Hunter Biden begnadigt – eine Fehlentscheidung (Meinung)
Meinung Unter dieser Entscheidung werden die USA wohl noch Jahre leiden
Als Joe Biden am 24. Juli 2024 seinen Verzicht auf die demokratische Präsidentschaftskandidatur erklärte, war Hunter Biden im Oval Office zugegen. Im Hintergrund: First Lady Jill Biden
© Evan Vucci / Imago
Der US-Präsident will seinen Sohn Hunter Biden schützen, auch vor Donald Trump. Das ist menschlich nachvollziehbar, damit beschädigt er aber den amerikanischen Rechtsstaat.
Joe Biden hat das amerikanische Volk belogen. Im Juni stand der US-Präsident vor Kameras und sagte, dass er das Urteil einer Jury in Delaware gegen seinen Sohn Hunter akzeptieren werde. "Ich halte mich an die Entscheidung der Jury", sagte Biden damals. "Ich werde ihn nicht begnadigen." Etwas mehr als sechs Wochen vor seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus kommt nun die Kehrtwende. Hunter Biden erhält von seinem eigenen Vater einen Freifahrtschein.
Eigentlich sollte der Präsidentensohn Mitte Dezember seine Strafen in zwei Fällen erfahren. Er war schuldig befunden worden, illegal eine Waffe besessen zu haben. Und er hatte gestanden, Steuern in Höhe von 1,4 Millionen US-Dollar hinterzogen zu haben. Für letzteres stand eine Freiheitsstrafe von bis zu 17 Jahren im Raum, im Waffen-Fall von bis zu 25 Jahren. Beides ist nun hinfällig. Der Präsident teilte mit, er habe seinem Sohn eine "vollständige und bedingungslose Begnadigung" ausgesprochen.
Kehrtwende: Hunter Biden doch von seinem Vater begnadigtIn einer am Sonntagabend veröffentlichten Erklärung heißt es, die Strafverfolgung seines Sohnes sei politisch motiviert gewesen und ein "Justizirrtum". Kein vernünftiger Mensch, der sich die Fakten in den Fällen anschaue, "kann zu einem anderen Schluss kommen, als dass Hunter nur deshalb herausgegriffen wurde, weil er mein Sohn ist", erklärte Biden. "Ich hoffe, die Amerikaner werden verstehen, warum ein Vater und ein Präsident zu dieser Entscheidung kommt." Der Präsident hatte zuvor die Thanksgiving-Feiertage in Massachusetts verbracht, auch mit Hunter und dessen Familie.
Es ist gut möglich, dass es einen Justizirrtum gab. Eine Art Hexenjagd gegen Hunter Biden, die hat es allemal gegeben. Und die Republikaner und Trump haben wieder und wieder angekündigt, an Hunter Biden ein Exempel statuieren zu wollen. Insofern mag es menschlich nachvollziehbar sein, dass ein Präsident seinen Sohn schützen möchte. Aber Joe Biden ist eben nicht nur Vater, sondern auch amtierender Präsident. Die Demokraten haben sich stets dafür gerühmt, sie würden den Rechtsstaat, die Normen und Institutionen des Landes verteidigen. Wer auf eine funktionierende Justiz vertraut, darf sie nicht aushebeln. Schon gar nicht mit dem Begnadigungsrecht des Präsidenten.
Viele Experten halten es für möglich, dass Hunter Biden Bewährungsstrafen erhalten hätte. Und selbst wenn er ins Gefängnis geschickt worden wäre, hätte er die Urteile anfechten können. Aus dem Gefängnis heraus wäre das hart und unangenehm geworden, aber so funktioniert der Rechtsstaat nun mal.
Trump steht über dem Gesetz, ein Präsidentensohn auchAls Donald Trump in New York für schuldig befunden wurde, betonte Biden, dass niemand über dem Gesetz stehe. Mittlerweile wurde die Urteilsverkündung gegen den früheren und künftigen Präsidenten auf unbestimmte Zeit verschoben. Zwei Verfahren auf Bundesebene werden in diesen Tagen abgewickelt. Donald Trump, auch das ist das bittere Ergebnis nach der vergangenen Wahl, steht tatsächlich über dem Gesetz. Und nun kommt Joe Biden und sagt: mein Sohn ebenfalls.
Damit schadet der 82-Jährige dem amerikanischen Rechtsstaat massiv. Er stellt sein persönliches Interesse über das Wohl des Landes. Mehr als fünf Jahrzehnte hat er als Senator, Vizepräsident und Präsident den Vereinigten Staaten gedient. Dass er ewig lang an seinen Plänen zur Wiederwahl festhielt, das ist das eine. Damit hat er seiner Partei die Chance auf einen Sieg geraubt und Donald Trump den Weg zurück ins Weiße Haus geebnet. Etwas ganz anderes ist es, sein Amt für Nepotismus zu missbrauchen. Joe Biden, man muss es so hart sagen, versündigt sich in seinen letzten Tagen im und am Amt.
Und mehr noch: Der Präsident schafft einen gefährlichen Präzedenzfall. Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, er wolle diejenigen Straftäter, die im Zuge des Sturms aufs Kapitol nach dem 6. Januar 2021 verurteilt wurden, begnadigen. Noch am Sonntagabend meldete sich der gewählte Präsident via Truth Social zu Wort und fragte, ob die Begnadigung für Hunter Biden auch die "J-6 Geiseln" umfasse. Schon länger arbeitet Trump mit dem Wort "Geiseln" daran, den Rechtsstaat zu diskreditieren. Sollte er zurück im Amt ernst machen – wie sollen die Demokraten dann glaubhaft den Präsidenten kritisieren können?
Joe Biden hat eine fatale Fehlentscheidung getroffen – eine, unter der das Land womöglich noch Jahre leiden wird.