Umbau bei Evonik: leidet die Innovationsstrategie?

2 Tage vor
Harald Schwager, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Evonik

Evonik Industries AG

Das klang im September auf dem Informationstag über die Innovationsstrategie der Evonik Industries AG noch positiver. Diverse Themen sollten angegangen werden, in der Hoffnung, damit in den nächsten Jahren innovationsgetriebene Umsatzerlöse von rund 1,5 Mrd. Euro zum Konzernergebnis beisteuern zu können. Nun wird die Radikalkur des Essener Konzerns deutlicher, die Firmenstruktur stark verändert unter dem Motto: Verschlankung, Verschlankung, Verschlankung. Tausende Arbeitsplätze, sollen – teilweise bereits angekündigt – im Zuge des Umbaus abgebaut oder entsprechende Geschäftsbereiche veräußert werden. Steht hinter Innovation nun ein Fragezeichen?

Der deutsche Chemieriese Evonik will sich deutlich schlanker aufstellen. Mit dem Um- und Stellenabbau gibt sich das Unternehmen eine neue Struktur. Statt bisher vier Geschäftsbereiche soll es bei Evonik künftig nur noch zwei große Segmente geben: Custom Solutions und Advanced Technologies. Im ersten Segment sollen sich rund 7.000 Beschäftigte „innovationsgetrieben“ um neue Additive und die Bereiche Pflegesubstanzen und Healthcare kümmern. Rund 8.000 Beschäftigte fokussieren sich im Segment Advanced Technologies vor allem auf effizientes Arbeiten und ertragsstarke Geschäftsfelder. Dort sind die Bereiche organische, anorganische Chemie sowie auch Produkte der Futtermittel versammelt. Zudem arbeiten noch einmal rund 15.000 Beschäftigte in den Bereichen F&E, Verfahrenstechnik, Infrastruktur sowie in der Verwaltung.

Vorstandschef Christian Kullmann und der Aufsichtsrat einigten sich auf ein Konzept, bei dem bis zu 2.000 Stellen weltweit durch den Umbau der Struktur wegfallen können. Das Restrukturierungsprogramm trägt den Namen „Evonik Tailor Made“und läuft noch bis Ende 2026, also längerfristig. Doch dort hört der Umbau noch nicht auf. Rund 3.600 weitere Stellen gehören zu Infrastruktur-Einheiten, die Evonik in eigene Gesellschaften auslagert, um sie zu verkaufen. Ob das vollständig oder nur zum Teil passieren wird, ist noch offen und hängt von den passenden Interessenten ab. Rund 1.400 Beschäftigte arbeiten in Chemie-Bereichen, die nicht mehr zur strategischen Ausrichtung des Konzerns passen (C4-Chemie und Polyester-Geschäft). Auch diese Einheiten stehen zum Verkauf, womit sich eine gerade in diversen Medien hochgerechnete Zahl von 7.000 von der Umstrukturierung „betroffenen“ Stellen ergeben.

Im September hatte Evonik noch seine zukunftsgerichtete Innovationsstrategie in den Vordergrund gestellt. In dieser fokussierte sich das Spezialchemieunternehmen noch stärker auf das Thema Nachhaltigkeit. Dazu bündelt es einen großen Teil der F&E-Aktivitäten in drei neuen Innovationswachstumskernen, die die Themen Biobasierte Lösungen, Energiewende und Kreislaufwirtschaft in den Blick nehmen werden. Sie sollen bis zum Jahr 2032 bezogen auf 2023 einen zusätzlichen Umsatz von 1,5 Mrd. Euro erreichen. „Unsere neue Innovationsstrategie weist den Weg, wie wir mit nachhaltigen Produkten und Lösungen das Wachstum von Evonik künftig noch stärker unterstützen und zugleich den ökologischen Fußabdruck unserer Kunden verringern“, sagte damals Harald Schwager, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Evonik. Ob diese Innovationsstrategie durch die Veränderungen betroffen ist, fragte |transkript.de beim Unternehmen nach. Ein Unternehmenssprecher verneinte dies. Der F&E-Bereich habe mit Lauren Kjeldsen eine neue Führung erhalten, die wirksam wird, wenn der langjährige Leiter Harald Schwager (Foto) in Ruhestand gehe. „Forschung ist meines Wissens von den Umbauten ansonsten kaum betroffen“, kommentierte der Evonik-Sprecher.

Der jetzige Radikalumbau soll auch an der Spitze des Unternehmens für mehr Klarheit sorgen und ein „deutlich schlankeres Führungsmodell“ ergeben. Unter anderem wird der erweiterte Vorstand abgeschafft – also eine Hierarchieebene gestrichen. „Das neue Führungsteam mit Christian Kullmann, Lauren Kjeldsen, Claudine Mollenkopf, Maike Schuh und Thomas Wessel wird den Konzern in eine gute Zukunft führen“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Bernd Tönjes.

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