Ampel-Aus: So gefährlich sind die Enthüllungen für die FDP

3 Stunden vor

Medienberichte über einen von langer Hand geplanten Bruch der Ampel-Koalition durch die FDP-Spitze haben bei den ehemaligen Koalitionspartnern SPD und Grünen Empörung ausgelöst. 16.11.2024 | 2:36 min

FDP - Figure 1
Foto ZDFheute

Am Tag nach den Recherchen von "Zeit" und "Süddeutscher Zeitung" demonstriert Christian Lindner Gelassenheit.

Es ist Wahlkampf. Wo ist die Nachricht?

FDP-Chef Christian Lindner

Selbstverständlich habe die FDP ohne Wirtschaftswende die Ampel-Koalition verlassen müssen, führt der ehemalige Finanzminister am Samstag aus. Deshalb habe er Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ja auch einen gemeinsamen, geordneten Weg zu Neuwahlen vorgeschlagen.

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Die Aufregung um die Operation "D-Day", das "liberale Drehbuch für den Regierungssturz", wie die "Zeit" titelt - alles halb so wild, signalisiert Lindner.

Laut Recherchen von "Zeit" und "Süddeutscher Zeitung" hat die engste Führung der FDP Ende September bei einem Treffen über die Zukunft der Ampel und die Zukunft der Partei beraten. Dabei sollen mehrere Szenarien durchgespielt worden sein - darunter ein Szenario, das später als Projekt "D-Day" bezeichnet wird. Es sieht vor, SPD und Grüne so zu provozieren, dass Bundeskanzler Olaf Scholz die FDP-Minister rauswirft. Dazu gehört die Idee, ein wirtschaftspolitisches Papier zu erarbeiten, dem SPD und Grüne nicht zustimmen können. Es spielt auch einen Zeitplan für einen Rückzug der FDP-Minister aus dem Kabinett durch.

Bereits bei dem Treffen Ende September ist das Projekt "D-Day" den Recherchen zufolge das favorisierte Szenario in der FDP-Führung. Spätestens Mitte Oktober hat Parteichef Christian Lindner demnach letzte Zweifel am Ampel-Ende ausgeräumt.

Mehr zu den FDP-Plänen und den politischen Reaktionen

Aber ist es das wirklich? Können Lindner und die FDP die Vorwürfe, die Details der Recherchen so einfach abschütteln - oder gehen die Liberalen nun mit einer schweren Hypothek in den Bundestagswahlkampf?

Die Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele und ZDF-Hauptstadtkorrespondent Dominik Rzepka beantworten wichtige Fragen.

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Sind die FDP-Pläne eine "Nachricht"?

"Selbstverständlich war es seit Wochen ein offenes Geheimnis in Berlin, dass die FDP über den Bruch der Koalition nachdenkt", sagt Dominik Rzepka. "Alle in der FDP haben auffällig oft über Wirtschaftsthemen gesprochen." Die Strategie dahinter: Das Ampel-Aus provozieren, "auf Wirtschaftsthemen und FDP pur setzen und so bei einer Neuwahl zumindest auf fünf Prozent kommen."

Auch Andrea Römmele ist von den Recherchen nicht überrascht. "Es ist aber das eine, so eine Vermutung zu haben - und etwas anderes, das in dieser Krassheit nachzulesen." Für Römmele ist klar:

Die FDP hat damit die Deutungshoheit über das Ampel-Aus verloren.

Andrea Römmele

Was haben sich Lindner und die FDP-Spitze vom Ampel-Aus erhofft?

Römmele verweist auf die heikle Lage der Liberalen: Das schwache Abschneiden bei etlichen Landtagswahlen, Umfragewerte unter der Fünf-Prozent-Hürde im Bund - "man merkt schon seit Längerem, dass es der FDP um die eigene Positionierung und das Retten in den nächsten Bundestag geht", sagt Römmele.

Auch Rzepka sagt: "Im Raum stand immer auch die Frage, ob es der FDP strategisch nützt, die Ampel zu beenden. Ob man also bei einer Neuwahl dafür belohnt wird und auf die rettenden fünf Prozent kommt."

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Geht diese Strategie nach den Recherchen noch auf?

Politik-Expertin Römmele beantwortet das mit einem klaren "Nein". Die Berichte zeigten, dass es der FDP in erster Linie um sich selbst gehe und nicht um das Land. "In Krisensituationen steht aber immer das Land vor der Partei", sagt Römmele.

Der Ukraine-Krieg, die Wirtschaftskrise, dazu die Wahl von Donald Trump: "Wir leben in extrem herausfordernden Zeiten, in denen wir Politikerinnen und Politiker dafür wählen, dass sie Lösungen für das Land entwickeln", sagt Römmele, "und nicht dafür, dass sie ihre eigene Haut retten."

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Das Vertrauen in wichtige Eigenschaften wie Glaubwürdigkeit und Kompromissfähigkeit sieht Römmele bei Lindner und den Liberalen nun beschädigt. "Die Situation für die FDP insgesamt ist deshalb gefährlich."

Dass die FDP mit Begriffen wie "D-Day", "Torpedo" und "Feldschlacht" gearbeitet habe, schade den Liberalen zusätzlich. "Da geht es um die politische Kultur und das Miteinander", sagt Römmele.

Lindner steht hier für einen Politikstil von gestern.

Andrea Römmele

Profitieren die SPD und Kanzler Scholz von den Recherchen?

Wahrscheinlich nicht, sagen sowohl Andrea Römmele als auch Dominik Rzepka. Die Deutungshoheit über das Ampel-Aus helfe der SPD zwar, sagt Römmele. Dass die FDP die Hauptschuld trage, sei für viele aber keine große Überraschung. Das hat bereits das Politbarometer-Extra direkt nach dem Ampel-Aus gezeigt:

Politbarometer Extra vom 7. November.

Quelle: ZDF

"Die Debatte wird natürlich auch überlagert von der Kanzler-Frage der SPD, wo mittlerweile auch Abgeordnete aus der Fraktion Verteidigungsminister Boris Pistorius für den besseren Kandidaten halten", sagt Römmele weiter. Scholz habe also längst eine andere Baustelle.

"Außerdem ist Scholz am Ende des Tages der Kanzler - und der Kanzler muss den Laden zusammenhalten", argumentiert Römmele. Das sei seine "Führungsaufgabe" - egal, welchen Politikstil die FDP an den Tag lege.

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ZDF-Hauptstadtkorrespondent Rzepka erinnert zudem an Scholz' eigene Aussage, selbst bereits im Sommer über Lindners Rauswurf nachgedacht zu haben. "Am Sonntag vor dem Koalitionsbruch war Lindner noch bei uns im ZDF. Bei Berlin direkt erhöhte er den Druck auf die SPD und forderte Wirtschaftskonzepte vom Kanzler. Direkt nach dem Interview fuhr er ins Kanzleramt und drohte Scholz gegenüber mit Neuwahlen, das hat Lindner nach dem Ampel-Aus ebenfalls im ZDF bestätigt."

Daraus folgt: "Natürlich hat die FDP eine Strategie verfolgt." Zur Wahrheit gehöre aber auch, sagt Rzepka, "dass die Anderen ebenfalls vorbereitet waren. Die drei vorbereiteten Reden des Kanzlers sprechen dafür."

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