300. Geburtstag von Immanuel Kant - Scholz kritisiert Putins Kant ...

9 Tage vor

Immanuel Kant gehört zu den bedeutendsten Vertretern der abendländischen Philosophie. Am 300. Geburtstag des Aufklärers spricht Bundeskanzler Scholz dem russischen Präsidenten Putin das Recht ab, sich in seiner Politik auf Kant zu berufen.

22.04.2024

Christoph Markschies, der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, weist Bundeskanzler Olaf Scholz den Weg zum Rednerpult; im Hintergrund ist ein Abbild von Immanuel Kant als Projektion zu sehen.

Bundeskanzler Scholz (Mitte) stellte in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften den Kant-Zitaten von Kremlchef Putin eigene Deutungen gegenüber. (Sebastian Christoph Gollnow / dpa / Sebastian Gollnow)

Putins Angriffskrieg laufe allen grundlegenden Aussagen Kants zuwider, sagte Scholz bei einem Festakt in Berlin. Die russischen Angriffe und Verwüstungen in der Ukraine stünden für einen Vernichtungswillen, wie ihn in seiner schieren Maßlosigkeit wohl die wenigsten von uns im Europa des 21. Jahrhunderts noch für möglich gehalten hätten. Umso absurder sei es, wenn sich ausgerechnet der russische Präsident auf Kant berufe und versuche, ihn um fast jeden Preis zu vereinnahmen.

Scholz zitierte in seiner Rede mehrere Aussagen Putins. So habe dieser im Jahr 2005 noch gesagt: "Kant war ein kategorischer Gegner der Beilegung zwischenstaatlicher Streitigkeiten durch Krieg. Und wir versuchen, uns an diesen Teil seiner Lehre zu halten. (…) Ich glaube, dass die Vision, die Kant dargelegt hat, von unserer Generation verwirklicht werden sollte und kann."

Anfang 2024 habe Putin dann aber den Autor weltbekannter Werke wie der "Kritik der reinen Vernunft" umgedeutet und gesagt: "Kant ist ein fundamentaler Denker. Und sein Aufruf, den eigenen Verstand zu nutzen, ist höchst aktuell. Für Russland bedeutet das praktisch, dass wir uns von unseren nationalen Interessen leiten lassen." Dies sei absurd, weil der Philosoph sich ausdrücklich gegen die Einmischung von Staaten in die Angelegenheiten anderer Länder ausgesprochen habe.

"Wer angegriffen wird, darf sich verteidigen"

Scholz stellte dem eine eigene Deutung gegenüber. "Für Kant ist klar: Wer angegriffen wird, der darf sich verteidigen", so der Kanzler mit Verweis auf die Schrift "Zum ewigen Frieden". "Und der soll auch nicht gezwungen sein, sich auf einen Friedensvertrag einzulassen, den der Aggressor mit dem bösen Willen abschließt, den Krieg bei erster günstiger Gelegenheit wieder aufzunehmen." Ein wirklicher Friede gehe über einen bloßen Waffenstillstand und Aufschub der Feindseligkeiten immer hinaus.

Ausgerichtet wurde der Festakt von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Sie steht in der Tradition der Preußischen Akademie der Wissenschaften, der auch Kant als auswärtiges Mitglied angehörte. Der Philosoph wurde am 22. April 1724 in Königsberg (Kaliningrad) geboren, das heute als Exklave zu Russland gehört. Er starb in seiner Heimatstadt im Jahr 1804.

Diese Nachricht wurde am 22.04.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.

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