FAQ zum Iran: Was über den Absturz bekannt ist und was nun folgt

20 Mai 2024
Iran

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Tod des iranischen Präsidenten Was über den Absturz bekannt ist

Stand: 20.05.2024 15:10 Uhr

Was genau ist mit dem Hubschrauber passiert, in dem der iranische Präsident saß? Wer war mit ihm an Bord? Und wie geht es innenpolitisch nun weiter? Antworten auf zentrale Fragen zum Tod Raisis.

Was ist mit dem Hubschrauber passiert?

Der Hubschrauber, in dem der iranische Präsident Ebrahim Raisi ums Leben kam, war Teil eines Konvois aus drei Hubschraubern. Zwei davon landeten sicher in Täbris, der Hauptstadt der iranischen Provinz Ost-Aserbaidschan, der dritte wurde am Sonntag als vermisst gemeldet.

Offizielle Vertreter des iranischen Regimes hatten sich zunächst nur verklausuliert dazu geäußert, was genau passiert sein könnte und wer an Bord war - von einer "harten Landung" war die Rede. Die staatlich kontrollierten Medien sprachen aber rasch von einem "Unfall" und auch davon, dass Präsident Raisi an Bord des betroffenen Helikopters war.

Raisi war auf dem Rückflug von einem gemeinsamen Termin mit Aserbaidschans Staatschef Ilhan Alijew. Beide hatten zuvor ein Staudammprojekt in der Grenzregion zu Aserbaidschan eingeweiht.

Wer außer Raisi war noch an Bord?

Laut offiziellen Angaben kamen bei dem Absturz insgesamt neun Menschen ums Leben, darunter drei Besatzungsmitglieder. In einigen Berichten iranischer Agenturen ist auch von acht Insassen die Rede. Neben Präsident Raisi waren zwei weitere wichtige Regierungsvertreter an Bord: Außenminister Hussein Amirabdollahian und der Gouverneur der iranischen Provinz Ost-Aserbaidschan, Malek Rahmati.

Nach Angaben der Behörden sind inzwischen alle Todesopfer identifiziert worden - trotz starker Verbrennungen. Ihre Leichen seien nach Täbris überführt worden, sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim. Der Agentur zufolge war einer der Passagiere, der Freitagsprediger aus Täbris, nach dem Absturz noch etwa eine Stunde am Leben und nahm Kontakt mit dem Präsidialamt auf, ehe er seinen Verletzungen erlag.

Wie wurde die Absturzstelle gefunden?

Die am Sonntag begonnene Suche in dem gebirgigen und bewaldeten Gebiet wurde nach offiziellen Angaben von dichtem Nebel behindert. Der Präsident der Iranischen Roter-Halbmond-Gesellschaft, Pir-Hossein Kulivand, sagte, 40 Suchteams seien trotz "herausfordernder Wetterbedingungen" im Einsatz gewesen.

Am frühen Montagmorgen veröffentlichten die türkischen Behörden dann Drohnenaufnahmen, die offenbar ein Feuer in der Wildnis zeigten, bei dem es sich "vermutlich um das Wrack eines Hubschraubers" handele. Nach den in den Aufnahmen angegebenen Koordinaten loderte das Feuer etwa 20 Kilometer südlich der aserbaidschanisch-iranischen Grenze am Rand eines steilen Berges.

Von der staatlichen Agentur Irna veröffentlichte Aufnahmen sollen die Absturzstelle in einem steilen Tal in einer grünen Bergkette zeigen. Soldaten sagten: "Da ist es, wir haben es gefunden." Kurz darauf meldete das Staatsfernsehen in einem Lauftext auf dem Bildschirm: "Es gibt keine Lebenszeichen von Menschen an Bord."

Was könnte Ursache für den Absturz gewesen sein?

Lag es am schlechten Wetter, einem technischen Defekt am Hubschrauber oder war es gar Sabotage, wie mitunter - vor allem in den Sozialen Medien - spekuliert wird? Zur Ursache des Unglücks gibt es bislang keine offiziellen Angaben des Regimes. Sie wären auch nur schwer unabhängig zu überprüfen, da es im Iran keine freie Berichterstattung gibt.

Indizien, die für Sabotage sprechen, gibt es derzeit nicht. Klar ist hingegen, dass zum Zeitpunkt des Unglücks sehr schlechte Wetterbedingungen herrschten - mit Regen, Wind und Nebel.

Irans Luftwaffe gilt zudem als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran, Ersatzteile sind schwer zu beschaffen. Viele Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den USA unterhielt. Immer wieder kommt es zu folgenschweren Unfällen und Abstürzen.

Laut iranischen Staatsmedien saß Raisi in einem in den USA hergestellten "Bell 212"-Hubschrauber, den der Iran in den frühen 2000er-Jahren erworben hat.

Welche Auswirkungen wird der Tod Raisis innenpolitisch haben?

Nach der iranischen Verfassung übernimmt im Fall des Todes des Präsidenten der Erste Vizepräsident das Amt - das ist derzeit Mohammed Mochber. Ajatollah Ali Chamenei beauftragte ihn bereits damit, gemeinsam mit der Spitze der Justiz und des Parlaments innerhalb von 50 Tagen Neuwahlen zu organisieren. Auch diese Frist ist von der Verfassung so vorgeschrieben.

Vizeaußenminister Ali Bagheri, der zuletzt eine führende Rolle als Unterhändler bei den Atomverhandlungen mit dem Westen hatte, wurde zum geschäftsführenden Außenminister ernannt. Chamenei hat öffentlich versichert, dass es infolge des Absturzes "zu keiner Unterbrechung der Operationen des Landes" kommen werde.

Präsident Raisi galt aber nicht nur als Schützling Chameneis, sondern auch als dessen potenzieller Nachfolger im Amt als Oberster geistliche Führer des Landes. Dieser Punkt gilt als innenpolitisch weitaus heikler. Als weiterer möglicher Anwärter auf den Posten an der Spitze der Islamischen Republik gilt Chameneis Sohn Mojtaba.

Wie sind die Reaktionen im Land?

Ajatollah Chamenei ordnete eine fünftägige Staatstrauer an, am Dienstag soll es Trauerzeremonien geben. Bereits kurz nach den ersten Berichten über den Absturz am Sonntag hatten sich im Iran viele Menschen versammelt, um für Raisi zu beten.

Für viele Iranerinnen und Iranern war der Präsident allerdings eine Hassfigur. Auch wenn sich die Kritik vor allem der jungen Generation inzwischen immer mehr gegen das gesamte System der Islamischen Republik richtet, stand Raisi innenpolitisch besonders unter Druck. Zuletzt trieb die Regierung ihren umstrittenen Kurs bei der Verfolgung des Kopftuchzwangs voran und brachte damit Teile der Bevölkerung noch mehr gegen sich auf. 

In seiner früheren Funktion als Staatsanwalt soll Raisi für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sein, weshalb seine Gegner ihm den Beinamen "Schlächter von Teheran" verpassten. In den sozialen Medien reagierten zahlreiche Iranerinnen und Iraner mit Schadenfreude auf die Nachricht von seinem Tod.

Die Reaktionen seien so gespalten wie die Gesellschaft im Iran, meint auch ARD-Korrespondentin Katharina Willinger. Es gebe die Anhänger der Regierung, die nun zu den staatliche organisierten Trauerfeierlichkeiten kommen würden. Aber "es gibt auch sehr viele Menschen, die diesen Tod nicht betrauern", so Willinger.

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