Deutschland im WM-Finale: Ein Schuss, den er nie mehr vergessen ...

Eishockey-WM

Es muss schon etwas passieren, damit Harold Kreis mit ausgestreckten Armen auf und ab springt und alle Menschen umarmt, die er gerade greifen kann. Es muss auch etwas passieren, damit mehr als 20 deutsche Eishockeyspieler wie wild durcheinander hüpfen. Und es ist auch etwas passiert an diesem Samstagabend im finnischen Tampere.

Frederik Tiffels rannte über den linken Flügel, zog nach innen, dann wieder nach außen und drosch dann einen Schuss in den Winkel, den er wohl nie mehr vergessen wird. Denn er war der in der Verlängerung des WM-Halbfinals. 4:3 gewann die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) gegen die Vereinigten Staaten. Was auch bedeutet: Die Deutschen stehen erstmals seit 1930 in einem Finale einer Eishockey-Weltmeisterschaft.

WM-Finale gegen Kanada

Das ist ja eigentlich ein Moment für pathetische Worte, aber wer nach dem Spiel in der Interviewzone war, traf auf mehrere deutsche Spieler, denen erst mal die Worte fehlten. Zu groß fühlte sich das für sie an. Zumal „der Glaube an uns im Vorfeld des Turniers jetzt nicht unglaublich groß war“, wie Kapitän Moritz Müller sagte. Doch nun hat jenes Team, dem manche nicht mal das Viertelfinale zutrauten, die erste deutsche WM-Medaille seit 70 Jahren sicher.

Die Frage ist nur, welche Farbe sie haben wird. Die Entscheidung fällt gleich am Sonntag (19.20 Uhr bei Sport 1 und Magentasport), dann folgt das Finale gegen die Kanadier, die das andere Halbfinale mit 4:2 gegen Lettland gewannen. Und sollten die Deutschen auch ihr siebtes Spiel in Serie siegreich gestalten, die als historische Bestleistung angesehene Silbermedaille bei Olympia 2018 wäre nach nur fünf Jahren abgelöst.

Man kann das gar nicht hoch genug einschätzen. Nun sind bei einer Eishockey-WM längst nicht alle Stars am Start, aber das gilt ja genauso für das deutsche Team. 15 Absagen musste Trainer Harold Kreis hinnehmen, aber er tat das mit einer Souveränität, die zum Markenzeichen geworden ist. Hätte er sich über die Ankunft von NHL-Star Leon Draisaitl gefreut?

Ganz sicher, „aber wir vertrauen den Spielern, die hier sind", sagt er. Und wenn dann wie im Viertelfinale sein Abwehrchef Moritz Seider hinausgestellt wird, ist das ebenfalls kein Problem. „Einer ist raus? Dann macht der nächste ein bisschen mehr." Auch die drei Auftaktniederlagen, die die Deutschen schon früh unter Druck setzen, moderierte Kreis entspannt weg. Als machten ihm und seinem Team Rückschläge überhaupt nichts aus. 

Tiffels mit dem letzten Schuss

Das war nun auch im Halbfinale gegen die Amerikaner zu sehen. „Der Spielverlauf könnte den Charakter der Mannschaft nicht besser repräsentieren“, sagte Nico Sturm, dessen Team nach nicht mal vier Minuten bereits 0:2 zurücklag. Die Deutschen wussten gar nicht, wie ihnen geschah, wirkten läuferisch und gedanklich viel zu langsam. Aber wie das manchmal so ist im Eishockey, plötzlich drehte das Spiel. Erst würgte Frederik Tiffels einen Schuss von Daniel Fischbuch über die Linie, dann schoss Maksymilian Szuber die Scheibe zum 2:2 in den Winkel.

Danach gab es sogar Chancen, in Führung zu gehen, doch der nächste Jubel gehörte wieder den Amerikanern, die im zweiten Drittel abermals in Führung gingen. So stand es zur zweiten Pause 2:3 aus Sicht des DEB-Teams, das defensiv zwar meist auf der Höhe war, aber kaum Wege vor das Tor fand. Hier kam ein Pass nicht genau genug, da gingen ein Zweikampf oder ein Laufduell verloren, zudem gab der Gegner kaum Schussbahnen her. Nicht umsonst stellte Nico Sturm „eine gewisse Unzufriedenheit“ im Team fest, wie er nachher sagte.

Erst im im letzten Drittel ging offensiv wieder mehr: Dominik Kahun, Marcel Noebels und Maximilian Kastner hatten Chancen, Jonas Müller traf sogar die Latte, kurz später scheiterte Justin Schütz knapp. Da begann langsam das Zweifeln, denn die Uhr tickte unaufhörlich runter. Harold Kreis hatte bereits Niederberger für einen sechsten Feldspieler vom Eis geholt, da traf Marcel Noebels in der vorletzten Minute doch noch zum Ausgleich. Also ging es in die Verlängerung, in der jeder Schuss der letzte sein kann. Es wurde dann der von Frederik Tiffels.

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