Original vermisst: Die ARD hat „Liebling Kreuzberg“ politische ...

20 Stunden vor

Manfred Krug gibt auf Kassetten besondere Sprüche als Anwalt Liebling zum Besten, Anja Franke ist immer noch als Sekretärin Senta die gute Seele in der Kanzlei, Roswitha Schreiner spielt weiter die Sarah Liebling und im Kühlschrank wartet grüne Götterspeise, die Lieblingsspeise von Robert Liebling – es ist also alles bereitet für den Eintritt einer neuen Generation: Sarahs Tochter Lisa (Luise von Finckh) tritt das Erbe ihres verstorbenen Großvaters an.

Liebling Kreuzberg - Figure 1
Foto Berliner Zeitung

Sie kreuzt eines Tages unangemeldet auf und erklärt der verdutzten Chefin Talia Jahnka (Gabriela Maria Schmeide), sie trete vertragsgemäß als neue Partnerin in die Kanzlei ein. Und wie das Wort korrekt auszusprechen ist, erklärt sie auch gleich, nämlich mit Pause mitten im Wort: Partner:in.

Nicht nur angesichts diesen forschen Neustarts dürften viele wehmütig an das Vorbild denken: „Liebling Kreuzberg“ lief von 1986 bis 1998 sehr erfolgreich in der ARD. Anja Franke gibt im ARD-Begleit-Interview erstaunlich offen zu, wie sehr sie das Original vermisst: „Ein klassischer Chauvi mit Herz wie Robert Liebling, der ehrlich und schonungslos sagt, was er denkt – egal, wem er damit auf den Schlips tritt – so einer findet heute leider im politisch korrekten Fernsehen nicht mehr statt.“ Hauptdarsteller Manfred Krug, der selbst immer wieder schnoddrige Sprüche beisteuerte, konnte auf die Drehbücher von so renommierten und starken Autoren wie Jurek Becker und Ulrich Plenzdorf bauen.

Liebling Kreuzberg - Figure 2
Foto Berliner Zeitung

Alban Rehnitz und Lynn Schmitz, die Produzenten der Firma Odeon Fiction, die das Erbe der damaligen Nova Film übernommen haben, wollen nun in der Neuauflage die Themen unserer Zeit kontrovers und unterhaltsam verhandeln und nennen, in dieser Reihenfolge: Diskriminierung, Armut, Rassismus, Gleichberechtigung, Nachhaltigkeit, Diversität. Lisa Liebling erklärt bei ihrem Start, sie habe eigentlich in der Antidiskriminierungsstelle des Senats anfangen wollen – und führt sich so auf, als sei die Kanzlei Liebling eine Filiale davon. Ihr erster Mandant ist ein älterer Herr, der angibt, er wäre wegen seines Alters aus seinem Stammlokal verwiesen worden – Winfried Glatzeder spielt ihn als Vertreter des 80er-Jahre-Kreuzbergs. Doch vor Ort stellt sich heraus, dass der alte weiße Mann eine Transfrau beleidigt hatte – und zwar mit einem so schlimmen Wort, dass es der Film den Zuschauern gar nicht zumuten will.

Liebling Kreuzberg - Figure 3
Foto Berliner Zeitung

Winfried Glatzeder als Hans Saffermann, rechts am Bildrand zu erkennen, soll sich bei Mai Ninh Phan (Nhung Hong) entschuldigen.Stefan Erhard/Odeon Fiction GmbH/ARD Degeto

Luise von Finckh als Lisa Liebling agiert auch in weiteren Fällen eher wie eine politische Aktivistin, Pardon: Aktivist:in. Doch nie sieht man sie in seriöser Robe vor Gericht. Die spannendere Figur ist ihre Gegenüber in der Kanzlei – und Gabriela Maria Schmeide eine Schauspielerin ganz anderer Klasse. Denn ihre Tania Jahnka verteidigt nicht nur das „generische Maskulinum“, sondern steckt im steten Konflikt zwischen dem sozialen Engagement und den ökonomischen Zwängen. Insgesamt aber will der Pilotfilm so eifrig Fleißbienchen politischer Korrektheit sammeln, das man am liebsten zu alten Manfred-Krug-Folgen bei ARD Plus wechseln möchte. Obwohl die ARD mit „Die Kanzlei“ und „Heiland – Wir sind Anwalt“ bereits zwei Anwaltsserien etabliert hat, soll auch „Kanzlei Liebling Kreuzberg“ fortgesetzt werden.

Kanzlei Liebling Kreuzberg. Ab Mi, 25.9., in der ARD-Mediathek, am Fr, 27.9., um 20.15 Uhr in der ARD

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