Formel 1 in Las Vegas: Max Verstappen wird zum vierten Mal ...

3 Stunden vor

Max Verstappen hatte sich zwischendurch so einen komfortablen Vorsprung herausgefahren, dass er sich überhaupt keine Sorgen machen musste bei diesem drittletzten Saisonrennen der Formel 1 in Las Vegas. So viele Autos hatte er zwischen sich und seinen ärgsten Titelkonkurrenten Lando Norris gebracht, dass keine Gefahr mehr von diesem ausging. Bis die Schlussphase dieses Grand Prix mit diversen Manövern die Reihenfolge so durcheinanderbrachte, dass Verstappen wieder direkt vor Norris landete. Aus seiner Aussicht auf das Podium mit Champagner-Dusche war während der letzten Runden noch Platz fünf geworden, Norris kreiste auf Platz sechs. Doch der Abstand zwischen dem Red Bull und dem McLaren war groß genug – und das Minimalziel hatte der 27-jährige Niederländer ja trotzdem erfüllt: Er war vor Norris ins Ziel gekommen. Und damit zum vierten Mal in Serie Weltmeister.

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Foto Süddeutsche Zeitung

„Oh mein Gott, viermal“, sagte Verstappen hörbar emotional im Funk. „Was für eine Saison! Wenn wir über dieses Jahr nachdenken, was wir durchgemacht haben... Danke Leute, danke an alle!“ Er hat nun wie der Deutsche Sebastian Vettel von 2010 bis 2013 – ebenfalls mit Red Bull – und der Franzose Alain Prost vier Titel geholt. Verstappen ist aufgestiegen zu einem der sechs besten Fahrer in der Geschichte seines Sports. Mehr Erfolge haben bisher nur der Argentinier Juan Manuel Fangio mit fünf sowie mit jeweils sieben Titeln der Deutsche Michael Schumacher und der Brite Lewis Hamilton gesammelt, der in Las Vegas mit Mercedes einen Doppelerfolg feierte: Sein Teamkollege George Russell holte vor Hamilton den Sieg, Dritter wurde Carlos Sainz jr. im Ferrari.

:Max Verstappen zeigt, dass er den WM-Titel verdient

Und natürlich wurde Verstappen, nachdem er aus seinem Wagen gestiegen und den Helm abgesetzt hatte, die obligatorische Frage gestellt: Hätte er das jemals für möglich gehalten? „Ich hätte das definitiv nicht gedacht. Als ich angefangen habe, war ich froh, dabei zu sein“, antwortete er. „Jetzt hier zu stehen als viermaliger Weltmeister ist einfach unglaublich.“ Einmal mehr hat er bewiesen, dass er zu den talentiertesten und willensstärksten Piloten zählt, die die Formel 1 hervorgebracht hat.

Verstappen hat 403 Punkte gesammelt, Norris steht bei 340 Zählern. Er hätte mindestens drei Punkte aufholen müssen, um seine Chance zu wahren. Doch nun ist Verstappen in den abschließenden Rennen in Katar (1. Dezember) und Abu Dhabi (8. Dezember) nicht mehr einzuholen. „Ihm zu gratulieren tut nicht weh, aber zu wissen, dass die WM vorbei ist ... man hat immer etwas Hoffnung“, sagte Norris. „Wir haben ihm manchmal das Leben schwer gemacht, aber über die ganze Saison ist er super gefahren.“  Zu Beginn des Rennjahres hatte Red Bull dominiert, dann jedoch große Probleme gehabt, McLaren war in diese Lücke gestoßen und zum ernsthaften Titelkandidaten aufgestiegen. Hinzu kamen interne Machtkämpfe und ein Skandal um Teamchef Christian Horner. Die Erleichterung bei Verstappen war nach dieser durchwachsenen Saison umso größer. „Es war auch als Mensch herausfordernd, du musst ruhig bleiben“, sagte Verstappen. „Diese Saison habe ich nochmals viele Lektionen gelernt. Ich bin stolz, wie wir damit als Team umgegangen sind.“

Beim Start muss Verstappen sich noch gedulden, das erste Manöver gelingt nicht ihm

Schon beim vorherigen Rennen hatte Verstappen auf eindrucksvolle Weise sein Können gezeigt. Nach zehn sieglosen Grand Prix reüssierte er in Brasilien von Startplatz 17 zu einem Triumph, der Norris demoralisiert haben dürfte und vorentscheidend sein sollte. Nun war die Herausforderung diesbezüglich nicht ganz so groß: Verstappen begann den Großen Preis von Las Vegas von Platz fünf, Norris von Position sechs. Um seinen vierten Titel zu gewinnen, musste er vor dem McLaren ins Ziel kommen, der mit den niedrigen Temperaturen zu kämpfen hatte. Und man konnte vermuten, dass Verstappen nichts gegen einen Bonus nach den 50 Runden einzuwenden hätte: wenn schon vorzeitig Champion, dann gerne mit einem Podiumsplatz zur Krönung.

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Die beste Aussicht genoss jedoch erst einmal George Russell. Mercedes war mit den Bedingungen am besten zurechtgekommen, hatte vom ersten Training an alle Sessions dominiert. Ferrari gelang das am zweitbesten: Carlos Sainz jr. startete von Rang zwei, Charles Leclerc als Vierter, dazwischen hatte sich unerwartet Pierre Gasly im Alpine-Renault geschoben. Beim Start musste Verstappen sich noch gedulden, das erste Manöver gelang nicht ihm, sondern Leclerc, der früh an Gasly und Sainz vorbeikam und Russell belauerte. In der vierten Runde war Gasly erneut fällig, Verstappen nutzte eine der drei langen Geraden entlang der glitzernden Casinos und rauschte an dem Franzosen vorbei. Norris hingegen hing hinten fest und dürfte geahnt haben, dass dies wohl kein erfreulicher Arbeitstag für ihn werden würde.

Mercedes-Fahrer George Russell war in Las Vegas nicht zu schlagen. (Foto: Frederic J. Brown/AFP)

Leclerc hatte Probleme. Erst überholte ihn Teamkollege Sainz, dann Verstappen, der sich damit nicht zufriedengab und in der zehnten Runde auch noch den Spanier einsackte. Der Angriffsmodus war längst ausgelöst. Während er sich zum ersten Verfolger von Russell machte, hatten Leclerc und Norris zum Wechsel auf die harte Gummimischung in der Box gestoppt, Sainz folgte ihnen. Damit fuhr Verstappen im Mercedes-Sandwich von Russell und Lewis Hamilton, der sich von Platz zehn nach vorn arbeitete. Zwischenzeitlicher Vierter war der Deutsche Nico Hülkenberg, der letztlich als Achter ins Ziel kam und Punkte holte. Russell lag in der elften Runde acht Sekunden vor Verstappen, Zeit für frische Pneus, auch er ließ sich die harte Mischung anmontieren. Ein Wagen nach dem anderen folgte.

„Er hat das Auto nach Hause gebracht in wirklich großem Stil“, sagt Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko

Dem Rennen winkte eine Unterbrechung, als Gasly nach 16 Runden panisch Motorprobleme meldete, er habe keine Power mehr. Die gelbe Flagge aber wurde nicht geschwenkt, das Safety Car rückte nicht aus, weil Gasly rechtzeitig in die Boxengasse abbog. Und so konnte Hamilton in Ruhe an Norris vorbei. Statt den McLaren näher an Verstappen zu manövrieren, war Norris nun Siebter. Ihm in diesem WM-Kampf noch etwas entgegenzusetzen, wirkte aussichtslos. Verstappen musste seinen Titelkonkurrenten nicht fürchten, er konnte sich voll auf sein eigenes Rennen konzentrieren. Zur Sicherheit holte er sich in der 30. Runde erneut frische Reifen, auch Hamilton erhielt neues Material – und profitierte davon. Im Duell der beiden früheren erbitterten Rivalen fuhr er ohne Schwierigkeiten an Verstappen vorbei. Der leistete in diesem Moment gar nicht erst Widerstand gegen ein Auto, das seinem an diesem Wochenende eindeutig überlegen war.

Weil Leclerc in die Box fuhr, lagen nun Russell und Hamilton vorn, mit einem Sieg von Verstappen würde es nichts werden, das war klar, zu gut waren die Mercedes. Aus dem Funk erging die Erinnerung an Verstappen, das Tagesziel im Blick zu behalten und kein Risiko einzugehen. Aber Verstappen besänftigte, er war weit davon entfernt, diese Chance unbedacht zu vergeigen. „Er hat das Auto nach Hause gebracht in wirklich großem Stil“, sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko.

Noch hatte Verstappen sogar die Aussicht auf eine Champagner-Dusche: Mit komfortablem Vorsprung lag er auf Podiumskurs. Aber die beiden Ferrari kamen näher. Vorn hatte Russell soviel Vorsprung, dass er bedenkenlos ebenfalls seine Reifen wechseln lassen konnte, auch danach kreiste er elf Sekunden vor Hamilton, der sich jedoch anschickte, die Führung zu übernehmen. Der siebenmalige Weltmeister hatte zwar Reifen, die fünf Runden älter waren als die von Russell, doch er minimierte den Abstand mit einer schnellsten Runde nach der anderen. Verstappen sah derweil die Ferraris im Rückspiegel näher und näher kommen. Als Sainz ihn neun Runden vor Schluss überholte, ließ er ihn gewähren, bald darauf setzte auch Leclerc zum Manöver an und konnte vorbei. Verstappen war das egal, sein Vorsprung auf Norris betrug mehr als 20 Sekunden: „Die da vorn waren zu schnell, aber heute ist das okay.“ Und so feierte, auch wenn es nicht mehr fürs Podium reichte, der alte und neue Champion in dieser Samstagnacht von Las Vegas die größte Party.

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