Fleischsteuer: Warum Cem Özdemirs Tierwohl-Cent keine gute Idee ...

8 Feb 2024

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Fleischsteuer - Figure 1
Foto agrarheute.com

© imago images / Steinach Fleisch mit einem Stempel „Fleischsteuer“: Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat einen Vorschlag für einen Tierwohl-Cent gemacht.

Simon Michel-Berger, agrarheute

am Donnerstag, 08.02.2024 - 05:30

Das Bundeslandwirtschaftsministerium überlegt, eine Tierwohlabgabe einzuführen. Schade, denn es gäbe bessere Mittel, um den Nutztierhaltern zu helfen, als eine Fleischsteuer. Ein Kommentar.

Dieser Tage kursiert ein Papier des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) bei den Regierungsfraktionen. Dessen Inhalt: Ein Konzept, wie eine Tierwohlabgabe zur Finanzierung eines Umbaus der heimischen Nutztierhaltung,  ein „Tierwohl-Cent“, aussehen könnte. Dem BMEL schwebt eine neue Fleischsteuer vor, die ähnlich wie die Kaffeesteuer national auf jedes Kilo verkauftes Fleisch, Fleischerzeugnisse und vom Menschen verzehrbare Schlachtnebenprodukte erhoben werden soll.

Warum kann das BMEL nicht über eine Fleischsteuer entscheiden?

Der Vorschlag wirft zahlreiche Fragen auf. Die wichtigste ist: Wird daraus ein Gesetzesentwurf des Bundesfinanzministeriums (BMF)? Das BMEL kann nämlich so viel vorschlagen wie es will, ohne BMF kein Gesetzentwurf und kein Tierwohl-Cent. Finanzminister Christian Lindern hat eigentlich versprochen, keine neuen Steuern einzuführen – auch wenn er bei der Abschaffung der Agrardieselrückvergütung, die für die Landwirte nichts anderes als eine Steuererhöhung ist, bekanntermaßen beide Augen zudrückt.

Fleischsteuer - Figure 2
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Was die Fleischsteuer mit der PKW-Maut gemeinsam hätte

Kommt eine Fleischsteuer, wird sie wahrscheinlich noch vor der Einführung wie die PKW-Maut enden. Die Steuer soll nämlich auch auf importierte EU-Ware erhoben werden, die Tierwohl-Förderung soll aber nur deutschen Landwirten zugutekommen. Das ist unter EU-Recht verboten, denn Fleischerzeuger etwa in Holland würden dann für die Modernisierung der deutschen Tierhaltung mitbezahlen. Eine Fleischsteuer, die das Staatssäckel füllt, wäre hingegen europarechtlich ok.

Wie sich Cem Özdemirs Vorschlag von dem Borchert-Kommission unterscheidet
© Sven Stolzenwald Ein Kommentar von agrarheute-Chefredakteur Simon Michel-Berger.

Auch das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die sogenannte Borchert-Kommission, hat eine Tierwohlabgabe vorgeschlagen, die wahrscheinlich in Form einer Verbrauchssteuer kommen müsse. Die Borchert-Kommission hat jedoch auch rechtssichere Verträge mit den Nutztierhalterinnen und Nutztierhaltern über einen Zeitraum von 20 Jahren gefordert. Eine Verbrauchssteuer per se kommt aber noch nicht bei den Landwirten an, sondern fließt zunächst in den allgemeinen Haushalt. Das bedeutet: mehr Tierwohl nur nach Haushaltslage und keine Verlässlichkeit. Indirekt erkennt das Papier aus dem BMEL dieses Problem sogar an: Das Vorhaben solle laut dem Text nämlich innerhalb von höchstens fünf Jahren evaluiert werden. Wer einen neuen Stall finanziert, für den sind fünf Jahre zu wenig.

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Fleisch wird teurer - und dann?

Selbst wenn die Fleischsteuer käme, würde sie in erster Linie Fleisch teurer machen. Bei kaum einem Lebensmittel hängt der Verbrauch aber so sehr am Preis, wie bei Fleisch. Eine Fleischsteuer führt deshalb dazu, dass weniger Fleisch verkauft wird. In gleichem Maße, wie die deutschen Tierhalter mehr Hilfen von der Politik bekämen, würden sie weniger am Markt verdienen. Ein schönes Rezept, um eine international durchaus wettbewerbsfähige Branche in die Abhängigkeit vom Staat zu treiben. Hier hatte die Zukunftskommission Landwirtschaft einen wichtigen Gedanken, der im Borchert-Konzept fehlt: Es braucht auch einen sozialen Ausgleich für diejenigen, die sich die teureren Lebensmittel nicht leisten können. Das aktuelle BMEL-Papier hört aber bei der Fleischsteuer auf.

Viele weitere Probleme mit einer Fleischsteuer

Die Liste der Probleme mit der Fleischsteuer ist länger. Sie reicht von der zusätzlichen Bürokratie, welche die Erhebung und Verwaltung der Steuer bedeutet – Gruß an dieser Stelle an Finanzminister Lindner, der kürzlich den Bürokratieabbau für sich entdeckt hat – bis zur Frage, wie vermieden werden soll, dass eine Fleischsteuer den Verzehr von günstigerem Fleisch mit niedrigem Tierwohl fördert und von teurerem Fleisch mit mehr Tierwohl bremst. Doch genug von Problemen. Was wäre eine bessere Lösung?

Ein Lösungsansatz für die Nutztierhaltung

Statt planwirtschaftliche Pseudo-Lösungen mit Versatzstücken von der Website der Zollverwaltung zusammenzubasteln, könnte man im BMEL überlegen, wie man die Initiative Tierwohl (ITW) stärker unterstützt. Hier haben wir ein international einmaliges System, das alle Marktpartner zusammenbringt und echte Verbesserungen beim Tierwohl finanziert. Ganze ohne Staatshilfen hat die ITW seit ihrer Gründung über eine Milliarde Euro ausbezahlt. Noch mehr wäre drin, wenn die Politik nur mehr auf die Wirtschaft zugehen würde.

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