Iran gegen Israel: Angst vor neuem Nahostkrieg wächst

6 Aug 2024

Steht Irans Angriff auf Israel unmittelbar bevor? Rund um die Uhr führe man Gespräche, um einen großen Krieg zu verhindern, sagt US-Außenminister Blinken. Und: Russland liefert Iran offenbar Ausrüstung zur Flugabwehr. Der Überblick.

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Foto DER SPIEGEL

06.08.2024, 12.10 Uhr

US-Außenminister Antony Blinken: »Alle Parteien müssen von einer Eskalation absehen«

Foto: Kevin Mohatt / REUTERS

Im Nahen Osten ist die Sorge vor einem Angriff Irans und seiner Verbündeten gegen Israel groß. »Wir führen fast rund um die Uhr intensive diplomatische Gespräche mit einer ganz einfachen Botschaft: Alle Parteien müssen von einer Eskalation absehen«, sagte US-Außenminister Antony Blinken nach einem Treffen mit seiner australischen Amtskollegin Penny Wong in Washington. Der genaue Zeitpunkt des weithin erwarteten Angriffs auf Israel ist weiter unklar, er könnte jedoch unmittelbar bevorstehen.

Iran und seine Verbündeten in der Region haben angekündigt, Israel für die Tötung des Hamas-Auslandschefs Ismail Haniyyeh in Teheran und des Hisbollah-Kommandeurs Fuad Shukr in Beirut vergangene Woche zu bestrafen. Das »Wall Street Journal« zitierte Beamte der US-Regierung, die seit dem Wochenende beobachtet hätten, dass Iran Raketenwerfer bewege und militärische Übungen abhalte. Dies könne darauf hindeuten, dass sich Teheran auf einen Angriff vorbereitet.

US-Präsident Joe Biden zog sich mit seinem Sicherheitsteam ins Lagezentrum des Weißen Hauses zurück. Er und Vizepräsidentin Kamala Harris seien über die Bedrohungslage, über die Bemühungen zur Deeskalation und Vorbereitungen zur Unterstützung Israels im Angriffsfall informiert worden, ließ Biden im Anschluss auf der Plattform X wissen. Es seien zudem Maßnahmen erörtert worden, um US-Streitkräfte in der Region zu verteidigen »und auf jeden Angriff auf unser Personal auf eine Weise und an einem Ort unserer Wahl zu reagieren«.

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Biden bemüht sich um Deeskalation

Biden beriet sich zudem in einem Telefonat mit Jordaniens König Abdullah II. In dem Gespräch hätten die beiden ihre Bemühungen um eine Deeskalation der Spannungen erörtert, unter anderem durch die Vermittlung eines Abkommens über eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas. Das teilte das Weiße Haus mit.

Verhandlungen über ein solches Abkommen drehen sich seit Monaten im Kreis. Eine weitere Gesprächsrunde einer israelischen Delegation mit ägyptischen Unterhändlern endete am Wochenende in Kairo ohne Ergebnisse, wie israelische Medien berichteten.

Die Verhandlungen würden erst wieder aufgenommen, wenn Iran die Ermordung Haniyyehs vergolten und die Hamas einen Nachfolger für den getöteten Auslandschef ausgewählt habe, sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute Beamte der »Times of Israel«. Haniyyeh war einer der Hauptverhandler der Hamas bei den indirekten Gesprächen über eine Waffenruhe und Geiselfreilassung.

US-Soldaten im Irak verletzt

Bei einem Angriff auf einen Militärstützpunkt im Irak wurden mehrere US-Soldaten verletzt, wie ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte. Demnach war der von US-Truppen und Partnern genutzte Luftwaffenstützpunkt Al-Asad mutmaßlich mit einer Rakete angegriffen worden. Seit Beginn des Gazakriegs greifen mit Iran verbündete Milizen immer wieder US-Militärstützpunkte im Irak und in Syrien an.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und sein israelischer Kollege Yoav Gallant waren sich in einem gemeinsamen Gespräch einig, dass der Angriff eine »gefährliche Eskalation darstellt und die destabilisierende Rolle Irans in der Region verdeutlicht«, wie ein Sprecher des Pentagon mitteilte. Die USA verlegen dem Pentagon zufolge zusätzliche Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in die Region. Der Kommandeur der US-Truppen im Nahen Osten, General Michael Erik Kurilla, traf sich in Israel mit Generalstabschef Herzi Halevi.

Bericht: Russland liefert Iran Ausrüstung zur Flugabwehr

Russland hat einem Medienbericht zufolge mit der Lieferung von modernen Radaranlagen und Ausrüstung zur Luftraumverteidigung an Iran begonnen. Iran habe zuvor in Vorbereitung eines möglichen Kriegs mit Israel moderne Flugabwehrsysteme von Russland angefordert, berichtete die »New York Times« unter Berufung auf zwei iranische Beamte, die mit der Kriegsplanung vertraut sein sollen. Die Lieferung sei angelaufen, hieß es nach Gesprächen des Sekretärs des russischen Nationalen Sicherheitsrats, Sergej Schoigu, mit ranghohen Vertretern Irans in Teheran.

Moskau pflegt eine enge Beziehung zu Teheran, hat aber auch Kontakte zu Israel. Die russische Regierung rief alle Seiten zur Zurückhaltung auf.

Sicherheitsvorkehrungen der jordanischen Luftfahrtbehörde

Angesichts des drohenden Angriffs auf Israel sollen Maschinen mit Flugziel Jordanien für eine mögliche Routenänderung vorbereitet werden. Alle ankommenden Flieger müssten vorab mit Treibstoff für 45 zusätzliche Flugminuten betankt werden, heißt es in einem Sicherheitshinweis der zivilen Luftfahrtbehörde des Königreichs. Im Fall eines Angriffs hätten sie damit ausreichend Treibstoff, um kurzfristig die Route zu ändern und in einem benachbarten Staat zu landen.

Iran hatte Israel im April erstmals direkt angegriffen. Während der Attacke mit mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern schloss Jordanien als erstes Land der Region seinen Luftraum.

Bundeswehr bereit für Evakuierungseinsatz

Angesichts der sich zuspitzenden Lage ist die Bundeswehr bereit für einen großen Einsatz zur Evakuierung deutscher Staatsbürger. Dazu werden nach SPIEGEL-Informationen Transportflugzeuge vom Typ A400M und Soldaten bereitgehalten, die kurzfristig starten können (mehr dazu lesen Sie hier ).

Iran will derweil mit anderen islamischen Ländern über die Tötung Haniyyehs beraten. Dafür ist am Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Saudi-Arabien geplant, wo die OIC ihren Sitz hat. Bei dem Außenministertreffen in Dschidda solle es um die »Verbrechen der israelischen Besatzung« gehen, darunter die »Ermordung« Haniyyehs, teilte die OIC mit, der 57 islamische Länder angehören. Iran und die Hamas machen Israel für die Tötung Haniyyehs in der vergangenen Woche verantwortlich, Israel hat sich bisher nicht dazu geäußert.

Abbas will Russland besuchen

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas will den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau treffen. Wie Abbas der russischen Nachrichtenagentur RIA mitteilte, wolle er mit Putin über den Friedensprozess in der Region sowie die Stärkung der bilateralen und regionalen Beziehungen sprechen. »Wir stehen in ständigem Austausch mit dem russischen Präsidenten und konsultieren uns zu allen wichtigen Themen«, sagte Abbas. Der Besuch soll vom 12. bis 14. August stattfinden.

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