Finanzmärkte: US-Notenbank bremst Zinszuversicht

Hatten die Anleger vor einer Woche die Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) noch als „taubenhaft“ eingeordnet, ist die Zinspause der US-Notenbank Fed am Donnerstag an den Finanzmärkten als „falkenhaft“ aufgenommen worden.

Geldpolitische Tauben befürworten einen lockeren Kurs mit tendenziell niedrigeren Zinsen, während die Falken dem Kampf gegen die Inflation Vorrang geben und für einen straffen Kurs stehen. Bei der EZB-Entscheidung hatte sich am Markt der Eindruck durchgesetzt, dass die Zinsen ihren Gipfel erreicht haben dürften.

Wasser in den Wein der Zinsoptimisten schüttete am Donnerstag Bundesbankpräsident Joachim Nagel, der sich in der Frage nach dem Zinsgipfel nicht festlegen will. „Noch immer ist die Inflationsrate zu hoch. Und noch immer zeigen die Prognosen nur einen langsamen Rückgang hin zum Zielwert von zwei Prozent“, sagte er.

Noch Luft nach oben

Keine Zinsentspannung signalisierte auch die Fed, die am Mittwochabend den US-Leitzins unverändert in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent beließ. Die Notenbank zeigte sich bezüglich der Konjunktur und einer „weichen Landung“ zuversichtlicher, was höhere Zinsen rechtfertigen könnte. So machte Fed-Chef Jerome Powell nach dem Beschluss klar, dass noch Luft nach oben ist. Zudem dürften etwaige Zinssenkungen 2024 deutlich geringer ausfallen als bislang avisiert.

Die Reaktion am Anleihemarkt fiel am Donnerstag eindeutig an: Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe stieg auf über 4,4 Prozent und damit auf das höchste Niveau seit mehr als 16 Jahren. Steigende Renditen sind bei Zinspapieren mit Kursverlusten verbunden. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe erhöhte sich auf mehr als 2,75 Prozent und näherte sich dem Jahreshoch.

Unter Druck geriet der Euro, der zur amerikanischen Währung bis auf 1,0615 Dollar und damit auf das niedrigste Niveau seit sechs Monaten sank. An den Aktienmärkten gaben die Kurse ebenfalls nach: Der Dax büßte 1,1 Prozent auf 15.601 Punkte ein.

Für VP-Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel sehen die Prognosen der Fed für dieses Jahr eine weitere Anhebung vor. Außerdem könnten die Zinsen im kommenden Jahr höher bleiben als erwartet. „Wer auf einen klaren Kurswechsel gesetzt hat, lag falsch“, sagte Gitzel.

Fed erwartet weiche Landung

Nach Ansicht von Christian Scherrmann, US-Volkswirt der DWS, der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, gab sich die Fed auf ihrer jüngsten Sitzung falkenhaft. Die aktualisierten Wirtschaftsprognosen suggerierten, dass die US-Zentralbanker noch immer an eine weiche Landung glaubten.

Mit dem robusteren Wachstum und dem geringeren Anstieg der Arbeitslosenquote erkennt Scherrmann ein relativ optimistisches Bild der Wirtschaft, welches, wenn man die Prognosen für bare Münze nimmt, für ihn die Frage aufwirft, warum die Fed auf dieser Sitzung nicht an den Zinsen gedreht hat.

Skepsis zu Fed-Prognosen

Tiffany Wilding, Volkswirtin des auf Anleihen spezialisierten Vermögensverwalters Pimco, geht davon aus, dass die Fed die straffe Geldpolitik über einen längeren Zeitraum beibehalten wird und dass sich die Wirtschaftstätigkeit im Laufe der Zeit verlangsamt. Die wirtschaftlichen Widerstände dürften sich nach Ansicht der Ökonomin von der Allianz-Tochtergesellschaft im Laufe der Zeit noch weiter verstärken, da immer mehr Schulden zu den neuen höheren Zinssätzen verlängert und umgeschuldet werden.

Skeptisch beurteilt Andreas Busch, Volkswirt der Fondsgesellschaft Bantleon, die Konjunkturzuversicht der Fed. Vielmehr gibt es für ihn gute Gründe dafür, dass die stärkste geldpolitische Straffung seit vier Jahrzehnten zeitverzögert die Konsum- und Investitionsnachfrage deutlich bremst und schließlich zu einer Rezession führen werde. „Die Fed dürfte demzufolge – entgegen ihrer aktuellen Ankündigung – darauf zügig mit umfangreichen Zinssenkungen reagieren“, erwartet Busch.

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