US-Wahl 2024: Beyoncé-Boost für Kamala Harris
Sie war tatsächlich nicht zum Singen gekommen: Beyoncé Knowles Carter sagte am späten Abend vor mehreren zehntausend jubelnden Zuschauern in Houston, dass sie vor allem als Mutter hier sei. Mit der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris habe Amerika die Chance, ein „neues Lied“ anzustimmen, so der Megastar. Zuvor war sie gemeinsam mit ihrer früheren „Destiny‘s Child“-Kollegin Kelly Rowland auf die Bühne gelaufen, zu einem Medley der eigenen Songs und in einem kurzen schwarzen Blazer-Kleid mit zackigen Schulterpolstern. Beyoncé erinnerte an die Generationen von Frauen, die gekämpft hatten, damit der jetzige politische Moment erst möglich geworden sei. Damit hielt sich der Star an das Motto des Abends, das auf großen Lettern auf blauem Grund überall in der Arena zu sehen war: „Trust Women“, vertraut den Frauen, was so viel heißen sollte wie: Bevormundet sie nicht. Denn die Veranstaltung war als Feier der reproduktiven Freiheit und zugleich als deutliche Warnung gedacht.
Recht auf Selbstbestimmung
Bevor Beyoncé das Wort ergriff, hatten die Harris-Anhänger von Frauen gehört, die durch drakonische Abtreibungsverbote in Bundesstaaten wie Texas fast verblutet wären – und von Ärzten in weißen Kitteln, die von ihrer Angst sprachen, im Knast zu landen, wenn sie eine Abtreibung vornähmen. Sie wolle in einer Welt leben, in der ihre Kinder das Recht hätten, selbst über ihren Körper zu bestimmen, rief Beyoncé. Dafür werde jede Stimme gebraucht. Als dann unter Jubel Harris auf die Bühne lief, umarmten sich die drei Frauen, und die beiden Sängerinnen überließen der Kandidatin das Rampenlicht.
Der Auftritt des Popstars war also kurz, aber dürfte seine Wirkung auf die Fans nicht verfehlt haben, von denen manche zuvor mehr als zehn Stunden in der Hitze angestanden hatten. Schon mittags hatten sich vor der Shell-Arena lange Schlangen gebildet. Harris‘ Veranstaltung in Clarkston in Georgia hatte tags zuvor den Rekord von 20.000 Besuchern aufgestellt, die Arena in Houston fasst offiziell rund 22.000 Menschen. Medien berichteten von 30.000 Teilnehmern. Registriert hatten sich laut Kampagne mehr als eine Million.
Beyoncé hatte Harris bereits zum Auftakt der Kampagne erlaubt, ihren Song „Freedom“ zu benutzen. Die 43-jährige, die selbst aus Houston stammt, ist der größte Popstar, der bislang in Person auf einer Harris-Veranstaltung auftrat. Taylor Swift, die Beyoncé zumindest an Plattenverkäufen überholt, hatte sich bislang nur in den sozialen Medien für die Vizepräsidentin ausgesprochen.
Kulturelle Ikone
Besonders für schwarze Amerikaner ist Beyoncé eine der Prominenten mit der höchsten kulturellen Bedeutung. Sie äußert sich auch öfter zu politischen Themen und bezieht in ihren Liedern Stellung, etwa gegen Rassismus. So schrieb Beyoncé nach dem gewaltsamen Tod von Breonna Taylor 2020 einen Brief an Kentuckys Justizminister, indem sie die Anklage der verdächtigen Polizisten forderte. Auch nach dem Mord an George Floyd 2020 rief sie in den sozialen Medien zum Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt auf. Wenig später warb sie für die Wahl von Joe Biden.
Auch in ihrer Musik wurde Beyoncé oft politisch. Die Alben „Lemonade“ und „Renaissance“ und die dazu gehörigen Videos enthielten Auseinandersetzungen mit Rassismus und schwarzen Befreiungsbewegungen, ebenso wie 2016 ihr Auftritt bei der „Super Bowl“-Halftime-Show, als die Kostüme ihrer Tänzer den Black Panthers Tribut zollten. Das jüngste Album „Cowboy Carter“ wurde von der Kritik auch unter dem Aspekt der Rückaneignung der Country-Musik durch Schwarze besprochen. Weil Beyoncé aber keine Interviews mag und ihre Stellungnahmen lieber schriftlich abgibt, war der Auftritt in Houston besonders. Weitere prominente Unterstützer waren an diesem Abend der 91 Jahre alte Countrystar Willie Nelson und die Schauspielerin Jessica Alba.
Als der Jubel über den größten Stargast abgeklungen war, konzentrierte sich Harris in ihrer Rede vor allem auf die Bedrohung, die eine weitere Trump-Präsidentschaft für die reproduktiven Rechte bedeuten werde. Sie warnte davor, dass der Republikaner ein allgemeines Abtreibungsverbot durchwinken könnte, auch wenn er das Gegenteil behaupte. Sie dankte denjenigen Männern, die die Freiheit von Frauen unterstützten. Der Generation Z rief Harris zu, sie liebe die Ungeduld der Jungen, und sie sehe ihre Macht.
So war diese Veranstaltung, auch wenn sie in Texas stattfand, ganz auf die Stammwählerschaft zugeschnitten. Unentschlossen sollen manchen Umfragen zufolge nur etwa acht Prozent der Bevölkerung sein, andere sehen höhere Anteile. Weil die Präsidentenwahl in den Bundesstaaten nach dem „Winner-takes-all“-Prinzip entschieden wird, kann Harris zum Beispiel auch durch eine hohe Wahlbeteiligung in großen, liberal geprägten Städten gewinnen. Vor allem muss die Kampagne also die eigenen Anhänger daran erinnern, zur Wahl zu gehen, und noch besser: an Türen zu klopfen, Anrufe zu machen, die Freizeit in den letzten Tagen vor der Wahl diesem „Canvassing“ zu opfern. Die Wahlleutestimmen aus Texas dürfte Harris zwar trotzdem nicht holen, doch sollte die Großveranstaltung im Süden nochmal Strahlkraft entfalten, motivieren, die Begeisterung am Laufen halten.