Welche Folgen der Tod Raisis für den Iran hat

20 Mai 2024

analyse

Nach Hubschrauberabsturz Welche Folgen der Tod Raisis für den Iran hat

Stand: 20.05.2024 08:20 Uhr

Iran - Figure 1
Foto tagesschau.de

Raisi galt als aussichtsreicher Nachfolgekandidat des gesundheitlich angeschlagenen Ajatollah Chamenei. Welche Folgen hat der Tod des Präsidenten für die innenpolitische Situation im Iran?

Es ist nicht zu erwarten, dass der Tod des iranischen Präsidenten das Land in eine neue Krise stürzen wird. Ebrahim Raisi, der wie Ajatollah Ali Chamenei aus der ostiranischen Stadt Maschad kam und (auch deshalb) dem geistlichen Führer sehr nahestand, dürfte mit allen Ehren der Islamischen Republik offiziell betrauert und zu Grabe getragen werden.

Zudem dürfte er durch die dann auszurufenden Präsidentschaftswahlen binnen 50 Tagen einen dem System angemessenen - will heißen: erzkonservativen, streng islamistischen und rigiden - Nachfolger erhalten.

Brutal und rücksichtslos

Der Großteil der iranischen Bevölkerung, der seiner Wahl zum Präsidenten vor drei Jahren ohnehin ferngeblieben war, wird dem 63-Jährigen wohl keine Träne nachweinen. Dafür klebte an seinen Händen zu viel Blut.

Denn Raisi, der zuerst Generalstaatsanwalt Teherans, später Vize-Justizchef und schließlich Generalstaatsanwalt des Irans war, galt als rücksichtslos, wenn es um die Sache der Islamische Republik ging, und war für den Tod ungezählter Regimegegner verantwortlich.

Innenpolitische Situation wackelig

Dafür, dass die Nachfolge Raisis als Präsident reibungslos ablaufen wird, dürfte sich wahrscheinlich Ajatollah Chamenei persönlich einsetzen. Der geistliche Führer weiß nur zu gut, dass die innenpolitische Situation seines Landes alles andere als stabil ist, und die Mehrheit der iranischen Bevölkerung - wenn sie es denn könnte - die Islamische Republik abschaffen würde.

Das zeigten nicht zuletzt die lang anhaltenden landesweiten Proteste infolge des Todes der Kurdin Jina Mahsa Amini seit September 2022, die das Regime mit allen Mitteln niederzuknüppeln versuchte.

Die Nachfolge des geistlichen Führers im Blick

Entscheidender als die Frage, wer neuer iranischer Präsident wird, ist jetzt die Nachfolge des geistlichen Führers. Der 85-jährige Ajatollah Chamenei gilt nämlich als gesundheitlich angeschlagen, und Ebrahim Raisi wurde als einer von zwei möglichen Nachfolgern gehandelt.

Der andere ist Chameneis Sohn Mojtaba. Er zählt wie Raisi zu den Hardlinern und ist Schüler des ultra-konservativen Ajatollah Mohammad Mesbah-Yazdi. Zudem soll er über eine gewisse Brutalität verfügen. Während Raisis Machtbasis die Justiz sowie die mächtige Imam-Reza-Stiftung war, stützt sich der 55-jährige Mojtaba auf die Geheimdienste und den Propagandaapparat.

Tritt Mojtaba Chamenei stärker in die Öffentlichkeit?

Auch wenn Mojtaba Chamenei ein starkes Machtstreben nachgesagt wird, hat er bislang eher im Hintergrund agiert. Dafür dürfte möglicherweise auch sein Vater gesorgt haben. Denn, auch wenn Ali Chamenei es vielleicht gerne sähe, wenn die Führung der Islamischen Republik in der eigenen Familie bliebe, gilt der Versuch einer Erbnachfolge von Vater zu Sohn als riskant.

Allerdings könnte es sein, dass der Name Mojtaba jetzt öfter fallen und der Sohn des geistlichen Führers sich häufiger in der Öffentlichkeit zeigen wird.

Zudem dürften die Revolutionswächter, die bei der Niederschlagung sämtlicher Proteste der vergangenen Jahre eine Schlüsselrolle innehatten, ein wichtiges Wort mitreden, wenn es um die Zukunft der Islamischen Republik geht. Die innenpolitische Situation im Iran wird also so schnell nicht zur Ruhe kommen.

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