SPIEGEL-Klimabericht Wie wichtig ist Kamala Harris der ...

23 Tage vor

Sie könnten gegensätzlicher nicht sein: der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump und seine Rivalin Kamala Harris. Ersterer ein 78-Jahre alter Mann mit extrem konservativen Ansichten, einer Vorliebe für Desinformation und aggressive Rhetorik, Harris dagegen eine fast zwanzig Jahre jüngere Frau mit deutlich linksliberalem Profil und freundlicher Erscheinung.

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In fast allen Politikbereichen versprechen sie genau das Gegenteil von dem, was der andere propagiert. Besonders deutlich ist das in der Klimapolitik. Bekanntlich ist Trump ein Klimaleugner, unter seiner ersten Präsidentschaft traten die USA aus dem Weltklimaabkommen aus, er stoppte unzählige klimapolitische Verordnungen und Projekte.

Sein Credo: »Drill baby drill« (Bohren, baby, bohren) – also die ungebremste Förderung von Erdgas und Erdöl. Dieser Slogan steht nun sogar in der Präambel des republikanischen Wahlprogramms : »Wir werden BOHREN, BABY, BOHREN (in Großbuchstaben), und wir werden Energie-unabhängig und den Energiemarkt wieder dominieren.« Die USA hätten »flüssiges Gold unter ihren Füßen«, dieses Potenzial müsse man nutzen.

Kamala Harris: Wie grün ist ihr Programm wirklich?

Foto: Kent Nishimura / Los Angeles Times / Getty Images

Nach dem Attentat auf Donald Trump schien ihm der Sieg gegen den strauchelnden Joe Biden sicher. Vier weitere Jahre klimapolitischer Rückschritte drohten. Seit dem Kandidatenwechsel im demokratischen Lager gibt es nun Hoffnung, dass zwischen 2025 und 2029 die größte Volkswirtschaft der Welt auf Klimakurs bleibt.

2024: So viel Rohöl gefördert wie noch nie

Doch was bedeutet Klimakurs in den USA? Auch unter dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden wurde in den vergangenen vier Jahren weiterhin munter nach Öl und Gas gebohrt. Die Biden-Regierung hat die Trump-Regierung inzwischen bei der Erteilung von Genehmigungen für Bohrungen auf öffentlichem Land sogar überholt .

Die US-Behörden melden  in der Rohölförderung neue landesweite Rekorde für dieses und kommendes Jahr. Über 13 Millionen Barrel werden dort jeden Tag aus dem Untergrund gepumpt. Das ist mehr als Saudi-Arabien und Russland fördern – und rund 15 Prozent der weltweiten Erdölproduktion. In den vergangenen Jahren nahm die US-Förderung sogar noch deutlich zu, während sie teils in anderen Ländern zurückging .

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Die beliebte Rechnung – demokratischer Präsident/in = Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und republikanischer Präsident/in = mehr fossile Brennstoffe – geht also nicht ganz auf.

Trotzdem wurden unter Joe Biden wichtige Gesetze für den klimafreundlichen Umbau des Landes verabschiedet, darunter der rund 370 Milliarden schwere Inflation Reduction Act (IRA). Dieser sieht hohe klimarelevante Ausgaben sowie Steueranreize für Elektroautos und erneuerbare Energien vor. Mit Verweis auf den Klimawandel legte Biden Anfang des Jahres zudem den Ausbau der Exportinfrastruktur für Flüssigerdgas (LNG) auf Eis. Es gilt derzeit ein Moratorium für neue Terminals an den US-Küsten. Ob das von Dauer ist, bezweifeln Experten allerdings.

Harris spricht kaum über die Klimakrise: Taktik oder Kurswechsel?

Aber wie wichtig nimmt Kamala Harris den Klimaschutz? Seit ihrer Kür zur Kandidatin hat sie sich zum Thema kaum geäußert. Irritiert konstatierte die Journalistin Lisa Friedman in der »New York Times« , Harris halte sich bisher dazu »bedeckt«.

Frackingturm in Pennsylvania: Fluch und Segen durch Erdgas

Foto: Jim West / IMAGO

Auch auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten  sprachen Harris und ihr Vizekandidat Tim Walz erstaunlich wenig über die grünen Erfolge von Bidens Präsidentschaft. Die Folgen der Klimakrise erwähnte Harris nur recht kurz am Rande.

Hält sich Harris beim Thema fossile Brennstoffe absichtlich zurück, um keine Wähler im wichtigen Swing State Pennsylvania zu vergraulen? Das mutmaßen Beobachter. Pennsylvania ist mit rund 13 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern der größte der sechs »Swing States«, die die Wahl entscheiden können, und Fracking-Dorado der USA.

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Mein Kollege Claus Hecking berichtete im April  über die zerstörerischen Folgen der Förderpraxis in Pennsylvania – aber auch über ihre wirtschaftliche Bedeutung. Rund 420.000 Arbeitsplätze hängen im Bundesstaat direkt oder indirekt am Frackinggas.

Klimavorkämpferin Harris?

Viele ihrer Anhänger sehen das Schweigen von Harris zur Klimakrise deswegen als Strategie. Selbst die Klimaaktivisten-Community sammelt Geld zur Unterstützung der Kandidatin. Klimagruppen kündigten diese Woche sogar eine 55 Millionen Dollar teure Werbekampagne  zur Unterstützung von Harris’ Wahlkampf an.

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Als Generalstaatsanwältin in Kalifornien verklagte Kamala Harris immerhin fossile Brennstoffkonzerne und prozessierte gegen ein Pipeline-Unternehmen wegen eines Öllecks. In Gerichtsverfahren etwa gegen Chevron und BP konnte sie hohe Vergleichszahlungen erstreiten.

Ein spektakulärer Fall war auch die Untersuchung im Fall ExxonMobil . Der Ölkonzern hat mit Desinformationskampagnen gegen Klimaschutz Stimmung gemacht, obwohl ihm die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel schon Jahrzehnte vorlagen. Allerdings hat Harris den Konzern anschließend nicht verklagt .

Während ihres Präsidentschaftswahlkampfs 2019 positionierte sich Harris links von Biden und forderte ein Fracking-Verbot , wollte CO2-Emissionen besteuern und durch neue Leitlinien den Fleischkonsum drosseln. Davon ist derzeit nichts zu hören und zumindest vom Fracking-Verbot hat Harris bereits Abstand genommen.

Als sicher gilt, dass sie im Fall einer Präsidentschaft den Kurs des »Green New Deal« weiter verfolgen wird. Experten glauben jedoch, dass dieser nicht ausreicht , damit die USA ihr Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 zu halbieren, erreichen.

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Kamala Harris: Warum spricht sie die Klimakrise bisher kaum an?

Foto: Kent Nishimura / Los Angeles Times / Getty Images

Einen schönen Sommerurlaub!

Ihre Susanne GötzeRedakteurin Wissenschaft

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