Krankenhausreform beschlossen: Nord-Länder unterschiedlicher ...
Stand: 22.11.2024 14:51 Uhr
Der Bundesrat hat die umstrittene Krankenhausreform genehmigt. Die Länderkammer ließ das bereits im Bundestag beschlossene Gesetz am Freitag passieren, ohne den Vermittlungsausschuss anzurufen - wie zum Beispiel SH-Gesundheitsministerin von der Decken (CDU) gefordert hatte.
Hingegen warnte der niedersächsische Minister Andreas Philippi (SPD) in der Bundesratssitzung: Wenn die Reform in den Vermittlungsausschuss geschoben werde, dann sei sie "politisch tot". Ähnlich äußerte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Er sagte, dass zurzeit 50 Prozent der Krankenhäuser Defizite machten und 30 Prozent der Betten leer stünden. Lauterbach appellierte kurz vor der Abstimmung an die Länder, das Gesetz passieren zu lassen. Dieses sei eine "einmalige Chance, Zehntausenden Menschen pro Jahr eine bessere Versorgung zukommen zu lassen." Bei der Abstimmung kam dann ein Antrag Bayerns auf Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht auf die nötige Mehrheit.
Weitere Informationen
Nun soll das Gesetz Anfang 2025 Schritt für Schritt in Kraft treten. In der Sitzung der Länderkammer hatte es eine kontroverse Debatte dazu gegeben.
SH-Ministerin von der Decken: Kein gutes Signal für KrankenhausversorgungMehrere Bundesländer kritisierten unter anderem, dass ihnen Kompetenzen bei der Krankenhausplanung vor Ort entzogen würden. Außerdem forderten sie eine Übergangsfinanzierung für angeschlagene Kliniken, bis die Reform wirkt. Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken, hatte im Bundesrat vor der Entscheidung gesagt: "Der Vermittlungsausschuss bietet eine Chance, höchstwahrscheinlich die letzte, um diese groben Fehler zu korrigieren. Ich habe immer eindringlich für seine Anrufung geworben."
SH-Gesundheitsministerin von der Decken (CDU) hätte gerne den Vermittlungsausschuss eingeschaltet.
Schleswig-Holstein enthielt sich dann bei der Abstimmung im Bundesrat, wie es bei unterschiedlichen Ansichten innerhalb einer Koalition auf Länderebene üblich ist. Anschließend teilte von der Decken mit, sie bedauere zutiefst, "dass nicht mehr fachliche, sondern offenbar politische Erwägungen ausschlaggebend waren", den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Sie sei überzeugt, "dass wir dort konstruktiv notwendige Verbesserungen hätten erzielen können". Sie wolle sich nun dafür einsetzen, "dass die Umsetzung des Gesetzes bestmöglich im Interesse der Versorgung gelingt und wir notwendige Verbesserungen mit einer nächsten Bundesregierung so schnell wie möglich erreichen können", so von der Decken.
Niedersachsen: Minister Philippi lobt BundesratsbeschlussNiedersachsens Gesundheitsminister Philippi begrüßte die Entscheidung des Bundesrates: "Ich freue mich über das verantwortungsvolle Agieren der meisten Länder am heutigen Tag. Der Vermittlungsausschuss wäre das Ende der Krankenhausreform gewesen." Nun gebe es "Planungssicherheit und nicht zuletzt auch mehr Geld für die Krankenhäuser". Auf diesen Moment habe er lange hingearbeitet, sagte der SPD-Politiker: "Es lässt sich mit Fug und Recht feststellen, dass eine deutliche niedersächsische Handschrift im KHVVG zu erkennen ist. Uns ist zugleich bewusst, dass diese Reform noch nicht perfekt ist und noch sehr viel Arbeit auf uns wartet."
Niedersachsens Gesundheitsminister Philippi (SPD) begrüßte den Beschluss, "auch wenn die Reform noch nicht perfekt ist".
Niedersachsen hatte sich nach Bekanntwerden eines ersten Gesetzesentwurfs zur Krankenhausreform für eine Überarbeitung mehrerer zentraler Vorgaben starkgemacht. Dabei ging es zum Beispiel um die Anpassung der Vorgaben für Fachkrankenhäuser mit spezialisiertem Versorgungsauftrag, die Weiterentwicklung von Kinderkliniken zu Fachkrankenhäusern und die rückwirkende Anrechnung der Gelder aus dem Transformationsfonds.
MV-Ministerpräsidentin Schwesig: Krankenhäuser brauchen mehr GeldMecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte bereits am Donnerstag bei der Eröffnung eines Krankenhaus-Neubaus in Anklam für die von der Bundesregierung geplanten Reform geworben: "Unsere Krankenhäuser brauchen dringend mehr Geld. Das gilt für die Universitätskliniken genauso wie für die kleineren Krankenhäuser im ländlichen Raum." Die MV-Landesregierung habe es im Gesetzgebungsverfahren geschafft, Krankenhäuser in den dünn besiedelten, ländlichen Gegenden durch Ausnahmeregeln besser abzusichern, so Schwesig.
FDP-Politiker Garg: SH-Regierung demontiert eigene MinisterinDer gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, Heiner Garg, kritisierte die Stimmenthaltung seines Landes im Bundesrat am Freitag mit scharfen Worten: "Jetzt demontiert die Landesregierung auch noch ihre eigene Gesundheitsministerin." Anders könne man das Verhalten in der Länderkammer nicht verstehen. "Frau von der Decken hält eine engagierte Rede für die Anrufung des Vermittlungsausschusses und nur wenige Minuten später enthält sich Schleswig-Holstein. Das ist ein unfassbarer Vorgang." Offensichtlich habe der grüne Koalitionspartner in letzter Minute dafür gesorgt, dass sich die Ministerin mit ihrer Haltung nicht durchsetzen kann, so Garg. "Ihr so in den Rücken zu fallen, ist nicht nur fachlich falsch, politisch unverständlich, sondern auch menschlich mies."
Krankenhausgesellschaften: Finanzierungsproblem bleibt ungelöstPatrick Reimund von der Krankenhausgesellschaft SH bedauerte ebenfalls, dass es nicht zur Anrufung des Vermittlungsausschusses kommt. Das Reform-Gesetz sei in weiten Teilen "völlig verunglückt". In der nun beschlossenen Fassung werde es "das zentrale Problem der Unterfinanzierung kleiner ländlicher Krankenhäuser" nicht lösen. Er befürchte "einen weiteren Bürokratie-Schub mit dem System der Vorhalte-Finanzierung, das gewissermaßen ein zweites Fallpauschalensystem auf das bestehende noch obendrauf setzt", so Reimund.
Auch die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) äußerte sich enttäuscht über das Abstimmungsverhalten ihrer Landesregierung: "Niedersachsen hat trotz zahlreicher Appelle und Warnungen ein nicht praxistaugliches Gesetz im Bundesrat durchgewunken. Das ist erstaunlich, denn für die wirtschaftliche Schieflage der Kliniken sowie das zunehmende Risiko für Versorgungslücken muss am Ende das Land geradestehen." Die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Stabilisierung und geordnete Transformation der Krankenhauslandschaft seien mit der Reform nicht gegeben. "Daran ändern auch punktuelle Änderungen nichts", erklärte NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke.
Niedersächsischer Landkreistag: Verkorkstes GesetzDer Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistags, Hubert Meyer, nannte das Reformgesetz verkorkst. Meyer sagte, er sehe nun das Land in der Verantwortung, einen eventuell notwendigen Ausgleich der Defizite kommunaler Krankenhäuser wenigstens zur Hälfte mitzufinanzieren. Der Landesleiter des Verbandes der Ersatzkassen, Hanno Kummer, appellierte: "Wir brauchen für die Umsetzung im Land jetzt einen klaren Kompass, damit Patientinnen und Patienten auch zukünftig entsprechend ihrer Erkrankung gut und sicher versorgt werden können." So müsse es bei der Zuweisung der Leistungsgruppen an die Krankenhäuser zu einer stärkeren Konzentration kommen. "Vergleichbare Leistungen kann es nicht mehr an so vielen Standorten wie bisher geben, dafür fehlt schlicht das Fachpersonal", so Kummer.
Reformziele: Weniger Kliniken bei höherer VersorgungsqualitätDie Reform soll die Zahl von derzeit 1.900 Klinikstandorten in Deutschland deutlich reduzieren - bei höherer Qualität und zuverlässigerer Finanzierung. Wichtigstes Element ist ein neues Abrechnungssystem. Über die bisherigen Fallpauschalen hinaus soll es sogenannte Vorhaltepauschalen für bestimmte Leistungen geben. Die Leistungsgruppen hierfür sollen die Länder zuweisen. Diese Leistungsgruppen sind mit Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen versehen, um sicherzustellen, dass Kliniken ein bestimmtes Maß an technischer Ausstattung, Personal und Fachdisziplinen haben. In schlechter ausgestatteten Regionen soll es die Möglichkeit für sektorübergreifende Gesundheitszentren geben. Auch soll es extra Mittel für gewisse Fachbereiche wie etwa Geburtshilfe oder Intensivmedizin geben. Zur Finanzierung der Krankenhausreform ist ein Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro geplant, den Bund und Länder stemmen sollen.
Weitere Informationen
11 Min
Dieses Thema im Programm:
NDR Info | Aktuell | 22.11.2024 | 12:00 UhrSchlagwörter zu diesem Artikel GesundheitspolitikHaushaltspolitik