Justine Siegemund: Von der Dorfhebamme zur königlichen ...

28 Mär 2023

Doodle Justine Siegemund – Von der Dorfhebamme zur königlichen Geburtshelferin

Die Hebamme Justine Siegemund

Justine Siegemund veröffentlichte 1690 das erste deutsche Lehrbuch für Hebammen

© akg-images/ / Picture Alliance

Jessica Kröll

Mit 21 Jahren wurde Justine Siegemund vermeintlich schwanger. Wochenlang musste sie sich mit unwissenden Hebammen herumschlagen, bis klar war: Sie war gar nicht schwanger. Ihre leidvollen Erfahrungen brachten sie dazu, sich selbst diesem Beruf zu widmen. 

Es war ihre eigene vermeintliche Schwangerschaft und die damit verbundenen Qualen, die Justine Siegemund dazu veranlasste, sich dem Beruf der Hebamme zu widmen. Die Frau aus Niederschlesien, geboren am 26. Dezember 1636 in Rohnstock bei Jauer, wurde fälschlicherweise für schwanger gehalten, als sie 21 Jahre alt war. Ab da sah sie sich fortlaufend mit unwissenden Hebammen konfrontiert, die sie tagelang zur Geburt drängten, bis sich herausstellte: Sie war gar nicht schwanger.

Gewalt unter der Geburt

Um andere Frauen vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren, beschäftigte sie sich intensiv mit dem Beruf der Hebamme, las alles, was sie zu dem Thema in die Finger bekam, tauschte sich mit anderen Hebammen aus und war Zeugin vieler Geburten. Als sie 25 Jahre alt war, half sie zunächst alten Bäuerinnen im Dorf, ihre Kinder auf die Welt zu bringen. Obwohl sie über keinerlei ärztliches Wissen über Anatomie verfügte, sprachen sich ihre besonderen Fähigkeiten als Hebamme schnell herum. Auch in adeligen Kreisen.

1670 wurde sie Stadthebamme in Liegnitz. Zwei Jahre später rettete sie der damaligen Regentin im Herzogtum Liegnitz und Brieg, Luise von Anhalt-Dessau, das Leben, indem sie ihr einen Abszess an der Gebärmutter entfernte. Kein Arzt wollte zuvor diesen Eingriff vornehmen. 1683 wurde sie offiziell Stadthebamme in Liegnitz und 1701 Hebamme am Hof des preußischen Fürsten Friedrich Wilhelm in Berlin. In dieser Funktion wurde sie auch immer wieder zur Niederkunft und Wochenpflege verschiedener Fürstinnen und Prinzessinnen an meist eng mit den Hohenzollern verbundene Höfe ausgeliehen. So wurde sie auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt und bekam damit auch die Möglichkeit zum Austausch mit vielen akademisch gebildeten Ärzten.

Justine Siegemund schrieb das erste deutsche Lehrbuch für Hebammen

Allerdings zog sie mit ihrem Erfolg auch den Neid der Konkurrenz auf sich. 1680 bezichtigte sie der Liegnitzer Stadtarzt Dr. Martin Kerger gewalttätiger geburtshilflicher Praktiken. Er warf ihr unter anderem vor, Geburten aus Eigennutz zu beschleunigen und beschuldigte sie, geburtsfördernde Hausmittel zu verschreiben, was gegen die ärztliche Ordnung verstieß.

1690 veröffentlichte Siegemund schließlich das erste deutsche Lehrbuch für Hebammen mit dem Titel "Die Chur-Brandenburgische Hoff-Wehe-Mutter/ Das ist: Ein höchst-nöthiger Unterricht/ Von schweren und unrecht-stehenden Geburten". Darin schilderte sie unter anderem, wie man mit einer falschen Lage des Fötus oder der Nabelschnur umgehen konnte. Das Lehrbuch wurde später – auch lange nach ihrem Tod – mehrfach wieder aufgelegt. Justine Siegemund starb am 10. November 1705 in Berlin. Bis zu ihrem Tod brachte sie mehr als 6200 Kinder sicher zur Welt. Ihr zu Ehren widmet ihr Google am heutigen Dienstag ein Doodle.

Jonas will Hebamme werden: "Kolleginnen haben Probleme mit Männern im Beruf"

Sehen Sie im Video: Jonas Küppers ist 30 Jahre alt und studiert Hebammenwissenschaften in Bielefeld. 40 Geburten hat der junge Mann schon miterlebt. In seiner Ausbildung muss er mit Vorurteilen kämpfen, doch im Kreisaal hat seine Arbeit als Mann auch Vorteile. 

Quellen:deutsche-biographie.de, EFiD, kurz!-Geschichte

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