Michael Kretschmer: „Eine neue Moderatorin, bitte!“
Bei Caren Miosga wird Michael Kretschmer (CDU) für seine Politik in Sachsen kritisiert und belehrt: Er trage dazu bei, dass Politiker angegriffen werden und die AfD mehr Stimmen bekommt. Kretschmer lässt sich das nicht bieten und fordert eine neue Moderatorin.
Screenprint: ARD / Caren Miosga
Michael Kretschmer (CDU) ist bei Caren Miosga zum Nachsitzen vorgeladen worden. So wirkt jedenfalls die Sendung am gestrigen Abend. Um die Argumente von Miosga und ihrer Verstärkung aushalten zu können, rutscht der sächsische Ministerpräsident auf seinem Stuhl vor und zurück, seine Füße hibbeln unter dem Tisch hin und her und sein Kiefer spannt. So wie ein Schüler beim Nachsitzen eben: Um das Gerede des Lehrers aushalten zu können, müssen die Nerven sich irgendwie entladen.
Der Grund für das Nachsitzen bei Lehrerin Miosga: Sie würde sich von Kretschmer wünschen, dass er „nachdenklicher“ mit seiner Sprache umgeht. Respektvolles Reden helfe gegen Radikale, suggeriert Miosga. Aber Aussagen von Kretschmer wie „wir müssen die Grünen loswerden“ oder „die Ampel zerstört die Demokratie“ seien nicht respektvoll. Solche Beschimpfungen würden dafür sorgen, dass die AfD Stimmen gewinnt, belehrt Lehrerin Miosga. Und dass Angriffe auf Politiker geschehen, so wie auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke beim Plakatieren in Dresden.
Außerdem muss Kretschmer nachsitzen, weil er keine klare Kante gegen Rechts zeige und die Bevölkerung in Sachsen unzufrieden mit der Politik ist. In einem Einspieler geht es um die Ergebnisse des „Sachsen-Monitors“. Rund ein Drittel sagten in der repräsentativen Erhebung, das Land gleiche mittlerweile mehr einer Diktatur als einer Demokratie. Und einige Sachsen sagen im Interview mit Miosgas Team, dass sie sich von der Landesregierung eine klare Positionierung gegen Rechts wünschten. Immerhin kommt die AfD mittlerweile auf 35 Prozent der Stimmen in Sachsen und ist somit stärkste Partei. Miosgas Verstärkung, die Geschäftsführerin des Bereichs „Demokratie stärken“ von der Hertie-Stiftung Elisabeth Niejahr, kritisiert ebenfalls, die CDU greife Themen der AfD auf: die Migrationsquote in Schulen zum Beispiel.
Kretschmer lässt sich aber nicht so einfach von seinen Lehrern vorführen: Er findet es „maßlos“, den Erfolg der AfD einem Bundesland in die Schuhe zu schieben, und sagt: „Das ist eine Frechheit.“ Er wolle weder sich noch den Sachsen pauschale Neigungen zum Extremismus anhängen lassen. Zudem kämpfe er gegen den Rechtsextremismus, betont er. Was für ein braver Schüler. Allerdings sagt er dann, dass die Ampel an der Bevölkerung vorbeiregiere. Ob Miosga ihm dafür eine schlechte Note im Arbeitsverhalten gibt?
Passend zu dieser Nachsitzstunde des CDU-Politikers darf – wie im ÖRR üblich – die Kritik an der klaren Kante gegen Links nicht fehlen: Die CDU schließt bislang eine Koalition mit der Linken aus. Miosga sagt mit einem Hundeblick, Menschen wie Bodo Ramelow (Linke) seien doch keine Gefahr für die Demokratie. Niejahr meint, es ist „intellektuell problematisch“, dass die Union eine Koalition mit der Linken ausschließt, aber nicht mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht. Der Historiker und Publizist Ilko-Sascha Kowalczuk meint wiederum, Wagenknecht sei eine „Kommunistin“, und deshalb kritisiert er, dass die Union überlege, mit dem BSW zu koalieren – was Kretschmer verneint.
Linnemann gegen Schwarz-Grün
Kretschmer verneint hingegen nicht, dass er dafür ist, den Krieg in der Ukraine einzufrieren. Denn die militärischen Mittel der Ukraine in den letzten zwei Jahren hätten nicht funktioniert und würden auch weiterhin nicht funktionieren. Seine Lösung: Ein Raketenabwehrsystem wie in Israel auch in der Ukraine zu etablieren – und vor allem Diplomatie. Er schlägt eine diplomatische Allianz der Brics-Staaten vor. Denn: „Deutschland hat keine Diplomaten.“ Diese Wortmeldung gefällt Miosga gar nicht: Würde der Krieg eingestellt, dann würden viele Ukrainer nach Deutschland fliehen, meint sie. Und Miosgas Verstärkung Kowalczuk sagt: „Der Diktator und Massenmörder Putin will keine Diplomatie.“
Kretschmer fragt seine Lehrerin dann etwas, das nicht in ihrem Lehrbuch steht: „Was ist das Kriegsziel?“ Miosga stammelt, das sei nicht formuliert. Und weicht aus, um Kretschmer vorzuhalten, dass viele in der Union andere Meinungen zum Krieg in der Ukraine vertreten würden. Ganz nach dem Motto: Alle anderen Schüler verhalten sich doch auch konform, nimm dir mal ein Beispiel an denen. Kretschmers Stimme wird laut und gereizt: Bis vor kurzem habe es noch Meinungsfreiheit gegeben. Er wolle den Diskussionskorridor offenhalten – auch innerhalb der Union.
Danach braucht Kretschmer – und der Zuschauer – erstmal eine Aufmunterung. Und Miosga bietet in der Sendung eine Idee, was man nach dem Nachsitzen machen könnte: „Sex and the City“ schauen. Das habe Kretschmer schließlich in seinen ersten Jahren als Abgeordneter in Berlin gemeinsam mit Jens Spahn (CDU) und Julia Klöckner (CDU) geschaut. Kretschmer korrigiert Miosga: Sie haben die Serie „Ally McBeal“ gesehen. Miosga hat sich offenbar eher um ihre Belehrungen gekümmert als um ihre journalistische Recherche. Sie hat nicht mal erwähnt, dass Kretschmer Abitur gemacht hat. Kretschmer fordert daher mit einem Zwinkern „eine neue Moderatorin, bitte“.
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