Lindner mit kurzer Zündschnur: „Das ist hier kein Tribunal“
Berlin. Christian Lindner soll sich den Fragen zum Ampel-Aus und zum „D-Day“-Papier stellen. Er weicht aus und reagiert genervt auf Caren Miosga.
Es dauert 20 Minuten. Dann wird klar, dass Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) auch an diesem Abend nicht verrät, seit wann er vom sogenannten „D-Day“-Papier Kenntnis hatte.
Es war am vergangenen Donnerstag veröffentlicht worden. Es enthält ein detailliertes Szenario für den Exit der FDP aus der Ampel mit SPD und Grünen. Darin wird der mögliche Ausstieg mit militärischen Begriffen wie „D-Day“ oder „offene Feldschlacht“ beschrieben und durchgespielt.
Nach öffentlicher und innerparteilich heftiger Kritik trat am Freitag Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurück. Auch der Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann gab sein Amt auf.
Lindner und die FDP wollten den Wechsel„Caren Miosga“: Das waren die Gäste:
Christian Lindner, FDP-BundesvorsitzenderMoritz Schularick, Präsident des Kiel Institut für WeltwirtschaftEva Quadbeck, Leiterin Hauptstadtredaktion RedaktionsNetzwerk DeutschlandBei „Miosga” nennt Lindner die Vorgänge „bedauerlich”. Er selbst habe das Dokument „nicht zur Kenntnis genommen” und es hätte „politisch keine Bedeutung”. Er hätte es so nicht gebilligt, könne jedoch „erklären, wie es dazu gekommen ist.”
Miosga will wissen, ob der FDP-Vorsitzende das Dokument kannte. „Haben Sie es gesehen?”, fragt sie. „Nein, aber ich habe kein Problem damit, dass es erstellt wurde.” Die FDP habe sich auf einen „Herbst der Entscheidungen vorbereitet”, weil klar gewesen sei, dass es einen Politikwechsel geben werde.
Als die ARD-Moderatorin erneut nachfragt, ob Lindner das Papier gekannt hat, wirft er ihr vor, dass ihre Fragen von der Diskussion ablenken würden. Im folgenden Schlagabtausch wirft Miosga ihm vor, von ihrer Frage abzulenken. Der lässt die Moderatorin nicht nachhaken und sagt: „Frau Miosga, unterbrechen Sie mich doch nicht bei jeder Frage.” Und weiter an die Zuschauenden im Studio gewandt: „Vielleicht will der Zuschauer auch einfach mal wissen, wie es dazu kam.” Dafür erntet er vereinzelt Applaus.
Doch Miosga lässt nicht locker: „Es wirkt einfach so unglaubwürdig, dass Sie von dem Papier keine Kenntnis hatten.” Der entgegnet ausweichend: „Ich leugne nicht. Wir haften dafür mit unserer Existenz. Uns sind Überzeugungen wichtiger als Ämter.”
Weil sie nicht weiterkommt, ändert die Moderatorin ihre Strategie. Sie fragt nun, wann Lindner das „D-Day”-Papier zum ersten Mal gesehen habe. Doch der weicht wieder aus und spricht davon, dass er „im Rahmen journalistischer Rechercheanfragen” erstmals davon erfahren habe.
Miosga bohrt nach und will wissen, ob der FDP-Chef nicht doch früher davon erfahren habe und wann er angefangen habe, nachzuforschen „im eigenen Haus“. Lindner weicht aus und spricht wieder vom Ampel-Aus.
„Jetzt haben sie schon wieder meine Frage nicht richtig beantwortet“, sagt Miosga und zeigt ein Foto von Lindners Ex-Büroleiter Carsten Reymann. Sie könne sich nicht vorstellen, dass Lindner nichts von diesem Plan gewusst habe.
„Sie unterstellen mir etwas und das genaue Gegenteil ist der Fall“, ist Lindner inzwischen sichtlich genervt. Wieder betont er, dass ein „aktives Ausscheiden aus der Ampel” vorbereitet werden musste, doch von diesem Dokument will er nichts gewusst haben.
Lindner von Miosgas Fragen genervtOb er also doch das Papier in Auftrag gegeben habe, fragt Miosga erneut, woraufhin Lindner behauptet, dass es derartige Papiere „in den Schubladen aller Parteien” gebe. Dann wirft er der Moderatorin vor – im Hinblick auf ihre letzten Gäste Olaf Scholz und Robert Habeck: „Was Sie in den letzten Wochen zu unkritisch waren, müssen Sie jetzt nachholen.”
Das Publikum stöhnt auf und auch Miosga rollt die Augen. „Immer die alte Leier, dass man sagt, dass ich bei den Fragen an den Politiker in der Vorwoche zu nett war. Das lasse ich mir nicht vorwerfen“, kontert sie.
Linder auf der Anklagebank?Ob Lindner „seinen Laden nicht im Griff gehabt” habe, wenn er von dem Papier nichts gewusst habe, will Miosga wissen. Eine Frage, für die sie Applaus bekommt. „Ich kann nicht von jedem Papier wissen, jeden einzelnen Vorgang kennen“, sagt der FDP-Chef. Als Miosga auch nicht mit seinen weiteren Antworten zufrieden ist und nachhakt, sagt er genervt: „Ich will den Satz jetzt auch mal fertigmachen, das ist hier kein Tribunal.“
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE ZentralredaktionHinter den Kulissen der Politik - meinungsstark, exklusiv, relevant.
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Zu diesem Zeitpunkt läuft die Sendung schon 20 Minuten. Antworten lassen sich aus dem FDP-Chef trotz vehementer Nachfragen an diesem Abend nicht herausbekommen. Einzig die: „Können Sie versprechen, dass sie nicht zurücktreten?“, fragt Miosga. Lindner ist kurz irritiert. „Ich habe nicht die Absicht. Ich möchte mich bei meiner Partei als Spitzenkandidat bewerben, um sie mit Inhalten in die Zukunft zu führen.“
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