Biden begnadigt seinen Sohn – das hat in den USA gute Tradition

3 Stunden vor

Berlin. Hunter Biden geht nicht ins Gefängnis – sein Vater hat ihn begnadigt. Der US-Präsident stellt sich damit in eine geschichtsträchtige Reihe.

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Foto Berliner Morgenpost

US-Präsident Joe Biden hat auf den letzten Metern seiner Präsidentschaft seinen Sohn begnadigt. Hunter Biden war im Juni schuldig gesprochen worden, weil er beim Kauf einer Waffe über seinen Drogenkonsum gelogen und damit eine Straftat begangen hatte. In einem anderen Verfahren hatte sich Hunter Biden der Steuerhinterziehung schuldig bekannt. In beiden Prozessen hätte das Strafmaß in den kommenden Tagen verkündet werden sollen.

Das ist nun vom Tisch, sein Sohn dürfte hörbar ausgeatmet haben. Ihm drohten im Extremfall bis zu 17 Jahre Haft in dem Steuer-Prozess und bis zu 25 Jahre wegen illegalen Waffenbesitzes. Der 54-Jährige hätte damit fast den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen können.

Vater Biden, der bis zuletzt immer wieder angegeben hatte, er werde Sohn Biden nicht begnadigen, hat mit seiner Entscheidung eine Debatte über die Unabhängigkeit der US-Justiz ausgelöst. Er sieht Hunter Biden als Opfer einer politischen Kampagne. „Hunter wurde herausgepickt, nur weil er mein Sohn ist – und das ist falsch“, erklärte er.

Die Vorwürfe seien erfolgt, „nachdem mehrere meiner politischen Gegner im Kongress sie initiiert haben, um mich anzugreifen und sich meiner Wahl entgegenzustellen“. Er glaube an das Justizsystem, „aber so wie ich damit gerungen habe, glaube ich auch, dass die raue Politik diesen Prozess infiziert hat und es hat zu einem Fehlurteil geführt“.

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Seine Gegner, allen voran der designierte US-Präsident – und seinerseits rechtskräftig verurteile Straftäter – Donald Trump wüteten am Montag in den sozialen Medien über einen „Missbrauch und ein Scheitern der Justiz“. Trump verwies etwa auf die inhaftierten Aufständischen, die versucht hatten, am 6. Januar 2021 das US-Kapitol zu erstürmen und fragte: „Gilt diese Begnadigung auch für sie?“

Auch wenn man den Zusammenhang mit der Lupe suchen muss: Der Vorwurf der Scheinheiligkeit ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Selbst liberale, Biden-gewogene Medien, wunderten sich am Montag über die Entscheidung. „Der amtierende Präsident klingt sehr wie sein Nachfolger“, schreibt etwa die „New York Times“, wenn er „sich über gezielte Ermittlungen und politischen Druck beschwert und dabei die Fairness eines Justizsystems beschwert, dass Präsident Biden bislang immer verteidigt hat“.

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Foto Berliner Morgenpost

Natürlich ist Biden nicht der erste US-Präsident, der von seinem Recht auf Begnadigung gebraucht macht. Es hat, so darf man sagen, gute Tradition in den USA, dass scheidende Präsidenten, Demokraten wie Republikaner, ihre eigene Gnade walten lassen.

Bill Clinton begnadigt seinen Halbbruder

Zu denken ist da, neben Barack Obama, der die Whistleblowerin Chelsea Manning vorzeitig aus dem Gefängnis holte, etwa an Bill Clinton, der am 20. Januar 2001 seinen Halbbruder Roger Clinton begnadigt hatte. Roger hatte eine Haftstrafe abgesessen, weil er Kokain verkauft hatte. Die Begnadigung, eine von 140, die Clinton alleine an diesem Tag erließ, sorgte für eine Kontroverse, Clinton wurde Vetternwirtschaft unterstellt, ein Kommentator beschrieb ihn als „unmoralisch oder schamlos eigennützig“.

Nachdem Clinton das Weiße Haus verlassen hatte, verteidigte er seine Entscheidung in einem Beitrag in der „New York Times“ und verwies darauf, andere Präsidenten hätten ebenfalls in „extrem umstrittenen“ Fällen von diesem Recht gebraucht gemacht.

Ex-Präsident Clinton begnadigte seinen Halbbruder Roger. © Getty Images via AFP | Anna Moneymaker

Gerald Ford ersparte Nixon die Strafverfolgung

Etwa: US-Präsident Gerald Ford, der am 8. September 1974 seinen Vorgänger Richard Nixon amnestierte. Nixon, der über den Watergate-Skandal gestolpert war, hatte sich mit einem Rücktritt vor dem Amtsenthebungsverfahren gerettet; sein ehemaliger Vize-Präsident Ford war es, der dann mit seiner Begnadigung eine Strafverfolgung Nixons verhinderte – zum Wohle des gesellschaftlichen Friedens und weil er einen Schlussstrich unter Watergate ziehen wollte.

Seine Kritiker warfen Ford damals vor, er habe Nixon begnadigt, um selbst Präsident werden zu können. Die Sache landete vor dem Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses, vor dem Ford dann selbst aussagte – als erster Präsident seit Abraham Lincoln. Seine Zustimmungswerte fielen dramatisch, der Republikaner konnte sich davon nicht mehr erholen, und verlor 1976 gegen den Demokraten Jimmy Carter.

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Foto Berliner Morgenpost
Jimmy Carter zeigt Milde gegenüber Kriegsdienstverweigerern

Der wiederum setzte sich mit einem ebenfalls hochumstrittenen Gnadenerweis in die Nesseln. Carter hatte in seinem Wahlkampf versprochen, Kriegsdienstverweigerer zu begnadigen, die sich dem Einzug in die in Vietnam kämpfende US-Armee entzogen hatten. Nach der Wahl hielt Carter Wort und erließ einen Präsidentschaftserlass, der rund 200.000 Männern Amnestie gewährte. Deserteure waren ausgenommen.

Jimmy Carter: 200.000 Kriegsdienstverweigerer auf einen Schlag erhielten Amnestie. © picture alliance / World History Archive | -

Die amerikanische Öffentlichkeit reagierte empört. Veteranenverbände bezeichneten die Begnadigung als „trauriger als der Vietnam-Krieg“, Senator Barry Goldwater nannte die Entscheidung „das Würdeloseste, das je ein US-Präsident getan hat“. Kriegsgegner auf der anderen Seite waren enttäuscht, weil Fahnenflüchtige nicht unter den präsidentiellen Gnadenakt gefallen waren. Diese stammten überproportional aus der Arbeiterklasse, während die Kriegsdienstverweigerer aus der Mittelschicht kamen – und sich, anders als die Arbeiter, nach Kanada absetzen konnten.

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Nicht nur das 20. Jahrhundert kennt umstrittene Begnadigungen. Schon George Washington sorgte für hochgezogene Augenbrauen, als er 1795 zum ersten Mal in der Geschichte der USA von seinem Gnadenrecht Gebrauch machte. Washington hatte zwei Männer begnadigt, die an der Whiskey-Rebellion, einem bewaffneten Aufstand gegen eine Spirituosensteuer, teilgenommen hatten. Sie waren wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden.

Washington, der höchstselbst mit einer Armee von rund 13.000 Mann den Aufstand niedergeschlagen hatte, wollte weiteren Unzufriedenheiten in der jungen amerikanischen Nation vorbeugen – und rettete die beiden Männer vor dem Galgen.

Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Der erste Präsident der US-Geschichte begründete damit eine Tradition, der viele seiner Nachfolger im Amt folgen sollten: Aufständischen gegen US-Bundesgesetze Gnade erweisen. Das bekannteste Beispiel ist Jefferson Davis, der Präsident der Konföderierten Staaten von Amerika. Davis war für seine Rolle im Bürgerkrieg wegen Verrats angeklagt, aber nicht verurteilt worden. Weihnachten 1868 begnadigte Präsident Andrew Johnson den Konföderierten – 1978 dann stellte Jimmy Carter posthum Davis‘ Bürgerrechte wieder her.

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