Drei Tote in Lautlingen: So ist die Situation am Tag nach der Tat
Es ist still am Montagmorgen rund um das Grundstück in Lautlingen, auf dem sich am Sonntagmittag eine, so formulieren viele der von uns befragten Personen, „unfassbare Tragödie“ abspielte. Ein 63-Jähriger hat am Sonntagmittag mehrere Familienangehörige getötet, darunter wohl die 84-jährige Schwiegermutter und den 24-jährigen Sohn, Felix Gminder, der bis vor kurzem als FDP-Kandidat für die Europawahl in der Öffentlichkeit stand. Schwer verletzt haben soll der Tatverdächtige seine 59-jährige Ehefrau und seine 26-jährige Tochter. Der mutmaßliche Schütze wurde tot im eigenen Garten gefunden.
Nur ein kleines blaues Polizeisiegel zeugt von der TatKurz nach der Tat am Sonntag war der Bereich um das Wohnhaus der Familie in dem Lautlinger Wohngebiet mit Flatterband abgesperrt, ebenso wie die Zufahrten zum Wohngebiet, wo Polizeiautos den Verkehr umleiteten. Um das Haus arbeiteten zahlreiche Beamtinnen und Beamten an der Aufklärung der Tat, sicherten Spuren, befragten Anwohner. Am unteren Badkap-Parkplatz, wo ein Stützpunkt für die Einsatzkräfte eingerichtet worden war, drängten sich die Autos von Polizei und Rettungskräften.
Am Sonntag war die Straße abgesperrt, zahlreiche Einsatzkräfte waren unterwegs. (Foto: Holger Much)
Tags darauf am frühen Morgen keine Spur mehr von alledem. Die Straße ist nicht mehr abgesperrt, kein Beamter, kein Einsatzfahrzeug zeugen noch davon, dass hier eine schlimme Tat begangen wurde. Nur ein kleines blaues Polizeisiegel an der Eingangstür weist auf das sonntägliche Geschehen hin. Am Nachmittag allerdings steht wieder ein Polizeifahrzeug vor dem Haus.
Nachmittags stand ein Polizeibus vor dem Haus, während Beamte im Haus offenbar mit weiteren Ermittlungsarbeiten beschäftigt waren. (Foto: Holger Much)
Landrat Günther-Martin Pauli, der am Sonntag ebenfalls vor Ort war, gab am Montag auf unsere Anfrage sein tiefes Bestürztsein über die „schreckliche Familientragödie“ zum Ausdruck. Gedanken und Mitgefühl seien bei den Angehörigen, Freunden und Weggefährten und bei all jenen, die mit dieser unfassbaren Schreckenstat konfrontiert worden seien.
Bangen mit den Überlebenden„Ein schrecklicher Tag für Albstadt“, fasst Albstadts Oberbürgermeister Roland Tralmer seine Gedanken zusammen. Wer mit dieser Tat konfrontiert werde, stehe „hilflos vor der Nachricht, dass es in unserer Stadt eine tödliche Familientragödie gegeben hat. Umso fassungsloser ist man dann, wenn man die Betroffenen auch noch weitläufig persönlich kennt. Von heute auf morgen nicht mehr da und nichts hat darauf hingedeutet. Ich bange mit den Überlebenden und bin in Gedanken bei ihnen und allen weiteren Angehörigen.“
Am Sonntag war auch Albstadts Finanzbürgermeister Steve Mall in Lautlingen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. „Das war ein schrecklicher Tag für Albstadt“, fasst er auf unsere Frage hin seinen Eindruck zusammen. Die Tat habe ihn, wie alle, tief getroffen, zumal er eines der Opfer gekannt habe. Sein Dank gilt sämtlichen Einsatzkräften, die hier, so Mall, hervorragende Arbeit geleistet hätten.
Nils Maute, der als SPD-Stadtverbandsvorsitzender noch im Wahlkampf eng mit dem am Sonntag getöteten Felix Gminder als junges engagiertes Wahlkampfteam zusammen gearbeitet hat, fasst seine Bestürzung in Worte: „Die Ereignisse und Geschehnisse kann ich nicht kommentieren; es steht mir auch nicht zu. Ich kann nur hoffen, denken und mich erinnern. Vor allem erinnere ich mich an einen scharfsinnigen und intelligenten Menschen, der aber auch bodenständig, zuvorkommend, herzlich, kurzum ein guter Mensch war. Ein Mensch, der mit mir eine große Leidenschaft teilte: die Kommunalpolitik. Der die Fähigkeit hatte, im Kleinen wie im Großen etwas zu verändern und von dem ich sicher war, dass er eines Tages genau das tun würde, dass dieser Tag nie kommen sollte, ist für mich unbegreiflich und macht mich fassungslos.“
Menschen sind fassungslosDer Schock sitzt tief. Das tragische Geschehen erschüttert die Lautlingerinnen und Lautlinger in besonderem Maße. Ortsvorsteher Holger Mayer, der selbst unweit des Tatorts wohnt, spricht von einem „schweren Tag“ für Albstadt, den man wohl nicht so schnell vergessen werde, und räumt unumwunden ein: „Ich bin fassungslos.“ Er habe bewusst und aus Pietätsgründen davon abgesehen, am Sonntag zum Tatort zu gehen, habe sich aber mit Bürgermeister Mall kurzgeschlossen, der während des Einsatzes vor Ort gewesen sei.
Holger Mayer ist bestürzt über das Geschehene. Man kenne sich, sagt er über die Familie. Der Tod des Sohnes treffe ihn besonders hart. Er habe in den letzten Wochen viel Kontakt mit dem 24-Jährigen gehabt, der auch für den Ortschaftsrat kandidiert habe. „Wir waren deswegen in einem guten Austausch“, sagt Holger Mayer. Er habe den engagierten jungen Mann als lebensfrohen, fröhlichen Menschen mit vielen Zielen kennengelernt. „Ich kann einfach nicht begreifen, dass er diese Ziele nun nicht mehr erreichen kann“, sagt Mayer.
Positiv zu sehen ist seiner Meinung nach, so Mayer, dass die Polizei die Anwohner sehr schnell informiert habe, auch als die Gefahrenlage beendet war. Ein großes Lob müsse sämtlichen Einsatzkräften gelten. Seinem Eindruck nach hätten in Sachen Krisenmanagement alle Räder reibungslos ineinander gegriffen, was für ihn ein Beleg dafür sei, dass die Strukturen sehr funktional seien.
Stark verankert in der FDPFelix Gminder war stark verankert in der FDP. Er war Kreisvorsitzender der Jungen Liberalen Zollern-Sigmaringen, stellvertretender Vorsitzender der FDP Zollernalb, Schatzmeister im Bezirk Neckar-Alb, er kandidierte für die Liberalen bei der Europawahl und bewarb sich um einen Sitz im Albstädter Gemeinderat und im Kreistag sowie für den Lautlinger Ortschaftsrat.
„Heute haben wir nicht nur einen großen Liberalen und engagierten Europäer verloren“, heißt es in einem Post der FDP Baden-Württemberg, „sondern auch einen herzlichen Menschen, den wir alle sehr geschätzt haben und unfassbar vermissen werden.“
Boden unter den Füßen weggezogenFassungslosigkeit macht sich auch im FDP-Kreisverband Zollernalb breit. „Es ist für uns die nächste Generation“, sagt der FDP-Kreisvorsitzende Stephan Link über Felix Gminder, auf dessen Schultern viele Hoffnungen ruhten. Er sei aufgrund seines Engagements und seiner persönlichen Begabungen für die Liberalen einer der Hoffnungsträger für die Zukunft gewesen.
So habe er an dem 24-Jährigen unter anderem sehr geschätzt, dass er planvoll an das Leben herangegangen sei und gewusst habe, was er wolle. „Mir fehlen die Worte“, sei die Äußerung, die er derzeit sehr oft höre, sagt Stephan Link. Er könne das Ganze noch nicht begreifen. „Wir haben uns noch letzte Woche bei einer Veranstaltung gesehen“, sagt er über den 24-Jährigen. Er habe neben ihm gesessen. „Und wir haben uns unterhalten. Und jetzt ist es so, als ob einem einer den Boden unter den Füßen wegzieht.“