Die Lage am Morgen: Es fehlt der FDP an Einsicht und Reife
Sie machen es immer schlimmer. Erst versuchte FDP-Chef Christian Lindner nach dem Bruch der Ampelkoalition, die Schuld daran Bundeskanzler Olaf Scholz zuzuschieben (»kalkulierter Bruch«). Als dann Recherchen veröffentlicht wurden, die FDP habe unter dem Begriff »D-Day« das Ende der Koalition gezielt geplant, stritt Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ab, dass der Begriff gefallen sei.
FDP-Chef Lindner: Zeigte auf die anderen
Foto: Odd Andersen / AFPWeil nun weitere Recherchen drohten, veröffentlichte die FDP gestern am frühen Abend eben jene »D-Day Ablaufszenarien« – so hieß der Plan also wirklich – auf ihrer Website. Begleitet von einem Text, bei dem sich nicht nur der FDP-Bundesgeschäftsführer, der ihn aufgesetzt hat, sondern auch die politischen Fachkräfte, die ihn freigegeben haben, wirklich fragen sollten, ob sie der richtigen Tätigkeit nachgehen.
Der Begleittext ordnet weder das Verhalten Lindners und Djir-Sarais nach dem Ampel-Aus ein, noch findet sich darin ein Wort der Einsicht oder gar der Entschuldigung für die Wortwahl »D-Day«.
Der Begriff ist im Deutschen verbunden mit dem Beginn der Befreiung Europas von den Nationalsozialisten. Wer ihn hierzulande außerhalb dieses Zusammenhangs verwendet, erweist sich als geschichtsvergessen und zynisch.
In dem unterhalb dieses Begleittextes veröffentlichten Ablaufplan wiederum zeigt sich eine geradezu dämonische Lust sowohl an der Destruktion wie an der Manipulation. Vor einer »offenen Feldschlacht« wollte die FDP das »Narrativ setzen«, das »Narrativ verbreiten«, ein »Feintuning Narrative« vornehmen. Danach wollte sie die »Bilder der Verkündung« bestimmen, die »Hoheit über die Kommunikation« halten und sogar Medien in ihrem Sinne einspannen: Sie erwog einen »Gastbeitrag FAZ«.
Es gibt in Deutschland eine Wählerschaft für destruktive Politik. Ist es die, auf die die FDP setzt?
Mehr Hintergründe dazu lesen Sie hier: Freie Demolierte Partei
Gut, dass Merkel sich einmischtHeute stellt die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Memoiren in ihrem langjährigen Wahlkreis in Stralsund vor. Am Montag dann wird sie ihr Buch gemeinsam mit dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama in Washington vorstellen.
Merkel-Memoiren in Berliner Buchhandlung: Differenzierte Sichtweise auf DDR
Foto: Leonie Asendorpf / dpaSchon die Tatsache, dass Merkel in Ostdeutschland auftritt, bevor sie nach Washington geht, lässt sich symbolisch deuten. Damit unterstreicht sie, was sie auch in ihrem Buch ausdrückt: wie wichtig sie nämlich ihre erste Lebenshälfte als Bürgerin der DDR nimmt.
In ihren Memoiren würdigt Merkel ihre Zeit in der DDR auf differenzierte Weise: Sie benennt schöne Momente, lässt aber nie vergessen, dass die DDR eine Diktatur gewesen ist, mit allem, was dazu gehört.
Diese Perspektive unterscheidet sich von vielen gröberen, die zurzeit häufig zu hören sind. Da gibt es eine grobe westliche Perspektive, bei der Lebensjahre in der DDR als reiner »Ballast« abgetan werden (so wurden einmal wortwörtlich Merkels DDR-Jahre beschrieben). Da gibt es aber auch eine grobe ostdeutsche Perspektive, bei der so getan wird, als seien die Jahre nach dem Mauerfall im Schnitt belastender gewesen als die Jahre davor. Als sei das Leben in der Diktatur nur halb so schlimm gewesen.
Merkels differenzierter Blick wird heute dringend gebraucht. Denn die anderen, die groben Sichtweisen, befördern ein gefährliches Ressentiment.
Mehr Hintergründe dazu lesen Sie hier: Angela Merkel und das Gespür für Macht
Das Missverständnis mit der KulturLars Klingbeil hat schwere Tage hinter sich. Ihm wurde vorgeworfen, die Debatte über den Kanzlerkandidaten der SPD zu sehr laufen gelassen zu haben. Heute aber nimmt er ein Treffen wahr, das wahrscheinlich zu den erfreulicheren gehört: Er macht, gemeinsam mit dem Musiker Christopher Annen von der Band AnnenMayKantereit, bei einem »Zukunftsdialog« der SPD-Bundestagsfraktion mit. Das Thema lautet: »Popkultur meets Politik!«
SPD-Chef Klingbeil: Erfreulicher Termin
Foto: CLEMENS BILAN / EPAMan sollte sich aber nicht täuschen. Kulturthemen werden häufig als »schön« und weit weg von der Politik wahrgenommen. Dabei reflektiert Kultur permanent die Zeitläufe und deswegen oft auch die Politik. Und sie beeinflusst Politik.
Donald Trump, der ehemalige TV-Star, wird nun zum zweiten Mal Präsident der USA, eben weil er eine Figur der Popkultur ist. Ein anderes Beispiel: Wahlkampfvideos auch hierzulande sind deutlich von der Ästhetik des Pop inspiriert.
Insofern wirkt der Titel der heutigen Veranstaltung, »Popkultur meets Politik!« eher irreführend, weil er den falschen Rückschluss nahelegt, dass sich hier etwas trifft, was eigentlich nicht zusammengehört.
Lesen Sie hier unser Interview mit Lars Klingbeil: »Selbst Angela Merkel hält lieber eine Armlänge Abstand zu Merz«
Lesen Sie hier den aktuellen SPIEGEL-LeitartikelKultur ist nicht die Feuerwehr: Opernhäuser, Stadttheater oder Orchester: Sie alle werden in den kommenden Jahren mit deutlich weniger Geld vom Staat auskommen müssen. Eine Debatte über Selbstbeschränkung ist unvermeidlich.
Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz…ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er darf heute schon die renovierte Pariser Kathedrale Notre-Dame besuchen. Die offizielle Wiedereröffnung wird erst am 7. und 8. Dezember sein.
Frankreichs Präsident Macron bei einem Besuch in Notre-Dame (2023): Früher Besucher
Foto: Sarah Meyssonnier / AFPAuf dem Dach des Pariser Wahrzeichens war im April 2019 ein Großfeuer ausgebrochen, das Dächer und Dachstuhl, Teile der Gewölbe sowie den Vierungsturm zerstörte.
Vor dem Brand wurde Notre-Dame jährlich von rund 12 bis 14 Millionen Menschen besucht. Das wird nach der Wiedereröffnung wieder ähnlich sein.
Macron sollte die Ruhe heute genießen.
Lesen Sie hier mehr dazu: Ganz Frankreich blickt auf diese Baustelle
Der Rubel im Sinkflug: »Die Zentralbank hat ihre Deviseneinkäufe vorerst eingestellt«
Foto: Alexey Maishev / Sputnik / IMAGO»Die russische Zentralbank hat die Situation nicht mehr voll im Griff«: Der Wert des Rubels verfällt, die Inflation ist hoch und die Moskauer Notenbank versucht, mit immer höheren Zinsen gegenzusteuern. Wie es um Russlands Wirtschaft wirklich steht, erklärt Ökonom Vasily Astrov in diesem Interview.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihre Susanne Beyer, Autorin der Chefredaktion