Urteil gegen Hanno Berger: Lange Haft für Cum-ex-Strippenzieher

Die Strafkammer unter Vorsitz von Kathleen Mittelsdorf sieht es nach dem knapp ein Jahr dauernden Verfahren als erwiesen an, dass der angeklagte Steueranwalt in den Jahren 2006 bis 2008 an Cum-ex-Aktiendeals mitgewirkt hat, die zu unberechtigten Steuerrückerstattungen von 113 Millionen Euro geführt haben. Während dieser Zeit handelten die mitangeklagten und teils schon verurteilten Händler der Hypovereinsbank Aktien von Dax-Konzernen im Wert von 15,8 Milliarden Euro. Von den Geschäften hatte Rafael Roth, ein mittlerweile verstorbener Immobilieninvestor aus Berlin, profitiert. Als Vermittler der Geschäfte war Berger an den Gewinnen beteiligt (Az. 6 KLs – 1111 Js 18753/21).

Das Urteil lautet auf eine Haftstrafe von acht Jahren und drei Monaten. In den Schlussanträgen hatte der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wegen der schweren Steuerhinterziehung eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten gefordert. Zudem sollten Millionenbeträge aus Bergers Privatvermögen und einer Gesellschaft eingezogen werden. Bergers Pflichtverteidiger hatten dagegen einen Freispruch für ihren Mandanten gefordert: denn zum Zeitpunkt der Begehung der Taten seien die Aktiengeschäfte rechtlich zulässig gewesen.

15 Jahre Haft könnten auf Berger warten

Das Urteil des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Berger, wie schon im Fall einer früheren Verurteilung, beim Bundesgerichtshof Revision gegen die Entscheidung einlegen wird. Im Dezember 2022 war Berger vom Landgericht Bonn wegen seiner Beteiligung an anderen Cum-ex-Geschäften zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Er sei zwar nicht der Erfinder der Aktienkreisgeschäfte gewesen, hieß es in dem damaligen Urteil. Aber durch die Öffnung des lukrativen Aktienhandels für schwerreiche Investoren gilt Berger nach Auffassung der Bonner Strafkammer als Geburtshelfer von „Cum-ex 2.0“.

Diese frühere Entscheidung muss das Landgericht Wiesbaden bei der Bildung einer sogenannten Gesamtstrafe berücksichtigen. Durch den nachträglichen Beschluss könnten damit in Summe 15 Jahre Gefängnis auf den 72 Jahre alten Berger zukommen.

Mit dem Urteil von Dienstag schließt die hessische Strafjustiz vorerst eines ihrer längsten Cum-ex-Verfahren ab. Im November 2012 hatte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt Bergers mittlerweile aufgelöste Kanzlei im Bankenviertel von Frankfurt sowie die Privatwohnung des Steueranwalts im Main-Kinzig-Kreis durchsuchen lassen. Berger hatte von der Razzia erfahren und sich an seinen Wohnsitz im Schweizer Kanton Graubünden abgesetzt.

Von dort überzog der Steueranwalt den Staat und die Justiz mit harter Kritik. Er sah sich als Opfer einer Kampagne und arbeitete an einer Verteidigungsstrategie, jahrelang ließ er sich dabei auch anwaltlich von Wolfgang Kubicki (FDP) vertreten. Einem möglichen Strafverfahren in Deutschland werde er sich stellen, gab sich Berger aus seinem Schweizer Exil kämpferisch.

2017 legte die Generalstaatsanwaltschaft ihre Anklage gegen Berger sowie fünf ehemalige Mitarbeiter der Hypovereinsbank aus London und München wegen schwerer Steuerhinterziehung vor. Weil diverse Angeklagte im Ausland leben, verzögerte sich der Strafprozess am Landgericht Wiesbaden um Jahre. Es kam zu mehreren Abtrennungen, im Frühjahr 2021 begann dann das lang erwartete Verfahren – allerdings ohne Berger.

Nach einer langen juristischen Auseinandersetzung über seine Auslieferung aus der Schweiz wurde er im Februar 2022 den deutschen Strafverfolgungsbehörden übergeben. Die Justiz, die lange auf den Protagonisten vieler Cum-ex-Deals warten musste, arbeitete zügig. Von April 2022 an stand Berger wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Aktiengeschäften der Privatbank M.M. Warburg in Bonn vor Gericht, vor rund einem Jahr begann das Verfahren in Wiesbaden.

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