FTI-Insolvenz: Wer profitiert von der Reiseanbieter-Pleite?

4 Jun 2024
FTI

Für Urlauber ist die FTI-Pleite eine Katastrophe, doch in der Branche wird aufgeatmet. Die Konkurrenz will das Vertrauen der Kunden wiederherstellen und gleichzeitig mit bisherigen FTI-Kunden das eigene Geschäft beleben.

Knapp vier Jahre nach der Pleite von Thomas Cook ist wieder ein Branchenriese insolvent. Mit der FTI Group meldete am Montagvormittag der drittgrößte Reiseanbieter Europas Insolvenz beim Amtsgericht in München an. Das sei „ein schwerer Schlag für die Tourismusbranche“, warnte etwa Anke Budde, Präsidentin des Reisebüroverbands ASR. Das Konkursverfahren weckt Erinnerungen an das Aus von Thomas Cook, das im Herbst 2019 für große Probleme in der Branche gesorgt hatte.

Statt Sommer, Sonne, Strand und Meer heißt es für viele Urlauber jetzt umbuchen oder hoffen, dass der Urlaub – anders als erwartet – doch stattfinden kann. Wer aber davon profitiert: die anderen Reiseanbieter – allen voran Tui und DER Touristik. Parallel zu 2019 sind zwar vorhanden, doch die Branche blickt entspannt auf die FTI-Pleite.

Denn klar ist: Nach der Coronapandemie boomt das Geschäft der Reisebranche. „Die gute Nachricht ist, es wird weitergereist“, sagt Torsten Kirstges, Tourismusforscher von der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven. Er geht derzeit nicht davon aus, dass die Urlauberinnen und Urlauber nun die Lust auf ihre Reise verlieren. Einen Dämpfer werde das Reisevolumen durch die Pleite nicht erfahren.

„Auf die Insolvenz von Thomas Cook folgte die Coronapandemie und das daraus resultierende Reiseverbot. Als dann die Nachfrage anzog, fand eine Umverteilung im Markt statt. Die Kunden von Thomas Cook suchten nach anderen Anbietern“, erinnert sich Kirstges. Ähnliches erwartet er auch jetzt nach der FTI-Insolvenz. In den vergangenen Jahren wuchs die Nachfrage nach Urlauben an. „Für FTI kam das nur zu spät“, resümiert der Tourismusforscher.

Bereits in diesem Sommer könnte die erste Umverteilung stattfinden. Mit einer Erholung des Münchener Konzerns rechnet der Tourismusforscher nicht: „Dafür ist zu viel Erde verbrannt.“ Die Kundinnen und Kunden, aber auch Kooperationspartner hätten bereits das Vertrauen in FTI verloren.

Die größeren Reiseunternehmen geben sich erstaunlich gelassen. „Natürlich ist jede Pleite eine kleine Katastrophe für die Kunden, doch unterm Strich ist es für die Branche fast eine gute Nachricht“, sagt ein führender Manager eines Reiseunternehmens. Durch die Insolvenz schrumpfe die Konkurrenz und Anbieter würden entlastet.

Alle stehen unter wachsendem Druck durch die von Internetanbietern wie Booking.com oder Expedia, die ihre niedrigeren Kosten in Form günstigerer Preise weitergeben. „Ein Wettbewerber weniger hilft allen“, heißt es in der Branche, „vor allem, wenn es einer ist, der eher knapp kalkuliert hat.“ Doch aus der neuen Insolvenz sollten die Lehren ziehen. So sei es laut Uwe Richter, Studiengangskoordinator Tourismusmanagement an der Hochschule Harz, wichtig, dass Reiseveranstaltern neben der Absicherung der Kundinnen und Kunden auch wirtschaftlich agieren. „Was bei den geringen Margen und gleichzeitig starkem Wettbewerb nicht leicht ist. Natürlich müssen hier nicht nur einzelne Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse kritisch hinterfragt werden, sondern auch grundsätzlich der Aspekt, ob so viele Reiseveranstalter in Deutschland ökonomisch sinnvoll sind“, erläutert er.

Tui, DER Touristik oder Alltours können nun die Chance nutzen und neue Kundinnen und Kunden für sich gewinnen. So bietet beispielsweise Konkurrent Tui Kunden, die in den kommenden Wochen mit FTI verreisen wollten, einen vergleichbaren Ersatz an. FTI-Kunden sollen den gutlaufenden Geschäften einen weiteren Schwung verleihen. „Auch wenn wir schon vielversprechend in den Sommer gestartet sind, werden wir in den nächsten Tagen noch einmal zusätzliche attraktive Angebote mit den Hoteliers in den Zielgebieten zusammenstellen“, erzählt Tui-Deutschland-Chef Stefan Baumert gegenüber der dpa.

„Es ist wichtig, dass die anderen Anbieter jetzt dafür sorgen, das Vertrauen wiederherzustellen“, betont der Tui-Sprecher. Anders als noch 2019 stehen die Chancen dafür gut. Denn auf der einen Seite erhalten die Menschen, die eine Pauschalreise gebucht haben, sehr wahrscheinlich ihr gesamtes Geld aus dem Deutschen Tourismusfonds (DRSF) zurück. Anders als die Urlauberinnen und Urlauber, die eine Individualreise gebucht haben. Sie müssen einen Antrag an den Insolvenzverwalter stellen und werden dann aus dem Insolvenztopf ausgezahlt – wenn noch Geld vorhanden ist. „Ich denke nicht, dass die Pleite große Auswirkungen auf den Ruf der Branche haben wird. Wenn die Abwicklung durch den DRSF gut gelingt, wovon ich ausgehe, kann dies sogar einen positiven Effekt haben, da Kundinnen und Kunden sehen wie abgesichert sie bei der Buchung einer Pauschalreise über den Reiseveranstalter sind“, vermutet Richter.

Tui, Alltours und Co. hätten anders gehaushaltet. Zwar erhielten alle Unternehmen aus der Branche während der Coronapandemie Unterstützungszahlungen vom Staat. Aber: „Die meisten Unternehmen haben die Schulden bereits komplett oder zu großen Teilen zurückgezahlt“, erläutert Kirstges. Tui schaffte das beispielsweise durch eine Kapitalerhöhung. Dennoch warnt Richter: „Bei mehr als 2000 Reiseveranstaltern in Deutschland können auch in Zukunft keine Insolvenzen ausgeschlossen werden beziehungsweise wird es sicherlich zu Konsolidierungsprozessen kommen.“

Erleichterung bei den Airlines

Die größte Erleichterung spüren jedoch die Airlines. Anders als vor Corona sind fast alle an ihrer Leistungsgrenze. Alle haben im Vertrauen auf den Urlaubsboom deutlich größer geplant als 2023. Doch nun bekommen sie bis zu einem Zehntel weniger Maschinen als geplant von den Herstellern.

Boeing darf wegen seiner Qualitätsprobleme weniger Jets ausliefern als versprochen. Bei Airbus müssen hunderte Maschinen wegen Fehlern in den Triebwerken ungeplant in die Werkstatt.

Branchenriesen stehen zukünftig vor neuen Herausforderungen

Insgesamt nehmen jedoch langfristig die Risiken für alle Unternehmen in der Branche zu. Emissionsrechtehandel, Extremwetter sowie höhere Besteuerungen stellen vor allem Anbieter für Fern- und Flugreisen vor neue Herausforderungen. Matthias Firgo, Professor für Tourismusökonomie an der Hochschule München warnt: „In der Branche ist künftig vieles in Umbruch, das die Nachfrage nach diesen Reisen künftig dämpfen könnte.“ Stattdessen gehe der Trend hin zur Individualreise. „Dort sind die großen Anbieter nur sehr eingeschränkt präsent“, erklärt Firgo. Die Profiteure davon sind kleine, spezialisierte Anbieter.

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