Frankreich: Der Golf von Morbihan in der Bretagne macht ...

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Bretagne

Wo Frankreich Skandinavien Konkurrenz macht

Von Deike Uhtenwoldt

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Stand: 15:21 UhrLesedauer: 6 Minuten

Bei Flut ist die Furt zur Insel Berder überspült und nicht passierbarQuelle: Andia/Universal Images Group via Getty Images

42 Inseln und eine nur schmale Öffnung zum Atlantik: Der Golf von Morbihan ist der Schärengarten Frankreichs. So heißt er nicht offiziell, aber verlassene Orte und Meeresfrüchte findet man ebenso wie im hohen Norden. Der Tourismus macht aber manchen auch hier schon Sorgen.

28 Jahre musste der berühmteste Schiffbrüchige der Literaturgeschichte auf einer Insel ausharren. Schneidet die Flut Berder im Golf von Morbihan vom Festland ab, kommen zwar nur sechs Stunden Robinson-Crusoe-Gefühle auf. So lange müsste man aber schon mindestens warten, bis das Wasser die Furt, die zur Gemeinde Larmor-Baden auf dem Festland führt, wieder freigibt.

Und so richtig Lust scheint an diesem verhangenen Tag niemand zu haben, auch nur stundenweise auf Berder festzusitzen. Denn die Warnung der Gastgeber, sich ja nicht zu verspäten, zeigt Wirkung: Je später es wird und je mehr man am anderen Inselende aus Nadelgehölz, Wasser und Landzungen um Orientierung ringt, desto eiliger hat man es mit der Inselumrundung.

Doch wie weit ist es noch bis zur Furt? Weit kann das nicht sein, denn nur knapp drei Kilometer lang ist der Küstenrundweg auf Berder. Doch wenn das Wasser da ist, ist das Wasser da.

Berder liegt im Golfe du Morbihan in der Südbretagne und bietet schöne Ausblicke auf weitere Inseln. 42 Eilande wurden gezählt, die größten, die eigene Gemeinden sind, heißen Île-aux-Moines und Île d’Arz. Die Inselwelt ist so etwas wie Frankreichs Schärengarten.

Pläne für ein Luxushotel auf der Insel gescheitert

„Mor bihan“ bedeutet in der bretonischen Sprache kleines Meer. Zum großen, dem Atlantischen Ozean, gibt es nur eine schmale Öffnung. Genau mit diesem Nadelöhr hat es zu tun, dass der Gezeitensog bei der Insel Berder zu den stärksten der Welt zählt.

Bei Flut sieht man dort, wo eben noch die Furt war, einen reißenden Strom. Ein Kutscher, der meinte, die geflutete Straße noch queren zu können, soll diesen Versuch vor vielen Jahrzehnten mit seinem Gefährt und dem Leben der Pferde bezahlt haben.

Noch bei Ebbe sind wir auf dem Rundweg unterwegs. Er führt vorbei an einem verlassenen Herrensitz, einer verschlossenen Kapelle, zu einem Schiffswrack. „Utopia“ hat jemand mit weißer Farbe darauf geschrieben. Doch der Kahn oder das, was davon übrig geblieben ist, ist nicht mehr zu retten.

Auch die historischen Gebäude der Insel verfallen. Mélanie Chouan bedauert das. Die Naturführerin bringt Schulklassen wie Touristen die Tier- und Pflanzenwelt sowie das kulturelle Erbe am Golf nahe.

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Und da hat die kleine Île de Berder zuletzt große Schlagzeilen gemacht: „Sie wurde von einer großen Immobiliengesellschaft gekauft, die ein Luxushotel errichten wollte“, sagt Chouan. Das habe viele Proteste nach sich gezogen, und das Projekt wurde aufgegeben. Doch irgendetwas müsse passieren, findet die Naturführerin.

Tourismus als Gefahr für den Golf von Morbihan

So verlassen und morbide die Insel in Privatbesitz an diesem durchwachsenen Tag wirkt: Auch im Golf von Morbihan machen sich die Menschen ihre Gedanken über den in vielen Teilen der Welt ausufernden Tourismus. Auch in der Region ist man auf das Geld der Gäste angewiesen, auf die Einnahmen einer Wachstumsbranche. In den vergangenen Jahren ist die Dichte an Ferienhäusern rund um das Binnenmeer hoch geworden.

Wenn in den Sommermonaten alle auf einmal kommen, Campingplätze, Strände und das kleine Meer mit Ausflugsbooten, Yachten oder Kajaks verstopften, dann gefährde das den Naturpark durch Abfälle und Abwässer, sagt etwa Nathalie Bougio: „Der Massentourismus stört uns.“

Die Austernzüchterin befürchtet den Ausverkauf ihrer Heimat, der Halbinsel Rhuys. Die Landzunge im Süden zwischen Golf und Atlantik, die zum Regionalen Naturpark Golfe du Morbihan zählt, sei in der Corona-Pandemie zum Fluchtort für Städter geworden, die Zahl der Zweitwohnsitze gestiegen. Trotz der Aussicht auf neue Kunden, die das mit sich bringt, bereitet der Zustrom an Menschen der Unternehmerin Sorgen.

Zusammen mit ihrer Tochter Marine führt Nathalie in Sarzeau direkt am Wasser die Austernfarm „Aux filles des marées“, was man mit „An die Töchter der Gezeiten“ übersetzen könnte – und Programm ist.

Schließlich lebt der kleine Familienbetrieb seit vier Generationen von den Schalentieren, die wiederum auf die Nährstoffdichte des Salzwassers und die Gezeiten angewiesen sind. „Wir sind abhängig von der Natur“, sagt Nathalie. Mit der letzten Flut ist ihr Team in Anglerhosen und Ölzeug zu den Austern herausgefahren, hat die Drahtsäcke gewendet und gerüttelt. Rechtzeitig vor dem angekündigten Sturm.

Sonnenbrillen aus den Schalen von Austern

Wie man sich vorausschauend und behutsam an der Küste bewegt, können die Gäste von den Austernfischerinnen lernen. Dem Beruf, aber auch den Entwicklungsstadien einer Auster und dem Ökosystem am Golf ist wiederum das jüngst eröffnete Zentrum Ostréapolis gewidmet. Es liegt in Le Tour-du-Parc auf der anderen Küstenseite der Rhuys-Halbinsel nah am Atlantik.

Für das Zentrum wurden Austernschalen recycelt: „Unser Bodenbelag besteht daraus – und die Sonnenbrillen, die wir hier verkaufen, auch“, sagt Managerin Amélie Guerard. Für den Mittag erwartet sie eine Schulklasse zum Kochkurs: Den Kindern sollen die lokalen Spezialitäten und Besonderheiten der Küche des Morbihan nähergebracht werden, auch jenseits von Austern, die für die Jüngeren oft keine Delikatesse sind.

Aber Probieren geht bekanntlich über Studieren: Eine Auster schmeckt nach Meer, als Beilagen eignen sich Algen und Queller (Seespargel), dessen Wuchsort auch Mélanie Chouan auf Berder ihren Gästen zeigt.

Gleich neben Berder liegt die nächste Insel. Nach der kurzen Überfahrt von Larmor-Baden auf das Eiland Gavrinis werden wir in eine dunkle Kammer geschickt. Das Licht der Taschenlampe fällt auf mächtige Granitplatten, die über und über verziert sind mit konzentrischen Halbkreisen, Wellen, Fischgrätenmustern.

Kunst aus der Jungsteinzeit

„Willkommen im Cairn de Gavrinis, einer 6000 Jahre alten Grabanlage“, sagt der Guide, der zum Schutz dies Monuments bei jedem Besuch dabei ist. An Vorgeschichte Interessierte finden in der Gegend des Golfes aber auch Dolmen und andere archaische Spuren der Menschheitsgeschichte.

Mit welchen Werkzeugen die Platten von Gavrinis in der Jungsteinzeit so reichhaltig verziert wurden und wer damit geehrt wurde, kann heute nicht sicher nicht beantwortet werden.

„Man geht mit mehr Fragen heim, als man gekommen ist“, gibt der Guide zu, als die kleine Besuchergruppe wieder die Rückfahrt zum Hafen antritt. Es geht vorbei an Stromschnellen, Katamaranen und der menschenleeren Insel Berder: Es ist Flut im Golfe du Morbihan – und wer nun noch auf Berder ist, dem geht es tatsächlich für ein paar Stunden wie Robinson.

Tipps und Informationen:

Reiseziel: Der Golf von Morbihan liegt in der Südbretagne zwischen Vannes und Auray im Westen Frankreichs. Von Paris sind es knapp 500 Kilometer hierher. Der regionale Naturpark umfasst etwa 75.000 Hektar und erstreckt sich bis nördlich von Vannes.

Anreise: mit dem Zug (Deutsche Bahn; SNCF) über Paris bis Vannes. Mit dem Auto ist man zum Beispiel ab Köln etwa neun bis zehn Stunden bis Vannes unterwegs, ab Berlin mindestens 15 oder ab München 13 Stunden und mehr.

Auskunft: morbihan.com; golfedumorbihan.bzh

dpa

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