Zinswende mit Wumms: Warum die Fed den großen Schritt gewagt hat

11 Stunden vor

Fed-Chef Jerome Powell: Die US-Notenbank hat die Zinswende mit einem großen Zinsschritt eingeleitet. Die Konjunkturrisiken scheinen für die Fed derzeit schwerer zu wiegen als die Inflationsgefahr

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Die US-Notenbank Fed hat das erste Mal seit mehr als vier Jahren den Leitzins verringert und steuert auf zwei weitere Zinssenkungen in diesem Jahr zu. Die Währungshüter senkten den Leitzins am Mittwochabend unerwartet deutlich um 0,5 Prozentpunkte auf eine Spanne von nun 5 bis 4,75 Prozent. In diesem Jahr soll es laut Ausblick der Fed zwei weitere kleinere Zinssenkungen geben, für 2025 sind aktuell vier Zinsschritte vorgesehen.

Das Vorgehen der Federal Reserve deutet darauf hin, dass sie den Druck auf die Wirtschaft mindern möchte und gleichzeitig zuversichtlich ist, im Kampf gegen die hohen Verbraucherpreise einen nachhaltigen Erfolg erzielt zu haben. Der Inflationsdruck in den USA hatte zuletzt nachgelassen, was die Fed zu einem großen Zinsschritt ermutigt hat.

Die jüngsten Wirtschaftsprognosen der Notenbank zeichnen ein optimistisches Bild der Inflationsrate. Inmitten des US-Wahlkampfs beschäftigt die Fed-Entscheidung aber auch die Politik – beim republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump hält sich die Begeisterung über die Zinssenkung in Grenzen.

Fed schaut auf den Arbeitsmarkt

Für Unternehmen und Verbraucher in den USA dürfte die deutliche Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte eine Erleichterung darstellen. Denn Kredite werden günstiger, weswegen Firmen eher investieren und Bürgerinnen und Bürger weniger für Schulden ausgeben müssen.

Der Leitzins liegt nun in einer Spanne von 4,75 bis 5,00 Prozent. Bisher ist der Fed zwar der Drahtseilakt gelungen, die Inflation mit ihrer Hochzinspolitik in den Griff zu bekommen, ohne die Wirtschaft zu sehr auszubremsen. Doch jüngste Daten deuten darauf hin, dass der Arbeitsmarkt zu schwächeln beginnt.

„Wir versuchen, eine Situation zu erreichen, in der wir die Preisstabilität wiederherstellen können, ohne dass es zu einem schmerzhaften Anstieg der Arbeitslosigkeit kommt“, betonte Fed-Chef Jerome Powell. Er machte jedoch deutlich, dass derzeit nichts auf eine gestiegene Rezessionsgefahr hindeute.

Dennoch scheint sich die Fed mit ihrem jüngsten Zinsentscheid nun vor allem auf die konjunkturellen Risiken zu konzentrieren.

Mehr Zinssenkungen als bisher erwartet

Denn der Kurswechsel der Notenbank der weltgrößten Volkswirtschaft ist durchaus beachtlich. Noch im Juni rechnete die Fed im Mittel mit einem Leitzins von 5,1 Prozent in diesem Jahr. Dieser Wert wurde in der neuen Prognose auf 4,4 Prozent nach unten korrigiert. Das deutet auf einen weiteren großen Schritt um 0,5 Prozentpunkte oder zwei kleine Senkungen um je 0,25 Prozentpunkte hin.

„Die US-Notenbanker gehen bei der wohlvorbereiteten Zinswende direkt in die Vollen. Die fortschreitende Abkühlung am Arbeitsmarkt, die inzwischen mindestens so stark gewichtet wird wie die noch immer erhöhte Inflation, dürfte hierfür den Ausschlag gegeben haben“, meint Elmar Völker, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg. „Die Implikationen der heutigen Entscheidung für die Größe künftiger Zinssenkungen, welche nahezu sicher folgen werden, dürfte indes begrenzt sein.“

Powell: Mission noch nicht erfüllt

Auch Fed-Chef Powell entgegnete auf die Frage, ob die Fed nun die hohe Inflation für besiegt erklären könne: „Nein, das tun wir nicht. (...) Wir sagen nicht „Mission erfüllt“ oder so etwas.“

Die Prognose der Fed für die Teuerungsrate ist aber durchaus optimistisch: Sie soll im kommenden Jahr bei durchschnittlich 2,1 Prozent (Juni: 2,3 Prozent) liegen. Die US-Notenbank strebt auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von 2 Prozent an.

Prognosen der Fed optimistisch

Recht hoffnungsvoll geben sich die Notenbanker auch bei der Kerninflation – sie berücksichtigt Lebensmittel- und Energiepreise nicht und gibt den allgemeinen Preistrend nach Meinung von Fachleuten besser wieder als die Gesamtrate. Hier rechnet die Fed im kommenden Jahr mit durchschnittlich 2,2 Prozent (Juni: 2,3 Prozent).

„Die Notenbank wird die Inflation genau im Auge behalten, die zuletzt aufgrund der Energiepreisentwicklung deutlich gesunken ist, im großen Dienstleistungssektor der US-Wirtschaft aber keinesfalls auf dem Zielniveau der Notenbank liegt“, urteilt Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust.

Für die Fed ist der Kampf gegen die hohen Verbraucherpreise ein Balanceakt. Bei zu hohen Zinsen besteht die Gefahr einer Rezession. Werden die Zinsen zu früh gesenkt, könnte die Inflationsrate wieder ansteigen. Im Sommer 2022 lag sie bei mehr als 9 Prozent.

Trump ist nicht begeistert

Kurz vor der Präsidentenwahl am 5. November spielt die Zinspolitik der Fed auch im Wahlkampf eine Rolle. Donald Trump, der nach der Präsidentenwahl im November wieder ins Weiße Haus einziehen will, warf der Fed in der Vergangenheit vor, mit Zinssenkungen vor der Wahl die Stimmung zugunsten der aktuellen Regierung des demokratischen Präsidenten Joe Biden verbessern zu wollen. Auf den Zinsentscheid reagierte der Republikaner nun mit den Worten: "Ich denke, es zeigt, dass die Wirtschaft sehr schlecht ist, wenn man (die Zinsen) so deutlich senkt – vorausgesetzt, sie spielen nicht nur Politik.“

US-Präsident Biden hingegen feierte die Entscheidung der Notenbank und bewertete die Lage erwartungsgemäß völlig anders: «Wir haben gerade einen wichtigen Moment erreicht: Die Inflation und die Zinssätze sinken, während die Wirtschaft stark bleibt.» Die hohe Inflation hatte Bidens Präsidentschaft überschattet - und die wirtschaftliche Lage ist für die Menschen im Land das Topthema bei der anstehenden Wahl. Für die Demokraten geht US-Vizepräsidentin Kamala Harris ins Rennen. Sie nannte die Fed-Entscheidung „eine willkommene Nachricht für die Amerikaner, die die Hauptlast der hohen Preise zu tragen haben.“

Auswirkungen auf Zinsentscheid der EZB

Michael Heise, der Chefökonom von HQ Trust, hält durch die Entscheidung der Fed auch weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) für wahrscheinlicher. „Der größere Zinssenkungsschritt der Fed wird wohl keine Vorlage für einen großen Schritt der EZB sein, da das Zinsniveau hierzulande schon viel niedriger ist und die Inflationsbekämpfung noch nicht abgeschlossen ist. Er macht es aber wahrscheinlicher, dass noch zwei kleine Zinssenkungsschritte der EZB bis Jahresende zu erwarten sind. Einlagezinsen und Kreditzinsen für deutsche Verbraucher werden daher weiter zurückgehen.“

Carlos de Sousa, Portfoliomanager von Vontobel meint: „Da die Zentralbanken der meisten Industrieländer nun die Zinsen senken, dürften sich die globalen Finanzierungsbedingungen in den nächsten Monaten weiter entspannen. Dies wird mehreren Zentralbanken aus Schwellenländern Spielraum geben, die bereits vor der Fed begonnenen Lockerungszyklen wieder aufzunehmen oder fortzusetzen. Niedrigere risikofreie Zinssätze in den Industrieländern werden auch die externen Kreditkosten für die Emittenten in den Schwellenländern senken, wodurch sich die Refinanzierungsrisiken verringern und die Tragfähigkeit der Schulden verbessert. Der Lockerungszyklus wird Vermögensverwaltern Anreize bieten, ihr Risiko in den Schwellenländern zu erhöhen, da die Attraktivität von Geldmarktinstrumenten und Kernsätzen in den Industrieländern allmählich sinken wird.“

Dow und Nasdaq geben Gewinne wieder ab

Damit ist der Weg für einen Zinssenkungspfad in den kommenden Monaten frei. An der Börse löste die Fed mit ihrer Zinssenkung zunächst Kursgewinne aus. An der New Yorker Wall Street legten Dow Jones und Nasdaq jeweils zu. Bis zum Handelsschluss in New York gaben die Indizes ihre Gewinne jedoch komplett wieder ab: Die Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte birgt auch Risiken. Der US-Leitindex Dow Jones hatte zudem in Erwartung der Zinswende in den USA bereits am Montag ein Rekordhoch markiert.

Powell: Wir dienen keinem Politiker

Angesprochen auf Trump betonte Fed-Chef Powell, dass Länder mit unabhängigen Zentralbanken wie die USA oftmals eine niedrige Inflationsrate aufweisen würden. Trump hatte während seiner Zeit im Weißen Haus immer wieder öffentlich Druck auf die Fed ausgeübt.

Powell betonte: „Wir dienen keinem Politiker, keiner politischen Figur, keinem Anliegen, keiner Sache, gar nichts. Es geht nur um maximale Beschäftigung und Preisstabilität im Namen aller Amerikaner.“

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