Sturgeon-Nachfolger: Humza Yousaf muss es richten

Der frühere schottische Justiz- und Gesundheitsminister Humza Yousaf führt künftig die Schottische Nationalpartei (SNP), die in der Regionalregierung in Edinburgh bislang eine Koalitionsregierung mit den Grünen bilden. Yousaf wird an diesem Dienstag voraussichtlich auch das Amt des Ministerpräsidenten (Ersten Ministers) übernehmen und damit Nicola Sturgeon nachfolgen, die Partei und Regierung seit knapp neun Jahren angeführt hatte. Der grüne Koalitionspartner hatte zuvor wissen lassen, er wolle die Koalition nicht in jedem Fall verlängern. Allerdings galt Yousaf am ehesten als jener Nachfolgekandidat, der die Politik Sturgeons fortführen könnte; seine Wahl kann daher als gesichert gelten.

Der Abgang Stur­geons hat eine doppelte Krise der schottischen Nationalisten offenbart – in ihrem Selbstbewusstsein und in ihrem Selbstbild. Die Mobilisierungskraft und der selbstgewisse Auftritt der Partei litten vor allem darunter, dass zu Beginn der Urabstimmung überraschend bekannt gegeben werden musste, dass die Partei erheblich weniger Mitglieder hat, als angenommen und von der Parteiführung behauptet wurde.

Der Ehemann Sturgeons, Peter Murell, der zuvor seine Frau als eine Art Generalsekretär der SNP unterstützt hatte, gab deshalb diesen Posten auf. Er hatte zugeben müssen, dass statt der zuvor vermuteten rund 100.000 Mitglieder nur 72.000 Mitglieder an der Wahl der neuen Parteispitze mitwirken würden. Der Schaden für die schottischen Nationalisten besteht nicht nur in der viel geringeren Größe von Mitgliedsbeiträgen, sondern auch in einem Verlust von Glaubwürdigkeit und einer Beschädigung ihres Anspruchs, die größte und schlagkräftigste Partei in Schottland zu sein.

Sturgeon führte die SNP nach links

Die zweite, mindestens ebenso schwer wiegende Krise wurde durch die unterschiedlichen Positionierungen der drei Nachfolgekandidaten deutlich. Die SNP hatte sich seit dem Beginn ihres Aufschwungs vor rund 50 Jahren im Grundsatz als Partei der linken Mitte verstanden, hatte dies aber mit einem schottischen Regionalpatriotismus verbunden. Durch ihre permanente Kritik an angeblichen britischen Bevormundungen versuchte sie Anhänger aller politischen Richtungen anzusprechen.

Sturgeon nahm nach dem 2016 erfolgreichen britischen Austrittsreferendum aus der EU einen vehementen neuen Anlauf, um die Schotten, die sich 2014 mit knapp 55 Prozent gegen die Unabhängigkeit entschieden hatten, in einer neuen Volksabstimmung für ein unabhängiges Schottland stimmen zu lassen, das nach ihrer Vorstellung in die EU zurückkehren soll. Sie erreichte weder die Genehmigung der Londoner Zentralregierung für eine neue Abstimmung, noch das Einverständnis der britischen Gerichte.

Um die Zustimmung junger schottischer Wähler zu gewinnen, führte Sturgeon die SNP gesellschaftspolitisch weit nach links und etablierte etwa ein sehr weitgehendes Gesetz zur Änderung des Geschlechtseintrags. Diese Positionen blieben im innerparteilichen Wahlkampf um ihre Nachfolge nicht unumstritten. Während Yousaf, der in Edinburgh schon mehrere Ministerposten in der Regionalregierung innehatte, den sozial progressiven und schottisch-separatistischen Kurs Sturgeons verteidigte und ihn weiterzuführen versprach, breitete seine Konkurrentin Kate Forbes, bislang schottische Finanzministerin, eine andere Strategie und andere Inhalte aus.

Forbes, christlich-fundamentalistisch geprägt, lehnte die bisherigen Positionen der SNP in der Geschlechterpolitik ab und plädierte auch für einen anderen, weniger konfrontativen Ansatz in der Unabhängigkeitsfrage. Die dritte Kandidatin, Ash Regan, stellte dagegen die schottischen Unabhängigkeitsbestrebungen in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. Yousaf sagte nach seiner Wahl, er werde die Bemühungen um ein unabhängiges Schottland fortsetzen. Er erkannte an, dass Wahlkämpfe „mitunter verletzend“ sein könnten, versprach aber, die Partei wolle sich auch künftig als „eine Familie“ begreifen.

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