrierte, welche Art und Weise der Nahrungsaufnahme während der Opernpremiere korrekt und welche vollkommen inakzeptabel sei, dann machte er sich über alles gleichzeitig lustig: über die Oper, die er freilich liebte, über Benimmregeln, die trotz keineswegs abnehmender Notwendigkeit für obsolet gehalten wurden, und über das Publikum, das er mit scharfem Auge und mildem Urteil betrachtete. Die Deutschen waren sein Material, so unerschöpflich wie unverbesserlich.
Nicht zuletzt schlug Loriot, der seit den Sechzigerjahren in rascher Folge „Ratgeber“, „Lehrbücher“ und „Wegweiser“ veröffentlichte, Funken aus dem damals wie heute weitverbreiteten Bedürfnis nach Anleitung in allen Lebensfragen. Der natürliche Geistes- und Gemütszustand der Deutschen, wie Loriot sie vornehmlich zeigte, resultierte aus tief sitzender Verunsicherung bei gleichzeitiger situationsbedingter Überforderung. Beides zusammen führte zu Verwirrung, Gereiztheit und – in perfekter Symbiose beider Zustände – zu gereizter Verwirrtheit. Dies galt es möglichst beiläufig zu überspielen. Aber womit?
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