Haushaltskrise: Habeck und Mützenich stellen Schuldenbremse ...

9 Tage vor

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck

Foto: Martin Schutt / dpa

Es ist ein weiterer drastischer Schritt, der auf das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts folgt: Das Finanzministerium (BMF) sperrt zahlreiche Posten im Bundeshaushalt , um »weitere Vorbelastungen für künftige Haushaltsjahre« zu vermeiden, so die Begründung. Dies betreffe Etats aller Ministerien, heißt es in einem Schreiben vom Montagabend, das dem SPIEGEL vorliegt. Die Ampelkoalition muss nun sehr schnell Lösungen finden, wie es mit dem Haushalt weitergeht.

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Noch bevor die finanzpolitische Notbremse des Bundesfinanzministeriums öffentlich wurde, haben Ampel-Politiker die Schuldenbremse infrage gestellt. Die SPD bekräftigt ihre Forderungen nach einem Aussetzen der Schuldenbremse, um das Milliarden-Finanzloch zu stopfen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist zwar ebenfalls kein Verfechter der Schuldenbremse, sieht für Änderungen aber keine Mehrheiten.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hält ein Aussetzen der Schuldenbremse für notwendig - mindestens für das Jahr 2024. »Wir werden aus meiner Sicht nicht darum herumkommen, für 2024 die Ausnahmeregel zu ziehen - womöglich auch länger«, sagte Mützenich dem Magazin »Stern«. »Die Aufgaben, die vor uns stehen, sind ja nicht nächstes Jahr erledigt. Vor uns liegen gewaltige Herausforderungen, bei der Klimawende, der neuen Industriepolitik, aber auch außenpolitisch.«

In den kommenden Jahren werde Hilfe aus Deutschland mit Blick auf den Ukraine-Krieg oder den Krieg im Nahen Osten für Wiederaufbaumaßnahmen gefragt sein. »Einige Dinge, die derzeit auf der Welt passieren, führen »zu außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen«, wie es das Grundgesetz verlangt«, sagte Mützenich. Er hoffe darauf, dass die Koalition geschlossen handelt.

Mützenich warnte vor Sparmaßnahmen bei Sozialleistungen, wie sie die FDP ins Spiel gebracht hatte. »Eine Demokratie funktioniert ohne soziale Gerechtigkeit nicht«, sagte der SPD-Politiker. »Deshalb haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes auch das Sozialstaatspostulat ins Grundgesetz geschrieben. Die FDP will sicher nicht ein weiteres Mal gegen die Verfassung verstoßen.«

Habeck erwartet kein schnelles Aussetzen der Schuldenbremse

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält die Schuldenbremse in der aktuellen Form für nicht mehr zeitgemäß. »Ich persönlich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Art, wie die deutsche Schuldenbremse konstruiert ist, für zu wenig intelligent halte«, sagte Habeck am Montagabend in den ARD-"Tagesthemen«. Sie sei »sehr statisch« und unterscheide nicht zwischen Geldern, die im Laufe des Jahres ausgegeben werden, und Investitionen in die Zukunft, die sich erst nach Jahren rechnen. Das scheine ihm wenig klug, sagte der Grünen-Politiker.

Die Schuldenbremse »wurde auch gebaut in einer anderen Zeit, als wir immer billiges Gas aus Russland hatten, als China immer unsere Werkbank war oder unser Abnahmemarkt, als die Amerikaner immer verlässliche, treue Freunde waren und uns die militärische Last abgenommen haben, weil es keinen Krieg in Europa gab«, sagte Habeck. Diese Voraussetzungen hätten sich verändert.

Die Debatte um die Schuldenbremse helfe in diesem Jahr trotzdem nicht weiter, sagte Habeck. »Es gibt einen Koalitionsvertrag, der Koalitionspartner und auch die Opposition hat klar gemacht, dass sie meine Meinung und die von vielen anderen, von vielen Ökonomen nicht teilen. Insofern ist das eine für die Zukunft wahrscheinlich entscheidende, vielleicht eine ganz entscheidende Debatte. Für die Gegenwart werden wir das Geld anders finden müssen«, sagte der Wirtschaftsminister.

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gibt dem Bund nur einen geringen Spielraum zur Aufnahme von Krediten. Ausnahmen sind bei Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notsituationen zulässig, wie zuletzt wegen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine. Die Schuldenbremse gehört zu den zentralen Wahlversprechen der FDP, in Teilen von Grüne und SPD ist sie hingegen umstritten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Sie waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun stehen die Milliarden nicht zur Verfügung. Offen ist, inwiefern das Urteil darüber hinaus Folgen für den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen in Bund und Ländern haben könnte.

An diesem Dienstag sollen Experten sollen Bundestag und Bundesregierung helfen, die Folgen des Karlsruher Haushaltsurteils richtig zu interpretieren. Der Haushaltsausschuss hört dazu Sachverständige an, die von den unterschiedlichen Fraktionen benannt wurden. Vor allem soll es darum gehen, ob trotz des Urteils der Haushalt für 2024 beschlossen werden kann.

Linke fordert »Klimareichensteuer«

In der Debatte über neue Einnahmequellen hat Linksfraktionschef Dietmar Bartsch eine »Klimareichensteuer« vorgeschlagen. »Nach dem Urteil aus Karlsruhe darf es keine Sozialkürzungen geben, um das 60-Milliarden-Loch zu stopfen«, sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). Nicht die »kleinen Leute«, sondern Multimillionäre und Milliardäre sollten herangezogen werden, um Deutschland zu modernisieren. Weitere Einsparungen wären beim Sondervermögen für die Bundeswehr möglich, das die Linke ablehnt. Es solle auf den Prüfstand gestellt und relevant reduziert werden, forderte Bartsch.

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