„Herrhausen - Herr des Geldes“ von Gabriela Sperl in der ARD

Im Propyläen-Verlag erschien 2020, zum 150. Geburtstag der Deutschen Bank, eine neunhundertseitige historische Darstellung ihrer Geschichte seit 1870. Sie trägt den Untertitel „Die globale Hausbank“. Einerseits „Global Player“, andererseits Kundengeschäft traditionellen Stils – hier ist die Auseinandersetzung um die Zukunftsstrategie zusammengefasst, für die Alfred Herrhausen als Vorstandssprecher der Deutschen Bank stand. Es ist eine durchaus kritische Betrachtung, keine Unterhaltungslektüre, kein Personenkult, kein „Mythos Alfred Herrhausen“.

Herrhausen - Figure 1
Foto FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Auch in Gabriela Sperls Einblick in die Geschichte Deutschlands und der Weltlage am Ende des Kalten Krieges werden Anflüge von Personenkult im weiten Ausgreifen der Problemzusammenhänge immer wieder gebrochen. „Herrhausen – Herr des Geldes“ ist fiktionales Fernsehen at its best. Eine kluge Darstellung, präzise in den Fakten, bewusst in den erzählerischen Mitteln. Gabriela Sperl, herausragende Produzentin zeithistorischer Stoffe, hat hier (wenn nicht alles täuscht) sogar einen Miniauftritt als Verhandlungspartnerin der Investmentbank Morgan Grenfell, als sie selbstbewusst einen Vorstandsposten bei der Deutschen Bank fordert.

Bis heute ist der Mord nicht aufgeklärt

„Herrhausen – Der Herr des Geldes“ ist absolut sehenswert, nicht nur für Leute, die schon öfters einen Blick „hinter die Kulissen“ der Deutschen Bank werfen wollten. Die wissen wollen, wer wirklich hinter dem tödlichen Bombenanschlag auf Herrhausen und seine Entourage auf dem Seedammweg von Bad Homburg steckte. Die RAF, Geheimdienste, Konkurrenten? Bis heute ist der Mord nicht aufgeklärt.

Dieses Fernsehereignis erzählt Begleitumstände, die Weltlage (Schuldenerlass für die „Dritte Welt“, Gorbatschow, Glasnost und Perestrojka, Befürchtungen der NATO-Partner, Fall der Mauer), die Politik der Bundesrepublik, die Auseinandersetzungen innerhalb der Deutschen Bank in puncto Zentralisierung und Digitalisierung sowie den Anschlag selbst.

Das Drehbuch von Thomas Wendrich, das den Stoff mit Bravour gestaltet, ist bereits mit Preisen ausgezeichnet worden. Die Regie Pia Stratmanns bleibt bei aller Komplexität stets klar, die Kamera von Florian Emmerich findet Charakteristisches für die verschiedenen Ebenen, erweitert das Verständnis über Darstellung. Das Szenenbild (Lutz Krammer), der Schnitt (Anja Siemens) und andere – jedes Gewerk wirkt hier überlegt eingesetzt.

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Foto FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Das Attentat: Herrhausen (Oliver Masucci, Mitte) mit seinem Fahrer (Tom Keune, li.) und seinem Sicherheitschef (Till Wonka, re.).ARD

„Herrhausen“ ist, anders als etwa „Rohwedder“ bei Netflix, kein Dokudrama und kein True-Crime-Elaborat. Die Folgen erzählen, bis auf ein paar Nachrichtenbilder – im Modus der faktengestützten Fiktion („Nach einer wahren Geschichte. Soweit Geschichte wahr sein kann“). Rücksicht auf Personen und Ereignisse wird ernst genommen. Traudl Herrhausen (Julia Koschitz) etwa ist hier eine liebevolle Ehefrau mit nicht besonders vielen Eigenschaften. „Schlüssellochblicke“ gibt es nicht. Die perspektivische Diskretion im Privaten fokussiert die Darstellung der übrigen Interessenlagen wirkungsvoll.

Wir sehen das Berufsporträt eines bemerkenswerten Bankers mit viel Gegenwind. Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank Alfred Herrhausen, famos gespielt von Oliver Masucci, übersetzt Machtanspruch mit Gestaltungswillen. Die Doppelspitze der Bank ist ihm ein Ärgernis. Vorstandssitzungen sind spannend wie anderswo Thriller. Dieser Herrhausen, der auch rücksichtslos und ungeduldig mit dem eigenen Körper umgeht, hat Albträume, die Bedrohungen und Untergang vorahnen lassen. Später, kurz bevor er umgebracht wird, nimmt sein Assistent Wasner (David Schütter) Maß am Vorstandssessel, trägt exakt den gleichen Anzug, die gleiche Krawatte wie der Chef.

Trailer„Herrhausen – Herr des Geldes“

Hier Dynamik in Frankfurt am Main, da Stillstand in Beirut. RAF-Terroristen diskutieren Entführungs- und Anschlagsszenarios, streiten. Herrhausens Kurs sehen praktisch alle als Gefahr. Kredite für Moskau? Die Amerikaner und die DDR sind alarmiert. Bankerkollegen schrecken vor dem Tempo der Veränderung und einem möglichen Primat des Investmentbanking zurück (die Geschichte, Stichwort Lehman Brothers, gibt ihnen später Genugtuung). CIA, Stasi, der sowjetische Geheimdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, alle mischen mit. Herrhausen selbst changiert zwischen Idealismus (Schuldenerlass), ökologischem Bewusstsein, Unduldsamkeit mit seinem Freund Helmut Kohl (den Sascha Nathan als eher bauernschlauen Taktiker mit alleinigem Interesse an Deutschland und Europa darstellt). Hilmar Kopper (Shenja Lacher) scheint Herrhausen zu unterstützen, aber auch eigene Interessen zu verfolgen.

Immer wieder geht es um die Sicherheitslage für Spitzenbanker und Spitzenpolitiker Ende der Achtzigerjahre, entwischt der Mann seinem Sicherheitspersonal. Mehr als einmal zeigt das Fernsehspiel, wie Anschläge vereitelt werden oder schiefgehen. Bis das Attentat, kurz nach dem Fall der Mauer, gelingt. Aufgeklärt wird das Verbrechen auch hier nicht, doch sinnvolle Spekulationen erlaubt sich „Herrhausen“ sehr wohl. Mehr kann man von einer solchen Produktion nicht wollen.

Herrhausen – Herr des Geldes, heute 20.15 Uhr; 3. Oktober um 21.45 Uhr im Ersten, in der -Mediathek ab heute, 10 Uhr, als vierteilige Serie

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