Zahl der Erkrankungen steigt weiter: Mysteriöse „Krankheit X“ im ...
Der Ausbruch einer bisher nicht identifizierten Krankheit im Südwesten der Demokratischen Republik Kongo gibt weiterhin Anlass zur Sorge. Nach Angaben des Gesundheitskrisenzentrums ist die Zahl der Erkrankten von 376 Ende letzter Woche auf 406 gestiegen.
Mehr als 140 Menschen, die meisten davon Kinder, sollen nach Angaben der Gesundheitsbehörden in der betroffenen Region Panzi in der Provinz Kwango bereits gestorben sein. Über die genauen Zahlen gibt es allerdings unterschiedliche Angaben. In einem Bericht des Krisenzentrums ist derzeit nur von 31 Toten die Rede, offiziell wurde die Zahl am Wochenende mit 75 angegeben. Überwiegend seien Kinder betroffen, besonders unter Fünfjährige. Alle seien schwer unterernährt.
Die Gesundheitsbehörden der betroffenen Provinz hatten schon vor Tagen von mehr als 130 verstorbenen Patienten gesprochen, anders als etwa im Bericht des dortigen Gesundheits-Krisenzentrums sind dabei auch Menschen erfasst, die ohne ärztliche Behandlung zu Hause starben, aber die gleichen Symptome aufwiesen.
Noch keine LaborergebnisseEigentlich wurden am Wochenende erste Laborergebnisse erwartet, um welchen Erreger es sich bei dem Ausbruch handelt. Bisher liegen jedoch keine Ergebnisse vor, es wird von Verzögerungen berichtet. Aus dem Krisenstab in Kinshasa war zu hören, dass der Zeitplan nicht eingehalten werden kann. Die Ergebnisse werden entscheidend sein, um die Krankheit zu identifizieren und gezielt einzudämmen.
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© dpa/AP/Moses Sawasawa
Über die Krankheit, die vor allem Kinder bis zum Alter von 15 Jahren betrifft, ist noch wenig bekannt. Zu den Symptomen gehören Kopfschmerzen, Husten, Fieber, Atembeschwerden und Blutarmut. Zwar deuteten die Symptome auf eine Atemwegserkrankung hin, sagte Mwamba über die bis zur genauen Bestimmung als „Krankheit X“ bezeichnete Erkrankung. „Wir warten darauf, die Laborergebnisse zu sehen, um die Diagnose zu bestätigen und die Behandlung zu präzisieren.“
Wegen der mangelnden Kapazitäten in der entlegenen Region an der Grenze zu Angola müssen die entnommenen Proben im Zentrallabor in der Hauptstadt Kinshasa analysiert werden. Die Demokratische Republik Kongo ist das zweitgrößte Land Afrikas, verfügt aber nur über eine sehr schlechte Infrastruktur.
Bisher waren nur zwei Epidemiologen in dem entlegenen Gebiet an der Grenze zu Angola vor Ort. Außerdem fehlten Notfallmedikamente und ein Frühwarnsystem. Das mache die Reaktion auf die Erkrankung mit grippeähnlichen Symptomen besonders kompliziert. Während der erste Krankheitsfall bereits am 24. Oktober registriert wurde, ging eine Alarmmeldung erst am 1. Dezember bei der nationalen Gesundheitsbehörde des zentralafrikanischen Landes ein.
Sprunghafter Anstieg der TodesfälleDie Situation in der abgelegenen Region Panzi sei nach wie vor besorgniserregend, hieß es am Samstag in den kongolesischen Medien. Hinzu kämen logistische Probleme für die entsandten Gesundheitsteams und das medizinische Personal in der abgelegenen Region mit schlechtem Straßennetz. Verspätungen bei der Meldung von Krankheitsfällen an die Behörden werden auf die abgelegene Lage der Panzi-Region zurückgeführt.
Das lokale Gesundheitssystem ist schwach, es mangelt an Medikamenten und Testkapazitäten. Die betroffene Region ist von hoher Unterernährung geprägt – etwa 40 Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Dies scheint die Menschen, insbesondere Kinder, anfälliger für schwere Krankheitsverläufe zu machen.
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Die abgelegene Lage könnte auch den sprunghaften Anstieg der Todesfälle auf über 130 innerhalb weniger Tage erklären. Einige Dörfer mit Dutzenden von Toten wurden erst verspätet ausfindig gemacht, die Zahlen summierten sich dadurch dann schlagartig.
Die WHO hat ein Team in die Demokratische Republik Kongo entsandt, das mit Medikamenten sowie Diagnose- und Probenentnahmeausrüstung ausgestattet ist, um bei der Untersuchung und Eindämmung der Krankheit zu helfen. Allein die 700 Kilometer lange Fahrt in die betroffene Region wird allerdings mindestens zwei Tage brauchen.
Panzi ist eine ländliche Gemeinde, mehr als 700 Kilometer von der Hauptstadt Kinshasa entfernt. Der Zugang über die Straße ist schwierig und das Kommunikationsnetz ist begrenzt. Bisher wurde die Krankheit aus sieben der 30 Gesundheitszonen der Provinz Kwango gemeldet, die meisten Fälle aus drei der sieben betroffenen Zonen.
Schlechte VersorgungslageDie Versorgungslage in den betroffenen Gebieten ist schlecht, es wird von einem Mangel an Medikamenten und medizinischem Material berichtet, da die Krankheit noch nicht bekannt ist, werde der Großteil der Bevölkerung von traditionellen Heilern behandelt, heißt es von Vertretern aus den betroffenen Gebieten.
Das Gesundheitssystem des zentralafrikanischen Landes ist ohnehin bereits stark belastet: Seit Monaten kämpft es gegen den Mpox-Ausbruch mit über 47.000 Verdachtsfällen und mehr als 1000 mutmaßlichen Todesfällen. Zudem herrscht eine Masernepidemie, und die saisonale Grippe breitet sich erneut aus.
Das Gesundheitssystem des zentralafrikanischen Landes ist ohnehin schon stark belastet: Seit Monaten kämpft es gegen die Mpox-Epidemie.© dpa/MOSES SAWASAWA
Die Sicherheitsvorkehrungen und die Alarmbereitschaft in den betroffenen Regionen wurden erhöht. Entgegen anderslautenden Berichten hat der Kongo seine Grenzen wegen der aktuellen Situation mit der „Krankheit X” aber nicht vollständig geschlossen.
Neuer Erreger möglichDerzeit müsse man von einer nicht diagnostizierten und nicht von einer unbekannten Krankheit sprechen, so die WHO. Die genauen Erreger – Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten – sind noch nicht bekannt. Auch die Übertragungswege sind noch unklar. Fachleute vermuten, dass der Ausbruch auf einen bekannten Erreger zurückzuführen ist.
In der Region sind Krankheiten wie Malaria, HIV und Masern weit verbreitet. Hinzu kommt, dass viele Menschen aufgrund von Unterernährung anfällig für Infektionen wie die Grippe sind. Bestehende Gesundheitsprobleme könnten erklären, warum selbst eine vergleichsweise geringe Zahl an Erkrankungen zu einer hohen Sterblichkeitsrate führt.
Auch nach einer Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO könnte der Ausbruch auf bekannte Ursachen zurückzuführen sein. Anhand der Symptome würden „werden akute Lungenentzündung, Influenza, COVID-19, Masern und Malaria als mögliche Ursachen in Betracht gezogen“, teilte die WHO mit.
Malaria ist eine in diesem Gebiet weit verbreitete Krankheit, die möglicherweise die Fälle verursacht oder zu ihnen beiträg. Moskitonetze sollen schützen, wenn kein Impfschutz vorliegt.© picture alliance/dpa/EPA MORRISON
„Malaria ist eine in diesem Gebiet weit verbreitete Krankheit, die möglicherweise die Fälle verursacht oder zu ihnen beiträgt“, berichtete die WHO. „Derzeit werden Labortests durchgeführt, um die genaue Ursache zu ermitteln. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es auch möglich, dass mehr als eine Krankheit zu den Fällen und Todesfällen beiträgt.“
Allerdings ist die Datenlage unsicher, da systematische Erhebungen fehlen. Und es bleibt auch möglich, dass ein neuer Erreger oder ein bekannter Erreger mit veränderten Eigenschaften für den Ausbruch verantwortlich ist.
Experten zu globalen FolgenPaul Hunter, Professor für Medizin an der Universität von East Anglia, hält einen unbekannten Erreger aber für wenig wahrscheinlich. Mehrmals im Jahr werde irgendwo auf der Welt über Ausbrüche mit Todesfällen berichtet. „Fast immer handelt es sich dabei um eine bereits bekannte Infektion mit begrenzten globalen Folgen“.
Michael Osterholm vom Center for Infectious Disease Research and Policy hält die hohe Sterblichkeitsrate zwar für auffällig, aber bisher gebe es keine Hinweise auf ein exponentielles Wachstum oder eine internationale Ausbreitung. Angesichts der Schwierigkeiten, milde Infektionen in Zentralafrika zu erkennen, ist die Sterblichkeitsrate wahrscheinlich viel geringer, als diese Zahlen vermuten lassen, gibt auch Huter zu bedenken.
„Ausbrüche wie dieser werden auf der ganzen Welt immer wieder vorkommen“, sagt auch Michael Head, Senior Research Fellow in Global Health, University of Southampton. In der Regel würden sie unter Kontrolle gebracht, ohne dass sie sich zu weit ausbreiten, und es kann sein, dass wir den genauen Erreger, der die Infektionen verursacht hat, nie herausfinden.
Die abgelegene Lage des aktuellen Ausbruchs erschwere zwar die Reaktion der Gesundheitsbehörden. Michael Head sieht in den vorangegangenen Ebola- und Mpox-Ausbrüchen im Kongo aber auch eine Chance: So habe das Land Erfahrung im Umgang mit Epidemien von Infektionskrankheiten. (mit dpa)