Bayer Leverkusen: Von Neverkusen zu Neverloosen

18 Mai 2024

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Leverkusen - Figure 1
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Dagegen war selbst Drachentöter Siegfried ein Loser. Bayer Leverkusen schafft als erster Verein eine ganze Saison ohne Niederlage. Das wird nie zu toppen sein. 

18. Mai 2024, 19:21 Uhr

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Gegen Leverkusens Schwert und Schild ist jeder Drache chancenlos. © [M] ZEIT ONLINE, Jerry Andre/​imago images

Nicht einmal Siegfried blieb ungeschlagen. Der germanische Held erledigte zwar den Drachen Fáfnir. Doch als er zum Triumph in dessen Blut badete, fiel ein Lindenblatt vom Baum und landete auf seiner Schulter. Im Wissen um diese Schwachstelle konnte ihn der Blödmann Hagen von Tronje mit einem Speer erledigen. Wagner-Fans kennen sich aus mit diesem Nibelungenschinken.   

Die Jungs aus Leverkusen müssen unter Nadelbäumen gebadet haben, denn gegen die war Siegfried ein Loser. Nach dem Sieg am Samstag gegen Augsburg war klar: Bayer 04 bleibt als erster Verein in der Bundesliga-Geschichte eine Saison lang ohne Niederlage. 34 Spiele, vierunddreißig! Nicht mal die Bayern unter Jupp Heynckes und Pep Guardiola haben das geschafft. Der HSV war einst genauso lange unbesiegt, aber nicht in einer Saison. Nicht Dortmund, nicht Bremen, nicht Gladbach in besseren Zeiten – ausgerechnet Vizekusen stellt diesen Rekord auf.

Leverkusen - Figure 2
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Bayer 04 spielt nun in einer Liga mit den sagenhaften Invincibles des FC Arsenal. Zwanzig Jahre ist es her, dass dem Team um Thierry Henry und Jens Lehmann dasselbe Kunststück gelang. Auch Juventus Turin, AC Mailand und der FC Porto blieben mal unbezwungen, ebenso ein englischer Verein namens Preston North End im Jahr 1889.  

© Alex Grimm/​Getty Images/​Getty Images

seit 51 Spielen ist Bayer Leverkusen mittlerweile ungeschlagen

Sonst werden wenige Vergleiche Arsenal und Leverkusen gerecht. Im Sport gehören Niederlagen einfach dazu. Normalerweise. Nadal auf Sand vielleicht. Gegen den haben viele Spieler vom ersten Aufschlag an keine Chance. So wie Bochum, Bremen oder Frankfurt gegen Leverkusen, die zuletzt je fünf Stück kassierten.  

Oder Rocky Balboa. Wie oft hatte man gedacht, er hat bereits verloren. Da hing er in den Seilen, das Gesicht von Schlägen gezeichnet, doch in den letzten Runden wendete er sein Schicksal.  

Der italienische Hengst könnte ein Vorbild gewesen sein für die Leverkusener Last-Minute-Champions. Es ging los mit einem 2:2 in München, das war am 4. Spieltag im September, als Exequiel Palacios in der Nachspielzeit per Elfmeter den Ausgleich erzielte. Keiner hatte nur die geringste Ahnung, was das bedeuten sollte. Es war nicht mal klar, dass es ein Spitzenspiel war.  

In der Rückrunde hingegen folgten serienweise Leverkusener Ausgleichs- und Siegtreffer nach Minute 89. In Augsburg, in Leipzig, gegen Stuttgart und gegen Hoffenheim lag Bayer kurz vor Ende sogar zurück und gewann noch.

Am meisten bejubelten Alonsos Männer den Ausgleich in Dortmund in der 97. Minute. Dabei waren sie zu dieser Zeit schon Meister. Aber dem Hohn der BVB-Fans ("Und ihr wollt Deutscher Meister sein?!?") gaben sie die richtige Antwort: Genau! Das wollen wir – und das sind wir auch!

Sie könnten auch auf herkömmliche Art gewinnen, sagte Jonathan Tah im Gespräch mit der ZEIT. Aber es mache doch viel mehr Spaß in letzter Sekunde, dann sei die Stimmung im Stadion bombastisch. Er selbst köpfte im DFB-Pokal gegen Stuttgart in der 90. sein Team ins Halbfinale.   

Gleiches Spielchen in der Europa League. Sogar den Außenseiter Qarabağ Ağdam ließ Leverkusen lange in trügerischer Hoffnung einer Führung, gleich zweimal. In diesem Duell glückten Leverkusen in Hin- und Rückspiel insgesamt gleich drei Tore nach Ablauf der regulären Spielzeit.  

Auch im Europapokal feierte Bayer, wie in Dortmund, ein symbolisches Tor ohne formale Relevanz. Im Rückspiel gegen AS Rom lag die Elf 1:2 hinten, was zum Weiterkommen genügt hätte. Andere Mannschaften hätten in solchen Momenten verteidigt. Nicht so die Leverkusener, die wollten den Sieg. Also entdeckte der vom entthronten Dauermeister FC Bayern ausgeliehene Josip Stanišić den Slalomläufer in sich und traf zum Ausgleich. Der Zeitpunkt wie in Dortmund: 90+7.   

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