Tsunamigefahr in Japan: Minutenlang bebt die Erde

Die ersten Videobilder, die das Fernsehen von der west­japanischen Küste am Neujahrstag zeigt, wecken schlimme Erinnerungen an die Erdbeben- und Tsunami­katastrophe von 2011. Minutenlang bebt die Erde, Häuser wackeln, einige stürzen ein, Rauchschwaden steigen auf, ganze Straßenzüge brechen auf oder sacken in die Tiefe. Menschen flüchten in Panik aus Einkaufs­zentren, in Supermärkten stürzen Flaschen und Dosen aus den Regalen.

Tim Kanning

Korrespondent für Wirtschaft und Politik in Japan mit Sitz in Tokio.

Ein Beben der Stärke 7,6 meldete die japanische Wetterbehörde am Nachmittag des Neujahrstags, das ist die höchste Stufe der japanischen Skala. Dem ersten Stoß um 16.10 Uhr (8.10 MEZ) folgten mehrere weitere schwere Erschütterungen. Das Epizentrum lag in sehr geringer Tiefe in der am Japan-Meer gelegenen Region Noto. Die Behörde gab für die ganze Westküste der japanischen Hauptinsel eine Tsunami-Warnung aus. Für die Präfektur Ishikawa sprach sie erstmals seit der Katastrophe von 2011 eine schwere Tsunami-Warnung aus. Bis zu fünf Meter hohe Wellen drohten.

Insgesamt 51.000 Menschen sollten ihre Häuser verlassen und sich von der Küste weg in höher gelegene Regionen in Sicherheit bringen. Im Fern­sehen appellierte Premierminister Fumio Kishida an die Menschen, den Anweisungen der Behörden so schnell wie möglich Folge zu leisten. „Bleiben Sie auch weiterhin äußerst vorsichtig, wenn ein schweres Erdbeben eintritt.“ Nach einigen Stunden wurde die Warnung abgeschwächt, erwartet wurden den neuen Angaben zufolge nun Wellen von bis zu einem Meter.

Menschen müssen aus Trümmern befreit werden

Japan ist eines der am stärksten von Erdbeben bedrohten Länder der Welt. Unter dem Inselstaat treffen drei tektonische Erdplatten aufeinander, was die Erde üblicherweise Hunderte Male im Jahr beben lässt. Die meisten Beben sind aber kaum zu spüren. Mit einer Stärke von mehr als 7 wie nun am Neujahrstag bebte es zuletzt im Jahr 2017 unter der nördlichen Insel Hokkaido. Das Neujahrsbeben war bis weit ins Land zu spüren, sogar in der Hauptstadt Tokio auf der anderen Inselseite wackelten Häuser.

Informationen über Verletzte oder Tote in den betroffenen Regionen blieben zunächst aber spärlich. Aus den Städten Wajima und Suzu, die unmittelbar in der Nähe des Epizen­trums liegen, meldeten die Feuerwehren am Abend, dass sie bislang von 30 eingestürzten Gebäuden wüssten. Unter einigen seien Menschen lebendig begraben und müssten nun befreit werden. In Wajima brach zudem ein Feuer in einer Fabrik aus, das auf mehrere Gebäude übergriff. Die Armee schickte Hilfstrupps in die Regionen, um die Suche nach Verschütteten zu unterstützen. Ein Regierungssprecher versicherte, man bemühe sich, mehr Informationen zu bekommen. In der Stadt Shika in der Präfektur Ishikawa ist einem Medienbericht zufolge ein Mann nach dem Einsturz eines Gebäudes für tot erklärt worden. Der japanische Sender NTV beruft sich auf Polizeiangaben.

Atomkraftwerke bisher unauffällig

Keine Abnormalitäten habe man bislang in den Atomkraftwerken in der Region festgestellt, sagte der Regierungssprecher weiter. Der Stromkonzern Horiku Electric Power meldete, dass das von ihm betriebene Atomkraftwerk Shika in der Präfektur Ishikawa derzeit wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet sei und man keine ungewöhnlichen Vorkommnisse festgestellt habe. Man untersuche das Kraftwerk aber weiter auf Schäden.

Auch der Betreiber des im Jahr 2011 havarierten Kraftwerks Fukushima Daiichi, Tepco, meldete, dass an der einige Hundert Kilometer entfernt auf der anderen Inselseite liegenden Atomruine kein weiterer Schaden entstanden sei. Die japanische Wetterbehörde wollte allerdings am Montag noch keine Entwarnungen geben. Auch in den nächsten Tagen könne die Region noch von weiteren Erd­stößen der Stärke 7 und mehr getroffen werden.

Das Neujahrsfest ist einer der höchsten Feiertage in Japan. Viele reisen zu ihren Familien, Kinder bekommen von ihren Großeltern den sogenannten Neujahrsgroschen und andere Geschenke. Doch diesmal wurde der Neujahrstag in Teilen Japans jäh unterbrochen.

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