Reaktionen von Österreichs Parteien am Tag nach dem FPÖ-Wahlsieg

2 Tage vor
Nach dem FPÖ-Wahlsieg Bis jetzt bewegt sich noch niemand

Stand: 30.09.2024 20:36 Uhr

FPÖ Österreich - Figure 1
Foto tagesschau.de

Am Tag nach dem Wahlsieg der rechten FPÖ melden sich Österreichs Parteien überwiegend nicht zu Wort. Eine Zusammenarbeit mit FPÖ-Chef Kickl hatten alle bereits ausgeschlossen. Kickl sitzt allerdings fest im Sattel.

Nur die österreichischen Sozialdemokraten wollten schon am Tag danach diskutieren. Ganz offiziell, in den SPÖ-Parteigremien, Präsidium und Vorstand, um den künftigen Kurs der Partei abzustecken. Nach dem Erdrutschsieg der rechten FPÖ gibt es zumindest theoretisch die Möglichkeit, Teil einer Anti-Kickl-Koalition zu werden. Alle anderen atmen erst mal tief durch.

Das betrifft die ÖVP, die ihr Wahlziel, stärkste Partei zu werden, klar verfehlt hat - an der aber bei einer Regierungsbildung in Österreich keiner vorbeikommt: nicht die drei Prozentpunkte stärkere FPÖ, aber auch nicht die Parteien, die sich als "Brandmauer" gegen die FPÖ verstehen. Das sind SPÖ, die liberalen Neos und die in fünf Regierungsjahren mit der ÖVP aufgerauten Grünen. Sie beraten erst am Tag zwei nach der Wahl.

Keine Personaldiskussion in der FPÖ abzusehen

Pause nach einem aufreibenden Wahlkampf? Oder Bedenkzeit, weil es nach diesem historischen Wahltag - zum ersten Mal ist die rechte FPÖ stärkste Kraft im Nationalrat - besonders viel zu besprechen gibt? Oder erlauben sich diese Parteien die Atempause, weil es bei ihnen gerade mal noch keine Diskussion um die Parteiführung gibt, anders als bei den Sozialdemokraten?

Die Parteiführung des Wahlsiegers FPÖ trifft sich sogar erst am Tag drei nach der Wahl. Traditionell gönnt sich die FPÖ sonst nur einen "blauen Montag" nach Wahlsonntagen - "blau", weil es auch die Parteifarbe ist. Strategisch bewusst: Tag drei, weil man dann schon mal zuschauen konnte, wie es in den anderen Parteien gärt, insbesondere in der ÖVP.

Deren Vorsitzender schließt nach wie vor eine Zusammenarbeit mit Herbert Kickl aus, nicht aber eine Koalition mit der FPÖ ohne Kickl. Löst das jetzt eine Personaldiskussion in der FPÖ aus? Davon ist nichts zu hören und nichts zu sehen, FPÖ-Frontmann Kickl hat die Rechtspopulisten in den letzten Jahren straff hinter sich versammelt.

Sondierungen dürften lang und mühsam werden

Das wird die Sondierungen, "wer mit wem kann" - so formulierte es Bundespräsident Alexander Van der Bellen - zu einer längeren, mühsamen Angelegenheit machen. Bis jetzt bewegt sich noch niemand. Die Rede ist nur von konstruktiv "ausgestreckten Händen", die der SPÖ in Richtung einer Anti-Kickl-Koalition: die ginge mit der ÖVP, ganz knapp, mit einer Stimme Mehrheit im Parlament.

Die ginge auch, mit einer komfortableren Mehrheit, in einer Dreierkonstellation: zusätzlich mit den liberalen Neos oder - theoretisch - mit den Grünen. Für die aber, nach fünf Jahren Regierung, erst mal keine Koalition mehr gemeinsam mit der ÖVP denkbar ist.

Van der Bellen mahnt Grundpfeiler an

Auch FPÖ-Chef Kickl streckte die Hand aus, schon am Wahlabend, symbolisch - und mit dem Wissen, dass niemand zugreifen wird. Will er seinen Anspruch durchsetzen, Österreich zu regieren, braucht er zuerst eine Mehrheit im Parlament. Die könnte ihm nur die ÖVP liefern, die, nachdem sie weiter nach rechts gerückt ist, inzwischen größere Schnittmengen mit der FPÖ hat. Für die ÖVP steht aber weiter die Person Kickl im Weg.

Sollte sich das ändern, gibt es allerdings immer noch den Bundespräsidenten Van der Bellen. Der erinnerte an ein paar Grundpfeiler der "liberalen Demokratie", die jemand unbedingt respektieren muss, der die Unterschrift des Präsidenten unter die Ernennungsurkunde als Bundeskanzler haben will. Beispiel: Minderheitenrechte, unabhängige Medien, Österreichs EU-Mitgliedschaft. Wer sich an die Wahlkampfreden Kickls erinnert, weiß, dass der Kandidat Kickl da abweichende Meinungen hat.

Landtagswahl in der Steiermark, Protest in Wien

Bleibt die Frage, was der Wahltag mit der Demokratie in Österreich macht. Die Mehrheit der Wähler erwartet, dass der Chef der stärksten Partei den Regierungsbildungsauftrag bekommt. Das wäre, mit 29 Prozent Stimmanteil, Herbert Kickl. SPÖ-Chef Andreas Babler, dem Lager der Wahlverlierer zuzurechnen, erklärt Demokratie etwas anders: 71 Prozent hätten gegen Kickl gewählt. Denen könne man gut nahebringen, wenn die Kickl-FPÖ keinen Regierungsauftrag bekomme.

Der FPÖ-Vorsitzende hat Zeit. Er kann zuhören, wie die anderen Parteien die vom ihm gesetzten Themen diskutieren, "sehr ernst nehmen", wie ÖVP-Chef Karl Nehammer sagt - das Thema Migration zum Beispiel, für das der Scharfmacher Kickl die Lösung "Festung Österreich" anbietet. Er hat Zeit, auch die nächsten Landtagswahlen abzuwarten: die Ende November in der Steiermark zum Beispiel. Auch dort hat die FPÖ mächtig zugelegt. Das erhöht den Druck.

Die Kickl-Gegner aus dem Kulturbetrieb und der Zivilgesellschaft bereiten sich auch vor. Es soll wieder Donnerstagsdemos geben - eine der ersten hatte vor 25 Jahren 150.000 Menschen auf dem Wiener Heldenplatz versammelt, gegen die erste FPÖ-Regierungsbeteiligung damals. Und Volkstheater-Intendant Kay Voges will sein Haus in "Deutsches Volkstheater" umbenennen: Protest gegen die FPÖ.

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