Kretschmer bei Miosga: "Es ist fünf vor zwölf"

6 Mai 2024

Nach der Attacke auf SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden warnt Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer bei Caren Miosga vor Demokratiefeinden und fordert härtere Strafen für Gewalttaten. Doch es geht auch um seine Lieblingsserie.

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Foto Sächsische.de

Michael Kretschmer zeigt sich beunruhigt über das "Phänomen TikTok". © Hendrik Schmidt/dpa

Die Einleitung ist schwungvoll. "Die anderen haben TikTok, er klopft lieber an der Tür", lobt Moderatorin Caren Miosga ihren Gast Michael Kretschmer und dessen Hang zu teils turbulenten Bürgergesprächen.

Der Auftritt in der politischen Talkshow am Sonntagabend ist allerdings ernst. "Es ist fünf vor zwölf", sagt Sachsens Ministerpräsident angesichts des brutalen Angriffs auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke beim Plakatieren in Dresden. Der CDU-Politiker warnt vor Feinden der Demokratie, bezeichnet die AfD als geistige Brandstifter und fordert eine härtere Bestrafung von Gewalttätern: "Die Strafen für Gewaltdelikte sind zu schwach."

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Miosga will wissen, ob auch Kretschmer zu hart gegen die Ampel und vor allem die Grünen austeile? "Natürlich werde ich auch nachdenklicher", antwortet der Regierungschef. Er habe keine Feinde in den demokratischen Parteien, dennoch wolle er ohne die Grünen weiterregieren.

Kretschmer in Gröditz: "Wir müssen die Grünen loswerden"

Der Kurs der Ampel sei ein "Vorbeiregieren" an den Sorgen der Bevölkerung. Zudem entstehe der Zustrom für Rechtspopulisten dadurch, dass die Bundesregierung Probleme nicht löse. Angesichts der hohen AfD-Werte in Sachsen hält Miosga Kretschmer das bekannte Biedenkopf-Zitat vor, wonach die Menschen im Freistaat immun gegen Rechtsextremismus seien. Kretschmer will es einordnen, es sei im Zusammenhang gelesen ein Appell für den Kampf gegen diesen Extremismus gewesen. Auch sein Leben, sagt Kretschmer über sich, bestehe aus "Kampf gegen Rechtsextremismus".

Kretschmer reagiert dünnhäutig: "Das ist eine Frechheit"

Elisabeth Niejahr, Geschäftsführerin des Bereiches "Demokratie stärken" der Hertie-Stiftung, bringt die hohe Zustimmung zur AfD bei den Unter-25-Jährigen in die Debatte. Kretschmer spricht vom "Phänomen TikTok". Er zeigt sich beunruhigt von diesen "kurzen, massiven Botschaften". Und er sagt, man müsse sich anschauen, was man dagegen tun könne. Generell aber müsse Extremisten der Nährboden entzogen werden durch das Lösen von Problemen – so wie etwa bei DVU und NPD.

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Nach wie vor liegt die AfD in Umfragen bei bis zu 35 Prozent im Freistaat und ist damit stärker als die CDU. Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk betont, in Sachsen habe sich Rechtsextremismus seit 1990 entwickelt. Es gebe ein Wegschauen der Mitte. Dazu kämen "antidemokratische Misstöne" etwa der Unionsparteien im Umgang mit der Ampel. Im Übrigen habe das konservative Milieu die Sprache der AfD übernommen – im Glauben, diese klein halten zu können.

Es ist das einzige Mal, dass Kretschmer dünnhäutig wirkt. "Das ist eine Frechheit", entgegnet er. Er lasse weder sich noch den Sachsen pauschale Neigungen zum Extremismus anhängen. In einem Einspieler geht es um die teils krassen Erkenntnisse des Sachsen-Monitors. Rund ein Drittel sagten in der repräsentativen Erhebung, das Land gleiche mittlerweile mehr einer Diktatur als einer Demokratie. Kowalczuk sagt, die Aufarbeitung der SED-Diktatur sei trotz vieler Fördermittel nicht in der Gesellschaft angekommen. Miosga fragt: Wie sieht es vor diesem Hintergrund mit dem Vergleich der Ampel-Wirtschaftspolitik mit der der DDR durch Kretschmer aus?

Der Sachsen-Monitor zeigt die Probleme im Freistaat – doch wie lösen wir sie?

Kretschmer verteidigt sich. Die DDR, konstatiert der Görlitzer, habe wirtschaftliche Fehler mit Schulden korrigieren wollen – wie die Ampel auch. Beim Russland-Thema bleibt Kretschmer bei seiner Position, der Krieg müsse angehalten werden. Erneut fordert er internationale Diplomatie und einen Raketenschirm, der Deutschland schütze. Nötig sei wirtschaftliche Stärke.

Alle Entwicklungen im Ukraine-Krieg lesen Sie in unserem Newsblog Kretschmer über seine ersten Jahre im Bundestag

Auch dass Kretschmer die Haltung zu Sahra Wagenknechts Partei BSW offen lässt, ist nichts Neues. Eine Ablehnung wäre angesichts des drohenden Verlusts klarer Mehrheiten nach der Wahl im September ungeschickt. Immerhin gibt Kretschmer preis, dass er als Bundestagsabgeordneter mit Vertretern aller Parteien geredet habe – außer mit Wagenknecht. Wenn sie einen Raum betreten habe, sei die Temperatur um fünf Grad gesunken, lästert Kretschmer.

Wagenknecht hat ihn in Interviews unlängst mehrfach gelobt – wegen seiner Haltung im Ukrainekrieg und der Forderung, die Energiewende neu aufzusetzen. Kretschmer weist auf die Vergangenheit Wagenknechts in der kommunistischen Plattform hin. Jetzt seien auch Unternehmer im BSW. "Ich finde man kann zu dieser Truppe gar nichts sagen."

Immerhin kennen die Zuschauer von Caren Miosga den Seriengeschmack des CDU-Vizechefs. Ob es in Berlin einsam gewesen sei, will die Moderatorin mit Blick auf die ersten Jahre Kretschmers ab 2002 im Bundestag wissen. War es nicht. Kretschmer traf sich in einem Abgeordnetenbüro mit den Kollegen Jens Spahn und Julia Klöckner (beide CDU). Bei Käse und Wein schauten sie Vox. Und zwar die Serie um die charismatische Anwältin Ally McBeal.

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