Mysteriöse Erschütterung: Warum gab es ein Erdbeben in ...

10 Stunden vor

Blick auf Herzberg (Elster)

Foto: Andreas Franke / IMAGO

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Erdbeben Brandenburg - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

Im Süden Brandenburgs gab es am Freitag ein Erdbeben. Das allein wäre schon aufregend genug. Aber: In der Gegend, wo es aufgetreten ist, hat die Erde bislang noch nie gebebt. »Dort gab es bislang keine beobachtete Seismizität«, sagt Physiker Klaus Stammler von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) dem SPIEGEL.

»Dort«, das ist irgendwo zwischen Herzberg (Elster) und Kirchhain nahe der Grenze zu Sachsen. »Wir haben da in der Nähe keine Messstationen«, sagt Stammler, »da treten normalerweise keine Erdbeben auf.« Die nächstgelegene Messstation liegt in Collm  und damit rund 50 Kilometer entfernt. Deswegen sei schwer zu bestimmen, wo der genaue Bebenort war – also auch, wie tief in der Erde er lag, sagt Stammler.

Was man weiß: Die Erschütterung wurde am Freitag um 12.50 Uhr registriert und hatte laut BGR eine Magnitude von 3,1 auf der Richterskala. »Das ist für die Gegend sehr ungewöhnlich«, erklärt Stammler. Etwas Derartiges sei »in unserem Katalog für diese Region noch nie eingetragen worden«.

Wie stark sich ein Erdbeben auswirkt, hängt von seiner Tiefe ab

Wegen der fehlenden Messstationen seien Forschende »auf Beobachtungen aus der Nähe angewiesen«, sagt Stammler weiter. Bei ihm und der BGR habe es zunächst keine Rückmeldungen aus der Bevölkerung gegeben.

Das Portal »Niederlausitz Aktuell«, das zuerst über die Erschütterung berichtet hatte, schrieb, sie sei in der Region »spürbar« gewesen, unter anderem in Schlieben, Falkenberg, Finsterwalde und Polzen. Das Portal zitierte einen Leser aus der Gegend, der »zuerst ein Rumpeln oder Grollen« vernommen haben will, »und dann ein kurzer Ruck, und das Haus hat gewackelt und die Balken geknarrt«.

Tatsächlich seien die Auswirkungen eines Erdbebens immer von seiner Tiefe abhängig, erklärt Stammler. »Wäre es ein flaches Beben gewesen, hätte man es deutlicher merken müssen«, sagt er. Stammler geht daher davon aus, dass die Erschütterung von weit unter der Erde kam. »Niederlausitz Aktuell« schrieb unter Berufung auf das Institut der Geowissenschaften der Uni Jena von 21 Kilometer Tiefe.

Wohl keine Erschütterungen durch Steinbrucharbeiten

Aber warum hat die Erde dort überhaupt gebebt? Stammler schließt Ursachen wie etwa Erschütterungen durch Steinbrucharbeiten oder Ähnliches  nach aktuellem Kenntnisstand aus. »Wir müssen noch detaillierter analysieren, was dort passiert ist«, sagt er. Mit so einem Ereignis sei nicht zu rechnen gewesen, viele Fragen seien offen. Der Experte ist daher sicher: »Das wird die Wissenschaft noch ein paar Jahre beschäftigen.« Es sei »ein sehr interessanter Fall, wir müssen da definitiv noch tiefer einsteigen«.

Wo die Messstationen aufgebaut würden, sagt Stammler, darüber entscheide die Erde. »Die Stationsverteilung richtet sich nach Seismizität.« Es koste »Geld und Zeit, die Stationen zu betreuen, die Kapazitäten sind nicht unendlich«, erklärt er. Das aktuelle Beben sei ein guter Anlass, über weitere Messpunkte nachzudenken.

Größere Beben sind in Deutschland sehr unwahrscheinlich

Generell sei es, um solche Ereignisse verstehen und beurteilen zu können, »immer gut, wenn man eine große Historie hat«, also einen umfangreichen Datensatz. »Dann kann man Schwächezonen abbilden«, sagt der Experte. Unter »Schwächezonen« versteht man Gebiete, in denen tektonische Bewegungen stattfinden, typischerweise an den Rändern der Kontinentalplatten, in Gebirgen oder an Grabenbrüchen.

In Deutschland bebt die Erde häufiger als viele denken. Zwar liege die Bundesrepublik nicht an einer tektonischen Plattengrenze, erklärt Stammler, aber hierzulande finde man mehrere sogenannte Spannungszonen. Dazu zählen beispielsweise der Rheingraben oder die Schwäbische Alb . »Da gibt es immer wieder Erdbebenschwärme.« Laut Stammler liegen die Magnituden jedoch üblicherweise im niedrigen Bereich. »Die Wahrscheinlichkeit für größere Beben in Deutschland ist sehr gering.«

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