Reaktionen: Kühnert sieht aktuelle Staatsausgaben von ...

7 Tage vor
Haushaltssperre

Die gravierenden Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Klimafonds werden deutlicher. Das Bundesfinanzministerium hat Teile des Haushalts gesperrt. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat jedoch betont, dass der Staat trotz der Sperrung von Haushaltsmitteln aktuelle Leistungen weiter bezahlt.

Der Schritt des Bundesfinanzministeriums bedeute nicht, dass der Staat keine Ausgaben mehr tätigen dürfe, sagte Kühnert am Dienstag im ARD-»Morgenmagazin«. Der Stopp sogenannter Verpflichtungsermächtigungen besage, dass keine Zahlungsverpflichtungen für die Zukunft möglich seien. Der Staat könne aber alle seine aktuellen Leistungen bestreiten.

Auch aus dem Finanzministerium hieß es, die Sperrung von Posten im Haushalt für das laufende Jahr bedeute keine Ausgabensperre. Die für 2023 eingestellten Gelder könnten regulär fließen, hieß es am Dienstagmorgen in Ministeriumskreisen. Es handele sich lediglich um eine Sperre von Verpflichtungen für die kommenden Jahre. Diese würden vorsorglich für den Fall gestoppt, dass das Karlsruher Haushaltsurteil auch auf ältere Rücklagen in Sondervermögen anzuwenden sei.

Das Finanzministerium hatte die Verpflichtungsermächtigungen aus dem Haushalt 2023 gesperrt. Das sind Finanzzusagen für die kommenden Jahre, die etwa für mehrjährige Vorhaben genutzt werden.

Hintergrund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Umwidmung von Krediten in Höhe von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Sie waren zur Bewältigung der Coronakrise genehmigt worden, sollten nun aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Zugleich entschieden die Richter, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen. Daher könnten über den Klima- und Transformationsfonds hinaus weitere Nebenhaushalte des Bundes betroffen sein.

SPD setzt auf Führung des Kanzlers

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Matthias Miersch, hat die Entscheidung einer Haushaltssperre für alle weiteren Ausgaben durch das Finanzministerium begrüßt. »Ich glaube, es ist ein vernünftiger Schritt«, sagte Miersch im RTL/ntv »Frühstart«. Die Bundesregierung müsse nach dem Verfassungsgerichtsurteil zunächst die Situation bewerten und in Ruhe analysieren. »Und dann muss man in einem Gesamtpaket tatsächlich diese Herausforderung stemmen.«

Das werde gelingen, wenn alle Ampelpartner vernünftig miteinander arbeiteten. »Das erwarte ich jetzt auch, und der Bundeskanzler wird jetzt führen.«

Trotz Bedenken des Bundesrechnungshofes geht Miersch davon aus, dass der Bundeshaushalt 2024 wie geplant in der kommenden Woche vom Bundestag verabschiedet werden kann. Das Problem sei der Sondertopf des Klima- und Transformationsfonds. »Der Kernhaushalt ist nicht das Hauptproblem.« Man müsse allerdings die Expertenanhörung im Haushaltsausschuss abwarten und danach entscheiden, wie man verfahre.

An diesem Dienstag sollen Experten Bundestag und Bundesregierung helfen, die Folgen des Karlsruher Haushaltsurteils richtig zu interpretieren. Der Haushaltsausschuss hört dazu Sachverständige an, die von den unterschiedlichen Fraktionen benannt wurden. Vor allem soll es darum gehen, ob trotz des Urteils der Haushalt für 2024 beschlossen werden kann.

Kühnert sieht Aussetzen der Schuldenbremse als gerechtfertigt

Klar ist: Die Ampelkoalition muss Wege finden, die 60-Milliarden Euro-Lücke im Bundeshaushalt zu füllen. SPD-Generalsekretär Kühnert plädiert für ein Aussetzen der Schuldenbremse.

Mit Blick auf das Erklären einer sogenannten Haushaltsnotlage sagte er im ZDF: »Wenn die SPD alleine regieren würde, dann wäre das sicherlich etwas, was wir tun würden, und auch nicht aus Trickserei, sondern weil die Notlage objektiv gegeben ist.« Darüber werde in der Koalition gesprochen. Die Regierung kann gemäß dem Gesetz eine Notlage erklären und die Schuldenbremse aussetzen, wenn sie unverschuldet in eine Krise geraten ist.

Es gebe aber auch andere Optionen, sagte Kühnert. Das müsse man in der Koalition besprechen. Es bringe dabei nichts, wenn alle Parteien sich gegenseitig ihre Wahlprogramme vorlesen, sagte der SPD-Generalsekretär.

An der Notwendigkeit der 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft habe sich nichts geändert. Man müsse nun andere Einnahmequellen finden, um im internationalen Wettbewerb nicht zurückzufallen.

Kühnert lehnte zugleich pauschale Einsparungen ab. »Ich kann nur für die SPD sagen, einfach 60 Milliarden mit dem Rasenmäher irgendwo einzusparen im Haushalt, Sozialabbau zu machen, die Transformation unserer Gesellschaft wieder zurückzunehmen, Unternehmen nicht mehr im internationalen Wettbewerb zu unterstützen und damit Arbeitsplätze in Deutschland zu verlieren, das ist etwas, dafür ist die SPD nicht gewählt worden 2021, und dafür werden wir niemals die Hand heben im Deutschen Bundestag.«

Warnung vor Folgen für Ostdeutschland

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), warnte, das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts treffe besonders Ostdeutschland. Falls die fehlenden 60 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds nicht anderweitig aufgebracht werden, drohe der ostdeutschen Wirtschaft erheblicher Schaden, sagte Kellner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)

Von den angekündigten Investitionen in die deutsche Industrie von 80 Milliarden Euro entfielen rund 50 Milliarden auf Ostdeutschland, sagte Kellner. »Wir stehen nun vor der Riesenherausforderung, diese Investitionen sowie die damit verbundenen Jobs und den Wohlstand durch staatliche Unterstützung abzusichern.«

Kellner betonte, nach heutigem Stand seien ohne den Klima- und Transformationsfonds weder die Ansiedlung der Chipfabriken in Dresden und Magdeburg, noch der Wiederaufbau der Solarindustrie in Ostdeutschland gesichert.

Dagegen forderte der FDP-Finanz- und Haushaltsexperte Frank Schäffler den Verzicht auf die Subventionen für die Chipfabriken in Magdeburg und Dresden. »Es ist immer schon falsch gewesen, Milliardensubventionen in die Ansiedlung von Chipfabriken zu stecken«, sagte Schäffler dem RND.

Das Argument der Förderung in benachteiligten Regionen ließ Schäffler demnach nicht gelten: Die geplanten Standorte der Chipfabriken, Magdeburg und Dresden, seien keine strukturschwachen Gegenden. »Im Gegenteil: Dort besteht Arbeitskräftemangel«, sagte der FDP-Politiker. »Und der Bau der Chipfabriken würde dazu führen, dass mittelständische Unternehmen vor Ort das Nachsehen haben.«

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