Syrien nach dem Fall Assads: »Israel ist eine Supermacht in Nahost«

12 Tage vor
Israelische Panzer stehen am Montag an der Grenze zu Syrien Foto: Copyright (c) Flash90 2024

Die Syrer müssten verstehen, dass »die Israelis keine Monster sind, die ihnen ihr Land wegnehmen wollen«, meint Hazem Alghabra. Der in Damaskus geborene Syrer ist Gründer und Präsident von Frontiers Consultants, einem in Washington D.C. ansässigen Beratungsunternehmen, das Public Relations- und Krisenmanagementlösungen mit Schwerpunkt auf den Nahen Osten und die USA anbietet.

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Foto Jüdische Allgemeine

Er kennt sich bestens aus mit den Beziehungen zwischen dem Westen und dem Nahen Osten. Vor der Gründung seines Unternehmens hatte der Politikexperte mehrere Positionen im US-Außenministerium inne, unter anderem war er leitender Berater für öffentliche Angelegenheiten in der Abteilung für Nahostangelegenheiten.

Nach dem Zusammenbruch des Regimes von Baschar al-Assad in Syrien sei man in den USA in einer Art Wartemodus und beobachte den Anführer der islamistischen Rebellengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS), Mohammad al-Golani. »Wir sollten ihm eine Chance geben und ihn gleichzeitig genauestens im Auge behalten«, ist Alghabra überzeugt. »Bis jetzt haben wir noch keine Menschenrechtsverletzungen gesehen. Wir hoffen, dass es dabei bleibt und nichts Schlimmes geschehen wird.«

Kopfgeld von 10 Millionen Dollar auf al-Golani

Al-Golani sagte sich seit 2017 angeblich los vom globalen Terror. Er hat eine interessante Lebensgeschichte. Als Kind wuchs er in Saudi-Arabien auf, wo sein Vater als Ingenieur arbeitete. Später ging er in den Irak, um dort gegen die US-Truppen zu kämpfen, schloss sich Al-Qaida und dem Islamischen Staat an. Er wurde sogar der Gesandte des Erzterroristen und Anführers des Islamischen Staates, Abu Bakr al-Baghdadi, um die Terrororganisation in Syrien aufzubauen. »Doch dann haben sich die beiden überworfen«, weiß Alghabra. »Allerdings nicht wegen ideologischer Unstimmigkeiten, sondern wegen technischer Details.«

»Soweit wir wissen, ist al-Golani kein guter Mensch«, resümiert Alghabra. Man dürfe nicht vergessen, dass in den USA ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt ist. Die Rebellen seien durch diesen »strongman« so stark geworden. Die Frage, ob die Aufständischen das syrische Volk repräsentieren, könne er nur mit einem »jein« beantworten.

»Vielleicht ist es tatsächlich eine reformierte Gruppe. Wollen wir dann von vornherein die Möglichkeit vernichten, dass etwas Gutes für Syrien dabei herauskommen könnte? Und wenn al-Golani tatsächlich eine 180-Grad-Wende vollzieht und Extremes tut, dann werden die USA auf jeden Fall reagieren«.

»Es ist unklar, sehr verwirrend und wird Zeit dauern, alles zu verstehen. Im Moment ist Syrien wie ein riesengroßes Puzzle.«

Jetzt aber müsse man erst einmal abwarten, was geschieht. »Der Westen hat dabei auch keine anderen Optionen, denn alles in Syrien ist völlig im Fluss. Immerhin haben wir diese Gruppen in den vergangenen sieben Jahren nicht gesehen. In dieser Zeit kann viel geschehen sein.«

Er habe vor Kurzem ein Bild von einem Rebellen gesehen, der verschiedene Aufnäher an seiner Jacke hatte, einer von der Gruppe »Free Syria«, ein anderer von einer türkischen Organisation und noch einer vom Islamischen Staat. »Das steht sinnbildlich für das, was gerade geschieht. Es ist unklar, sehr verwirrend und wird Zeit dauern, alles zu verstehen. Im Moment ist Syrien wie ein riesengroßes Puzzle.«

Alghabra ist übrigens völlig überzeugt, dass Israel eine entscheidende Rolle beim Zusammenbruch des syrischen Regimes gespielt habe. »Durch die Ausschaltung der Hisbollah und der iranischen Stellvertreter blieb das Regime ohne echte Kampftruppe vor Ort zurück. Israel entwickelt sich immer mehr zu einer Supermacht im Nahen Osten.«

Gleichzeitig seien die Entwicklungen in Syrien für Israel jetzt auch eine Chance. »Es ist nicht zu übersehen, dass sich die gesamte Region verändert. Die Normalisierung mit den Vereinigten Arabischen Emiraten war fantastisch, Bahrain ebenso großartig. Ein potenzieller Frieden mit Saudi-Arabien wäre auch sehr gut. Aber der Frieden mit Syrien ist ein Endspiel. Wenn man das erreichen könnte, wäre nichts mehr wie vorher«, ist er sicher. »Das syrische Volk sehnt sich nach Veränderung.«

Lage könnte auch bedrohlich für Israel werden

Allerdings könnte sich die Lage auch als bedrohlich für Israel entpuppen. Vor wenigen Tagen wurden Hamas-Mitglieder aus den Gefängnissen um Damaskus entlassen. Und auch in den Golanhöhen gebe es Elemente, die sich nicht aus der Grenzregion zurückgezogen haben. »Deshalb hat sich die IDF sofort dort positioniert und ganz klar gezeigt, wie viel Macht Israel hat.«

Alghabra hofft, dass die Syrer verstehen, dass ein Frieden mit Israel viele Chancen biete. »Das allerdings wird seine Zeit dauern.« Doch für beide Nachbarn, meint er, könne sich aus den fundamentalen Veränderungen, die sich derzeit in seiner alten Heimat abspielen, etwas Wertvolles entwickeln.

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Syrien habe nicht viel Öl, aber eine gute Landwirtschaft. »Die Menschen sind erfahren darin, Lebensmittel zu produzieren und könnten dadurch ihre Nation wieder aufbauen.« Und er schaut bereits in die Zukunft: »Israel könnte dafür die Bewässerung liefern, bei der sie so fortschrittlich sind.« Man sollte sich der Probleme, die existieren, annehmen und dann kooperieren. »Es wäre ein großartiges Zusammenspiel.«

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