„Caren Miosga“: „Leider hat dieses Land gerade keine Diplomaten ...

6 Mai 2024

Um die Union droht es, einsam zu werden. Aktuellen Umfragen zufolge liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, dass sich die CDU nach der kommenden Wahl in Sachsen alleine mit AfD und BSW im Landtag wiederfindet. Für den amtierenden Ministerpräsidenten Michael Kretschmer stellt sich demzufolge umso mehr die Frage nach einer brauchbaren Strategie im Umgang mit der populistischen Opposition.

Kretschmer - Figure 1
Foto DIE WELT

„Hilft Reden gegen Radikale?“, fragte ihn Caren Miosga am Sonntagabend. Im Anschluss an das Einzelgespräch erweiterte sie die Runde um die Publizistin Elisabeth Niejahr und den Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk.

„Mein Leben besteht in einem Kampf gegen den Rechtsextremismus – schon als Jugendlicher“, hob CDU-Politiker Kretschmer hervor. Es sei „falsch“, der sächsischen Union vorzuwerfen, das Problem zu ignorieren. Und es sei „maßlos“, den Rechtsextremismus an „irgendeinem Landesteil festzumachen“.

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Die Menschen in Sachsen kämpfen „in ihrer überwiegenden Zahl“ für Demokratie, Weltoffenheit und einen anständigen Umgang miteinander. Kretschmer schränkte jedoch ein: „Wir haben es nicht geschafft, den Nährboden zu entziehen.“ Demokratie verteidige man am besten, indem die Demokratie und der Rechtsstaat die Probleme lösten.

Der Ampel-Koalition sprach Kretschmer die Fähigkeit zu eben diesen Lösungen ab. Demokratie heiße, einen „Diskursraum“ zu eröffnen und Menschen zu beteiligen. „Das findet in dieser aktuellen Bundesregierung nicht statt“, urteilte er. Stattdessen regiere sie etwa bei der Energiewende oder bei den Subventionen für den Agrardiesel an der Bevölkerung vorbei.

500.000 Bauern seien nach Berlin gefahren, „um ein Thema zu klären“, führte der CDU-Politiker aus, und seien „mit einer völligen Ohnmachtserfahrung nach Hause geschickt“ worden. Damit treibe die Regierung die Menschen in die Hände von Protestparteien.

Die Konservativen und „antidemokratische Misstöne“

„Da hätte ich mir ein viel, viel härteres Einschreiten aller Parteien gewünscht, wenn sowas wie Galgen gezeigt werden“, bemängelte Elisabeth Niejahr die Verrohung, die bei den Bauernprotesten zum Ausdruck gekommen sei. Die frühere Journalistin leitet den Bereich „Demokratie stärken“ der Hertie-Stiftung.

Den dialogbereiten Ansatz von Kretschmer lobte sie zwar, doch dessen seit 1990 in Sachsen regierende Partei machte sie zugleich verantwortlich für die mangelnde politische Bildung. „Die Defizite sind offensichtlich“, sagte die Journalistin, „Beim Thema Demokratie ist unheimlich viel Luft nach oben“. So zeige sich in Umfragen, dass die AfD insbesondere in der Gruppe der unter 25-Jährigen „besonders stark“ sei.

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Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk warf dem sächsischen Ministerpräsidenten vor, das Problem des Faschismus in Sachsen kleinzureden. Anhand der „antidemokratischen Misstöne“ im Umgang mit der Ampel-Koalition und den Grünen im Speziellen zeige sich, dass das konservative Milieu die „Sprache und Denke der AfD übernommen“ habe.

Kretschmer reagiert erbost auf den Vorwurf. Die Demokratieförderung sei seit 1990 „immer das Thema“ gewesen, beteuerte er. So zu tun, als würde die CDU „auch nur im Ansatz Rechtsextremismus, Verfassungsfeindlichkeit ignorieren oder es billigend in Kauf nehmen“, sei „einfach nicht in Ordnung“, unterstrich der Unionspolitiker „Das ist eine Frechheit.“

Eine Abwehrhaltung nahm der sächsische Ministerpräsident auch in Bezug auf sein Verhältnis zu Russland ein. „Sie werden kein Zitat finden, indem ich Verständnis für den russischen Präsidenten und diesen Angriffskrieg deutlich mache“, insistierte er. Für ihn sei die juristische Haltung, dass inklusive der Krim kein Quadratmeter der Ukraine russisch geworden sei. Kretschmer bemängelte aber die Wahl der Mittel, mit denen versucht werde, dem Staat zu helfen. „Es geht nur mit Diplomatie“, unterstrich der CDU-Politiker, „Leider hat dieses Land gerade keine Diplomaten“.

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Mit seiner Forderung, den Krieg einzufrieren, verfolge er eine „Perspektive des Machbaren“. Seine Position sei zwar „unangenehmer“, aber auch „ehrlicher“ als die der Bundesregierung, die es vermeide, das Ziel des Krieges zu benennen.

„Das Kriegsziel der russischen Föderation besteht darin, Freiheit und Demokratie zu zerstören“, erwiderte Kowalczuk vorwurfsvoll. „Die westlichen Kriegsziele können ja nur sein, das mit allen Mitteln zu verhindern.“ Es wäre nur dann möglich, einen Verhandlungsweg einzuschlagen, wenn Wladimir Putin dazu bereit wäre. Die Forderung nach Diplomatie sei deshalb Populismus, AfD- und BSW-Sprech.

Deutliche Kritik übte Kowalczuk an der Haltung der CDU zu Sahra Wagenknecht. Vor allem wegen dieser sei die Linke in den vergangenen Jahren „nicht dialog- und koalitionsfähig“ gewesen. Statt mit Bodo Ramelow, der „einen wirklich tollen Job“ mache, diskutiere die Union nun darüber, mit „dieser Person zu koalieren“, warf er Kretschmer vor.

Dieser zeigte sich wiederum unbeeindruckt. Er könne zu „dieser Truppe“ gar nichts sagen. Das Thema sei ein „Medienkonstrukt“. Auch in seiner Zeit im Bundestag habe er nie mit der jetzigen BSW-Vorsitzenden gesprochen. „Die Temperatur ist um fünf Grad gesunken, wenn sie den Raum betreten hat“, erinnerte er sich, „Dass das so eine Faszination ausstrahlt, erschließt sich mir überhaupt nicht.“

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