Bayer Leverkusen vs. FC St. Pauli 2:1 - Ziemlich nah dran - MillernTon

18 Tage vor

Mit 1:2 verliert der FC St. Pauli bei Bayer Leverkusen und muss sich darüber ärgern, nicht von Anfang an so stabil gewesen zu sein wie am Spielende.(Titelfoto: Lars Baron/Getty Images/via OneFootball)

Leverkusen – St. Pauli - Figure 1
Foto MillernTon

Ganz ehrlich, um 15:53 Uhr hatte ich nicht erwartet, dass man als Anhänger*in des FC St. Pauli kurz vor Spielende mit Haut und Haaren mitfieberte, ob der Ausgleich noch gelingt. Doch nach einem denkbar schlechten Start des FCSP wurde das Team gegen Leverkusen minütlich besser und spätestens mit Anpfiff der zweiten Halbzeit war man klar das bessere Team. So darf sich der amtierende Deutsche Meister glücklich schätzen, am Ende die drei Punkte behalten zu haben. Das ist aus Sicht des FC St. Pauli sicher mehr, als viele vor Anpfiff, und vor allem um 15:53 Uhr, erwartet haben – aber leider gibt es dafür keine Punkte.

Die Aufstellung

Beim FC St. Pauli gab es keine Überraschungen in der Startaufstellung. Alexander Blessin hatte auf der Pressekonferenz vor dem Spiel den elf Spielern das Vertrauen ausgesprochen, die gegen Kiel zu Beginn auf dem Platz standen. Ein personeller Wechsel wäre so wohl nur aufgrund eines kurzfristigen Ausfalls eines Startelfspielers zustandegekommen. Auch an der restlichen Zusammensetzung änderte sich nichts, Maurides war somit erneut Teil des Spieltagskaders.

Bayer Leverkusen veränderte seine Startelf im Vergleich zum 1:0-Erfolg im Pokal gegen den FC Bayern München auf vier Positionen: Torhüter Hradecky kehrte zwischen die Pfosten zurück, Arthur agierte zusammen mit (mehr oder weniger) Nathan Tella auf der rechten Außenbahn anstelle von Mukiele und Frimpong. Zudem rückte Alex Garcia ins zentrale Mittelfeld, Robert Andrich bekam eine Pause. In Sachen Formation agierten die Leverkusener irgendwo zwischen einem 4-1-4-1 und 3-5-2, je nachdem wo sich Tella rumtrieb.

FC St. Pauli bekommt Zwischenraum nicht geschlossen

„Gelingt dieses Herauslocken, das Schaffen von Räumen, dann können Spieler wie Florian Wirtz die sich bietenden Räume natürlich viel besser nutzen.“ – Welche Wucht Bayer Leverkusen (wie im Vorbericht zur Partie beschrieben) mit seiner Spielidee entfalten kann, wurde in der sechsten Spielminute deutlich. Bis zu diesem Moment war nicht viel los auf dem Platz zwischen Bayer Leverkusen und dem FC St. Pauli. Doch dann passierte genau das, was es unbedingt zu verhindern galt – und der FCSP wurde sofort dafür bestraft:

In der sechsten Spielminute schoben die beiden Sechser des FC St. Pauli bei Ballbesitz Leverkusen deutlich mit nach vorne, nahe an die eigene Offensivreihe ran. Leverkusen umspielte diesen Druck im Zentrum über die linke Außenbahn – und spielte danach direkt wieder ins Zentrum. Dort hatte sich nämlich Florian Wirtz im Rücken der FCSP-Doppelsechs positioniert. Rund 30 Meter vor dem Tor des FC St. Pauli wurde er angespielt, ein Gegenspieler war weit und breit nicht zu sehen. Wirtz nahm Tempo auf, tunnelte Eric Smith, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, und schob den Ball vorbei an Nikola Vasilj zur Leverkusener Führung ein. Kacke.

Wirtz und Tah sorgen früh für eigentlich klare Verhältnisse

Diese frühe Leverkusener Führung war umso ärgerlicher, je länger die erste Halbzeit lief. Denn eigentlich gelang es dem FC St. Pauli ganz gut, den amtierenden Deutschen Meister in Schach zu halten. Problematisch wurden nur immer wieder ähnliche Situationen, bei denen der Abstand zwischen der FCSP-Doppelsechs und der eigenen Innenverteidigung zu groß wurde. Leverkusen suchte diese Räume aktiv, kam aber mit zunehmender Spieldauer immer weniger durch.

Leverkusen – St. Pauli - Figure 2
Foto MillernTon

In einer Situation aber kam der Ball dann doch durch. Zwar nicht im Spielaufbau, aber in den Rücken der Sechser ging der Ball trotzdem. Denn bei einer Ecke verlor Jackson Irvine am zweiten Pfosten erst Gegenspieler Jonathan Tah aus den Augen – und als er ihn wiedergefunden hatte, wurde er davon überrascht, dass der Ball direkt zu ihm flog. Nicht überrascht war Tah, der hinter Irvine nicht einmal hochspringen musste, um den Ball zum 2:0 für Leverkusen einzuköpfen. Mega kacke.

David Nemeth hatte, wie das gesamte Team des FC St. Pauli, in den ersten Minuten Probleme, den Zwischenraum zu schließen. Bayer Leverkusen nutzte diese Phase für zwei letztlich spielentscheidende, Treffer. // (Lars Baron/Getty Images/via OneFootball)
Treffer zum 3:0 zählt nicht

Kaum 20 Minuten gespielt, 0:2-Rückstand, erhebliche Probleme in der Abstimmung zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen – es drohte ein schmerzhafter Nachmittag zu werden für den FC St. Pauli. Doch nach dem 0:2 gelang es immer besser, Bayer Leverkusen vom eigenen Tor fernzuhalten. Zwar schaltete das Heimteam mit der Führung im Rücken auch merklich einen Gang zurück, doch wie gefährlich dieses Ergebnis ist, zeigte dann der zweite Abschnitt. Kurz vor der Pause schien das Verhalten des FCSP gegen den Ball dann aber doch noch einmal schiefgegangen zu sein: Granit Xhaka (auch Vorlagengeber zum 1:0) spielte einen überragenden Pass durch die gerade vorschiebende Innenverteidigung des FC St. Pauli, der Nathan Tella erreichte. Der Offensivspieler umkurvte Vasilj und schob zum vermeintlichen 3:0 ein. Doch der Treffer zählte nicht, Tella stand hauchdünn im Abseits. So ging es mit dem 0:2-Rückstand für den FCSP in die Pause.

St. Pauli schließt die Reihen

„Wir hatten in der ersten Halbzeit Probleme, wann wir rausstechen. Das haben wir in der zweiten Halbzeit viel besser gemacht.“ – David Nemeth erklärte nach Abpfiff am Sky-Mikro, wie der FC St. Pauli in der Pause sein Verhalten gegen den Ball angepasst hatte. Insgesamt agierte man nun mannorientierter, die Innenverteidiger folgten den Gegenspielern deutlicher mit ins Mittelfeld. Dadurch konnte die Lücke im Rücken der Doppelsechs des FC St. Pauli viel besser geschlossen werden, sodass Boukhalfa und Irvine dann wiederum viel mutiger die beiden Sechser der Leverkusener im Aufbau anlaufen konnten. Der FCSP konnte dadurch in der zweiten Halbzeit viel höher pressen.

Dieses veränderte Verhalten des FC St. Pauli gegen den Ball zahlte sich aus. Das Team gewann nun viele Bälle im Mittelfeld, hatte einige Umschaltmomente und insgesamt viel mehr Ballbesitz (erste Halbzeit: 30 Prozent; zweite: 46 Prozent). Und obwohl der FCSP nun viel höher stand, gelang es dem Team, auch die tiefen Bälle der Leverkusener zu verteidigen. Selbst dann noch, als der schnelle Jeremie Frimpong auf dem Platz stand. Das ist vielleicht eine der wichtigsten Erkenntnisse der Partie: Auch gegen extremes Tempo kann der FC St. Pauli hoch verteidigen. Weil die Abstimmung gepasst hat, wann man tiefer fallen muss und wann man nach vorne verteidigt.

Leverkusen – St. Pauli - Figure 3
Foto MillernTon
Morgan Guilavogui erzielt hochverdienten Anschlusstreffer

Dank dieser nun klar besseren Spielweise gegen den Ball kam der FC St. Pauli zu einigen guten Gelegenheiten, den Anschlusstreffer zu erzielen. Morgan Guilavogui verfehlte das Leverkusener Tor in der 54. und 59. Minute jeweils denkbar knapp. Leverkusen fand zu diesem Zeitpunkt offensiv überhaupt nicht mehr statt. Zwischen der 21. Minute (dem Treffer von Tah zum 2:0) und der 71. Minute, als Wirtz einen Abschluss nach Aufbaufehler des FC St. Pauli neben das Tor schoss, hatte sich der amtierende Deutsche Meister keinen einzigen (!) Torschuss erarbeitet. Die FCSP-Defensive war extrem stabil.

So bog die Partie mit einer 2:0-Führung für Leverkusen auf die Zielgeraden. Dass dieses Ergebnis alles andere als eine sichere Bank für Leverkusen ist, hat der Saisonverlauf bereits gezeigt. Gegen Gladbach, Leipzig und Kiel verspielte das Team von Xabi Alonso jeweils einen solchen Vorsprung. Entsprechend war eine gewisse Unsicherheit zu spüren. So war Leverkusen weniger damit beschäftigt, das Spiel vorzzeitig zu entscheiden, sondern vielmehr damit, möglichst viel Zeit von der Uhr zu nehmen. Und gerade als man den Eindruck bekam, dass es wohl nichts mehr werden wird mit einem FCSP-Treffer in Leverkusen, bekam Morgan Guilavogui auf der linken Seite den Ball. Er dribbelte an, ließ seinen Gegenspieler mit einem Haken stehen und jagte die Kugel (mit links!) volle Kanne aus spitzem Winkel ins Leverkusener Tor – ein toller Treffer.

Whams! Morgan Guilavogui jagt den Ball zum 1:2-Anschlusstreffer ins Leverkusener Tor. Ein wirklich schöner Treffer für den FC St. Pauli, auf den leider nicht mehr der verdiente Ausgleich folgte. (Lars Baron/Getty Images/via OneFootball)
Stolz und Ärger

Und da war sie dann auch sofort da, die heiße Schlussphase, die man sich beim FC St. Pauli gewünscht hat. Der FCSP war nun nicht nur nah dran an den Gegenspielern, sondern auch nah dran am Ausgleich. Und klar besser. Eggestein (traf nur das Außennetz, 89.) oder Albers (per Kopf, ebenfalls ans Außennetz, 90.+1) hätten das 2:2 durchaus erzielen können – gemessen am Spielverlauf und den relevanten Statistiken (12-6 Torschüsse, 1,4-0,9 nach xG-Werten pro FCSP) hätte der FC St. Pauli diesen Ausgleich verdient gehabt.

Was bleibt ist mal wieder die Erkenntnis, dass man nicht nur Mithalten kann gegen die Top-Teams der Bundesliga. Und „Mithalten“ ist dabei vorsichtig ausgedrückt. Nur gegen den FC Bayern München hat sich Bayer Leverkusen weniger Torschüsse erarbeitet als gegen den FC St. Pauli, gleiches gilt für den xG-Wert. Doch leider bleibt neben der Erkenntnis, dass der FCSP defensiv gegen nahezu jedes Team der Bundesliga stabil stehen kann, nicht viel mehr übrig. Gute Leistungen alleine reichen nicht für Punkte, wenn sie sich nicht auch anhand der Tore widerspiegeln.

Denn zur Wahrheit gehört leider auch, dass das Defensivverhalten zwar in der zweiten Halbzeit überragend gewesen ist, im ersten Abschnitt aber genau die Probleme auftraten, die man vor der Partie erwarten musste. Alexander Blessin legte auf der Pressekonferenz nach dem Spiel den Finger in genau diese Wunde, erklärte, dass man das 0:1 besser hätte verteidigen können: „Wir haben darauf hingewiesen die Zwischenräume besser zu verteidigen. Da wussten wir, dass sie sehr viele schwimmende Bewegungen haben.“ Das gelang dem Team erst dann besser, als es bereits 0:2 aus FCSP-Sicht stand.

Guilavogui fehlt gesperrt

So dürfte in den Reihen des FC St. Pauli nicht der Stolz über die Leistung, sondern der Ärger über das Ergebnis den Ton angeben. Immerhin haben auch vier direkte Konkurrenten am Samstag-Nachmittag ihre Spiele jeweils verloren. Der FCSP wird also auf jeden Fall weiterhin auf dem 15. Tabellenplatz bleiben.Gegen Werder Bremen muss der FC St. Pauli nun aber leider auf einen der besten Spieler der letzten Wochen verzichten: Morgan Guilavogui hat seine fünfte Gelbe Karte gesehen, wird dem Team sicherlich schmerzhaft fehlen.

Doch die letzten Wochen haben eines gezeigt: Der FC St. Pauli kann mit Widrigkeiten und Herausforderungen sehr gut umgehen, fällt bei Rückschlägen und Rückständen nicht um, trotzt einer ziemlich langen Liste an Ausfällen und zeigt immer wieder, dass er in die Bundesliga gehört. Das wird sicher auch gegen Werder Bremen wieder der Fall sein. Und sowieso: Der FC St. Pauli drückt auswärts beim amtierenden Deutschen Meister kurz Spielende auf den Ausgleich und hat die besseren Torchancen? Da darf man trotz null Punkten auch einfach mal stolz drauf sein!

Immer weiter vor!// Tim

Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.

MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche