Millionen-Projekt: Klage gegen umstrittenes Bauvorhaben in Erfurt

18 Sep 2023
Erfurt
Klägerin wendet sich gegen Bebauungsplan

In dem Antrag beim OVG bringt die Klägerin eine Reihe an Punkten vor, um die Rücknahme des Bebauungsplanes zu erreichen. Unter anderem geht es um die Veränderung des Planes. Denn der hätte, so der Anwalt der Klägerin, aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden müssen und der sah lediglich die Ansiedlung von Handel oder Nahversorgung vor. Bedeutet: Wohnen sollte gerade in diesem Bereich nicht möglich sein. Diese Veränderung des Bebauungsplanes für Wohnprojekte hätte es nicht geben dürften, teilte der Anwalt MDR THÜRINGEN auf Anfrage mit.

Zudem bringt die Klägerin vor, dass die Stadt Abwägungsfehler gemacht habe. So sei die Auswirkung des Reiters, eines mehrstöckigen Turms, auf das Stadtklima nicht ausreichend beachtet worden. Dazu gebe es kein taugliches Verkehrs- und Stellplatzkonzept. Der Vorwurf der Klägerin: Nur aus Wirtschaftlichkeitsgründen und zur Gewinnmaximierung sei auf eine Tiefgarage unter dem geplanten Gebäude verzichtet worden.

Für Stadt Erfurt ist Bebauungsplan rechtmäßig

Die Stadt Erfurt teilte MDR THÜRINGEN mit, dass ihr der Antrag vor dem OVG Weimar bekannt sei und dass man aber von einem rechtmäßigen Bebauungsplan ausgehe. Zu weiteren Details wolle man sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht äußern. Bleibt Investorin Carola Busse. Sie werde von ihrem Recht zur Stellungnahme Gebrauch machen und die Position der Stadt Erfurt unterstützen, teilte sie MDR THÜRINGEN mit.

Das dürfte auch notwendig seien, denn falls der Bebauungsplan für nichtig erklärt werden sollte, hätten die Stadt und auch Carola Busse ein Problem. Denn inzwischen hat die Bauherrin auch eine Baugenehmigung von der Stadt erhalten, trotz der aktuell laufenden juristischen Auseinandersetzung mit ungewissem Ausgang.

Sollte der Bebauungsplan vom OVG für nichtig erklärt werden, könnte dies das Ende des Projektes in seiner jetzigen Form bedeuten. Alles müsste noch einmal von vorn losgehen. Busse, mit einer gültigen Baugenehmigung in der Hand, könnte Schadenersatz von der Stadt fordern.

Wird "Riegel & Reiter" verkauft?

Und noch etwas macht an dem gesamten Projekt hellhörig. Seit einigen Monaten bewirbt der deutschlandweit agierende Immobilienmakler Engel&Völkers das Projekt "Riegel & Reiter" im Internet in einem entsprechenden Exposé.

Offensichtlich versucht Busse, das Projekt an Investoren zu verkaufen. MDR THÜRINGEN hatte sie zu den Gründen mehrfach angefragt, doch die Unternehmerin lässt über ihre Anwälte ausrichten, dass sie sich nicht äußern werde.

Engel&Völkers teilte ebenfalls erst auf mehrmalige Nachfrage mit, dass man sich aus Datenschutzgründen nicht äußern werde. "Wir sind an die Vorgaben des Eigentümers gebunden", heißt es.

Punkte offenbar aus Angebot gestrichen

Dass diese Vorgaben sich im Laufe der MDR-Recherche verändert haben, zeigt der Umstand, dass in der Projektbeschreibung zwei wichtige Aspekte offensichtlich herausgestrichen worden sind. Denn bis mindestens zum 11. August dieses Jahres wurde damit geworben, dass ein rechtsgültiger Bebauungsplan vorliege und ein Antrag auf Baugenehmigung gestellt sei.

Nachdem MDR THÜRINGEN sowohl bei Busse als auch bei Engel&Völkers fragte, wie mit der Formulierung eines "rechtsgültigen Bebauungsplanes" im Lichte des aktuellen Verfahrens vor dem OVG Weimar umgegangen werde, verschwanden die beiden Passagen plötzlich. Zu den Gründen wollten sich weder Busse noch Engel&Völkers trotz mehrfacher Nachfrage äußern.

Fall erinnert an anderes Bauprojekt

Die mutmaßlichen Verkaufspläne von "Riegel & Reiter" erinnern an einen ähnlich gelagerten Fall von Carola Busse und ihren geschäftlichen Aktivitäten in der Stadt. Das sogenannte "Wir-Quartier" am südlichen Juri-Gagarin-Ring, ein millionenschweres Hochhausprojekt, hatte Busse seit 2015 angeschoben.

Dabei hatte sie vor allem mit ihrem Lokalkolorit als Erfurter Bauunternehmerin öffentlich um das Projekt bei Behörden und Stadt geworben. Nachdem es aus ihrer Sicht mit den entsprechenden Genehmigungen nicht schnell genug voran ging, machte sie sich im November 2018 in der "Thüringer Allgemeinen" Luft. Sie sei mit Millionen in Vorleistungen gegangen und habe keine Investoren in der Hinterhand, klagte die Unternehmerin damals.

Interne Unterlagen zeigen anderes Bild: "Wir-Quartier" verkauft

Doch ein Blick in interne Geschäftsakten, die MDR THÜRINGEN eingesehen hat, zeigt eine etwas andere Geschichte. Denn nach dem Ende des Architektenwettbewerbs für das "Wir-Quartier", im Frühjahr 2017, machten Busse und ein Geschäftspartner kurz vor Weihnachten 2017 einen Deal.

Sie verkauften ihre kompletten Anteile der Baugesellschaft, in deren Besitz das Wir-Quartier-Gelände war, an zwei Leipziger Bau-Investmentfirmen. Diese wiederum gehörten zur Quarterback AG, einem Leipziger Immobilien-Imperium. Ein Anteilseigner von Quarterback ist die milliardenschwere Deutsche Wohnen SE, einer der größten Wohneigentümer in Deutschland.

Nur wenige Wochen nachdem Busse im November 2018 öffentlich wirksam gegen die Stadt austeilte und klagte, dass sie keine Investoren in der Hinterhand habe, ließen die neuen Besitzer des Wir-Quartiergeländes 43 Millionen Euro Grundschulden eintragen. Klares Ziel: der Bau beiden Hochhaustürme, so wie sie inzwischen dort stehen.

Stadt Erfurt schaut kritisch auf Pläne

Zu Busses möglichen neuen Plänen, dass "Riegel & Reiter"-Projekt zu verkaufen, will sich die Stadt Erfurt nicht offiziell äußern. Aber aus Verwaltungs- und Behördenkreisen heißt es, dass die Pläne sehr genau und kritisch verfolgt würden. MDR THÜRINGEN hatte Busse mehrfach zum Thema "Wir-Quartier", ihren möglichen Verkaufsplänen von "Riegel & Reiter" und der Kritik an ihrem Vorgehen befragt. Über Ihre Anwälte ließ sie ausrichten, dass sie sich nicht äußern werde.

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