Endlich wichtig: Gündogan erstmals treibende Turnierkraft

8 Tage vor

Bisher liefen die Turniere mit der Nationamannschaft für Ilkay Gündogan immer enttäuschend. Die Zeichen stehen gut, dass sich das diesmal für den Kapitän und Routinier ändert.

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Wusste gegen Ungarn zu überzeugen: DFB-Kapitän Ilkay Gündogan. IMAGO/Uwe Kraft

Ilkay Gündogan und die deutsche Nationalmannschaft - das schien in den vergangenen knapp 13 Jahren eine Beziehung, die nicht so recht zusammenpassen wollte. Zwar feierte der gebürtige Gelsenkirchener schon als 20-Jähriger - am 11. Oktober 2011 beim 3:1 gegen Belgien - sein Debüt in der DFB-Auswahl. Doch in der Folgezeit war der Mittelfeldspieler in der Nationalmannschaft kaum einmal so dominant wie man es aus seinen Auftritten bei Borussia Dortmund, Manchester City oder aktuell beim FC Barcelona gewohnt war.

Schon gar nicht konnte Gündogan bislang bei Turnieren glänzen. Bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine kam er keine einzige Minute zum Einsatz. Die siegreiche WM 2014 in Brasilien verpasste er wegen einer Stauchung der Wirbelsäule. Die EM 2016 in Frankreich verfolgte er mit ausgerenkter Kniescheibe vor dem Fernseher, und bei der WM 2018 in Russland ließ ihn Joachim Löw nur im zweiten Gruppenspiel gegen Schweden auflaufen.

Wie wird man Europameister, Fredi Bobic?

Die deutsche Mannschaft schwimmt weiter auf der Welle des Erfolgs. Reicht es zum ersten EM-Titel seit 1996? Fredi Bobic, damals Teil der Mannschaft, erklärt, was es für den großen Wurf reicht und warum er Deutschland noch nicht als Topfavorit sieht. Außerdem: Frische Eindrücke vom Trainingsplatz in Herzogenaurach.

vor 6 Stunden 14:15 Minuten

Als Gündogan bei der Corona-EM 2021 endlich Stammkraft im Nationalteam war, musste er wegen einer Gehirnerschütterung das Achtelfinal-Aus gegen England tatenlos mit ansehen. Und beim Katar-Fiasko 2022 war er unter Hansi Flick Teil des kollektiven Untergangs, wobei der Zusammenbruch im Auftaktspiel gegen Japan (1:2) erst nach seiner Auswechslung erfolgte.

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Zwei Scorerpunkte gegen Ungarn

Jetzt ist er treibende Kraft bei Deutschlands Turnier-Auferstehung. Beim verdienten 2:0-Sieg gegen Ungarn gelangen ihm erstmals nach fast fünf Jahren und zum erst vierten Mal in seiner Länderspiel-Karriere zwei Scorerpunkte. Den Führungstreffer durch Jamal Musiala bereitete er mit einem ebenso resoluten wie regelkonformen Zweikampfverhalten gegen Leipzigs Abwehrchef Willi Orban vor, beim 2:0 vollendete er technisch gekonnt eine flache Hereingabe von Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt. "Ilkay ist unser stiller Leader", schwärmt Antonio Rüdiger, "ich bin sehr, sehr happy für ihn, dass er ein Tor erzielt und eines vorbereitet hat."

Die Wahl zum Man of the Match war die logische Konsequenz mit der Folge, dass sich Gündogan im PK-Raum des Stuttgarter Stadions den internationalen Medien zu stellen hatte. "Ich spüre vor allem das Vertrauen vom Trainerteam, von meinen Mitspielern und vom ganzen Staff. Ich fühle mich extrem wohl in dieser Mannschaft", begründete Gündogan seine Leistungsexplosion im Nationaltrikot: "Das ist ein sehr gutes Vorzeichen, um auch auf dem Platz frei aufzuspielen, was in den letzten Monaten und Jahren nicht immer leicht war."

Nagelsmann stärkte Gündogan den Rücken

Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte ihn gleich beim Amtsantritt vor neun Monaten gestärkt, indem er ihn als Kapitän bestätigte und ihn fortan in jedem seiner bislang zehn Länderspiele von Beginn an einsetzte. "Ich freue mich immer über positive Worte von Julian und hoffe, dass das so weitergeht", sagte Gündogan am Mittwochabend, nachdem Nagelsmann kurz zuvor mit dem Worten an die Öffentlichkeit getreten war: "Wir alle im Land sollten ihm ein bisschen mehr vertrauen und ihn pushen. Ich weiß, was in ihm steckt und ich bin sehr sicher, dass es so weitergeht."

Seit März und der Rückholaktion von Toni Kroos hat Gündogan eine neue Position im Team, ist nicht mehr der Lenker auf der Doppelsechs, sondern soll der Impulsgeber auf der Zehn sein. Zunächst, in den März-Partien gegen Frankreich und die Niederlande, aber auch in den letzten EM-Tests gegen die Ukraine und Griechenland trat Gündogan in dieser Rolle noch nicht markant in Erscheinung.

Der Routinier wirkte ob des Saison-Marathons mit Barcelona vielmehr überspielt. Rechtszeitig zum Turnierstart kehrten Frische und Zuversicht zurück. "Es ist eine Position, die ich kenne und auf der ich weiß, was ich machen muss, um mein Spiel und das meiner Kollegen zu verbessern", sagte Gündogan mit Verweis auf seine Rolle in Barcelona

Wenn wir uns nur eine Millisekunde anschauen, wissen wir, was der andere denkt und vorhat.

Ilkay Gündogan über das Zusammenspiel mit Toni Kroos

Vor allem klappt das Zusammenspiel zwischen Gündogan und Kroos immer besser. "Ich glaube, dass wir es geschafft haben, eine gewisse Balance in die Mannschaft zu bringen und uns gut ergänzen", sagte Gündogan. Bei der EM vor drei Jahren hatte Löw die beiden Routiniers Seite an Seite auf der Doppelsechs platziert, was aber nicht zu einem spielerischen Gleichgewicht, sondern zu fünf Gegentoren in drei Gruppenspielen führte.

"Nebeneinander würden wir vielleicht das gleiche machen oder denken. Jetzt, wo wir versetzt spielen, können wir uns noch besser ergänzen", sagte Gündogan und schwärmt vom blinden Verständnis mit dem Titelsammler von Real Madrid: "Wenn wir uns nur eine Millisekunde anschauen, wissen wir, was der andere denkt und vorhat in der nächsten Aktion. Solch eine Verbindung ist auf dem Platz unfassbar wichtig."

Ende der Länderspiel-Laufbahn nach der Heim-EM?

Kroos hat bereits entschieden und verkündet, dass mit der Heim-EM seine Karriere endet. Das steht für Gündogan, der in Barcelona noch einen Vertrag bis zum Ende der kommenden Saison hat, zwar nicht zur Diskussion. Wohl aber überlegt der 33-Jährige, nach der Heim-EM seine Länderspiel-Laufbahn zu beenden.

Diese Gedanken hatte er bereits nach dem Katar-Debakel, doch da lockte die Aussicht auf ein Turnier in heimischen Gefilden. Und wer weiß, vielleicht kommt Gündogan nach einer erfolgreichen EM nochmal richtig auf den Geschmack. Wie sagte er doch am Mittwochabend nach seinem 79. Länderspiel in Stuttgart: "Es macht riesigen Spaß, in dieser Mannschaft zu spielen."

Oliver Hartmann

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