Joe Biden & Co: Wie und wann man besser aufhört - dhz.net

Loslassen fällt schwer – vor allem, wenn man viel investiert hat. Doch woher weiß man, wann es wirklich Zeit ist zu gehen? Freunde und Partner sind in solchen Situationen eher schlechte Ratgeber, warnt der Psychologe Adam Grant. Wozu er stattdessen rät.

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Foto Deutsche Handwerks Zeitung
Joe Bidens erlebte im TV-Duell mit seinem Herausforderer Donald Trump ein Debakel. Dies warf Fragen auf, ob der 81-Jährige geistig fit für eine weitere Amtszeit ist. - © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Gerald Herbert

Man kennt es von Konzernchefs, Matriarchinnen, womöglich von sich selbst: dass man einfach nicht loslassen oder aufhören will – weil man glaubt, dass man es nicht kann.

Der Organisationspsychologe Prof. Adam Grant erklärt in einem Beitrag für die "New York Times", welches Phänomen dem zugrunde liegt: "eskalierendes Commitment" (von engl. Commitment: Einsatz, Engagement, Zusage).

Es beschreibt die Tendenz, weiterhin Ressourcen – Zeit, Geld, Energie – in ein eigentlich "verlorenes" Unterfangen zu stecken, oft in der Hoffnung, frühere Investitionen, also was man schon "reingesteckt" hat, doch noch zu rechtfertigen. Diese Tendenz kann man in der Geschäfts- und Arbeitswelt beobachten, aber eben auch in der Politik und persönlichen Beziehungen.

Menschen nutzen ihre Intelligenz häufig, um Entscheidungen zu rationalisieren, die sie bereits getroffen haben, anstatt rational zu handeln. Das führt dazu, dass sie in Situationen bleiben, die nicht länger vorteilhaft sind, wie z.B. in unglücklichen Ehen oder beruflichen Sackgassen.

Ein "Herausforderungsnetzwerk" befragen

Aber wie kommt man aus dieser Commitment-Falle raus? Schon mal nicht, indem man tut, was wohl auch Biden tut: Sich mit dem engsten Umfeld und den Liebsten besprechen. "Das ist ein natürlicher Impuls, der aber nicht unbedingt hilfreich ist", schreibt Grant. Gerade die Menschen, die zum Beispiel einer Führungsperson am nächsten stehen, seien zu sehr persönlich an seinem Erfolg beteiligt und zu sehr geneigt, Warnzeichen zu übersehen.

Statt eines Unterstützungsnetzwerks brauche man in solchen Situationen ein "Herausforderungsnetzwerk", also unabhängige Berater, die die Lage objektiv einschätzen können und quasi das große Ganze im Blick haben.

Diese könnten erstens Flexibilität loben. Untersuchungen zeigen, so Grant, dass das die Bereitschaft erhöhen kann, schlechte Entscheidungen zu überdenken. Zweitens: zu den Vor- und Nachteilen des Festhaltens an einer Rolle befragen. "Der beste Weg, einen Sturkopf zum Nachdenken zu bringen, ist nicht zu argumentieren, sondern zuzuhören", erklärt der Psychologe. "Wenn Menschen das Gefühl haben, gehört zu werden, werden sie weniger defensiv und reflektieren mehr."

Drittens: fragen, was den Betroffenen zum Umdenken bewegen würde. Etwa so: Du hast offensichtlich gute Gründe, an etwas festzuhalten – was wären die drei wichtigsten Gründe, um auszusteigen? Oder: Was würdest du einem Freund in deiner Lage raten? Diese Übung kann man natürlich auch selbst machen.

Scheitern als Möglichkeit erkennen

Und schließlich: die Möglichkeit des Scheiterns vor Augen führen. Viele Leute fragten angesichts der Entscheidung, ob sie loslassen sollten: Was ist, wenn ich loslasse und mir wünsche, ich hätte es nicht getan? Dabei sei es ebenso wichtig, sich zu überlegen: Was ist, wenn ich weitermache, daran festhalte – und es dann bereue? Denn die Möglichkeit besteht durchaus.

Wenn man sich weigere aufzuhören, sei das "nicht immer ein heroischer Akt der Unverwüstlichkeit", schreibt Grant: "Oft ist es sture Unnachgiebigkeit."

Übrigens – es geht auch ganz unkompliziert. Unverwüstlich bleibt der Rat: "Wenn das Pferd tot ist, steig ab." dpa

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