Dunkelflaute: Darum ist Strom gerade so teuer
An der Strombörse erreicht der Preis neue Rekorde. Müssen Verbraucher nun mehr bezahlen? Und warum wird gerade so wenig produziert? Das Schlüsselwort heißt Dunkelflaute.
Aktualisiert am 13. Dezember 2024, 18:42 Uhr
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Strom ist in Deutschland so teuer wie lange nicht. Wer an der Leipziger Strombörse am Donnerstag um 17 Uhr für den nächsten Tag eine Megawattstunde kaufen wollte, musste dafür 936 Euro zahlen — so viel wie seit Ende Juni nicht mehr. Zum Vergleich: In den Wochen zuvor bewegte sich der Preis größtenteils zwischen 150 und 250 Euro. Auch der tagesaktuelle Preis erreichte mit 989 Euro und am Vortag mit 1.157 Euro einen neuen Höchststand seit Mitte Juni.
Alle Fragen im Überblick: Warum ist der Strom aktuell so teuer? Warum wird aktuell so wenig Strom produziert? Woher kommt der Strom bei Dunkelflaute? Wird jetzt alles teurer für Endverbraucher? Können die europäischen Nachbarn nicht helfen? Haben wir das Problem nun jedes Jahr?Ein Grund für den extremen Preisanstieg sind gestiegene Gaspreise. 46 Euro kostete die Produktion einer Megawattstunde aus Gas zuletzt — üblicherweise sind es rund 30 Euro. Ursache der Teuerung sind geopolitische Spannungen in Nahost, aber auch die niedrigen Temperaturen und der damit verbundene Anstieg durch vermehrtes Heizen. Hinzu kommt ein gekündigter Liefervertrag der österreichischen OMV mit Gazprom, über den bislang viele europäische Staaten weiterhin Gas aus Russland erhielten.
Einen Hinweis auf die Hauptursache des Preisanstiegs geben Daten des Thinktanks Agora Energiewende. Die Stromproduktion in Deutschland sank diese Woche in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag um fast 50 Prozent. Besonders die Windstromproduktion fiel von den üblichen 19,2 Gigawatt auf nur noch knapp drei, wie das Bundeswirtschaftsministerium angab. Ein Rückgang von 85 Prozent. Auch die Solarstromproduktion hat seit Anfang Dezember deutlich abgenommen.
Gleichzeitig steigt im Winter der Energiebedarf durch die Kälte. Weil immer mehr Menschen ihr Heim mit einer Wärmepumpe heizen, steigt der Strombedarf zusätzlich an. Und da es zudem früher dunkel wird, steigt auch dadurch der Bedarf.
Der Strompreis ist aber nur während kurzer Spitzenzeiten so hoch. In den meisten Zeiträumen lag er deutlich unter den Höchstwerten auf vergleichsweise normalem Niveau. Die Bundesnetzagentur geht nach dem jüngsten Preisanstieg Hinweisen auf missbräuchliches Verhalten nach, wie der Chef der Netzagentur, Klaus Müller, der Süddeutschen Zeitung bestätigte.
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Deutschland hat Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge bereits im ersten Halbjahr 2024 5,3 Prozent weniger Strom produziert als im Vorjahreszeitraum. Nun ist die Produktionsmenge kurzfristig weiter gefallen.
Grund für den Produktionseinbruch ist eine aktuelle Dunkelflaute. Diese treten besonders im Winter auf. Bleiben Wind und Sonne weg, dann produzieren Windenergie- und Photovoltaikanlagen über längere Zeiträume nur sehr geringe Mengen erneuerbarer Energie. Auch stabile Hochdruckgebiete können zu Windstille und Bewölkung und dadurch zu Dunkelflauten führen.
Dunkelflauten sind kein alleiniges deutsches Problem in der Energietransformation. Auch in Österreich, den Niederlanden, in Dänemark und sogar Norwegen stieg der Strompreis zuletzt auf Rekordwerte.
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Viele Energiequellen wie Wasserkraft oder Biomasse sind konstant und lassen sich nicht kurzfristig regulieren. Wenn Dunkelflaute herrscht, wird deshalb notgedrungen verstärkt auf fossile Energiequellen gesetzt. Besonders Gaskraftwerke werden für den Ausgleich des Angebots genutzt, da sie sich bei Bedarf schnell ans Netz schalten lassen. Dispatch nennt man diese Anpassung des Angebots an die Nachfrage in der Fachsprache. Weil auch der Gaspreis zuletzt gestiegen ist, treibt das den Strompreis weiter nach oben. Allerdings wird aktuell laut Bundesnetzagentur nur rund die Hälfte der grundsätzlich verfügbaren Gasstromproduktion genutzt. Offenbar standen viele Kraftwerke kurzfristig nicht zur Verfügung.
Deshalb wurde die Heizöl-Verstromung mit knapp einem Gigawatt auf Höchstleistung gefahren. Zudem setzt Deutschland aktuell verstärkt auf Zukäufe. Grundsätzlich importiert Deutschland während der meisten Zeiten des Jahres mehr Strom, als es exportiert. Aktuell wird besonders aus Norwegen, Polen und Belgien verstärkt Strom eingekauft.
Französischer Atomstrom macht momentan (wie auch sonst im Jahresdurchschnitt) nur einen geringen Anteil am deutschen Strommix aus. Die Importe aus Frankreich betrugen beispielsweise am 12. Dezember netto insgesamt 37.000 Megawattstunden. Das Nachbarland deckt etwa zwei Drittel seines Stromverbrauchs aus Kernenergie. Folglich wurden grob gerechnet ungefähr 24.600 Megawattstunden Atomstrom importiert. Das entspricht etwa 1,7 Prozent des aktuellen deutschen Gesamtverbrauchs von 1.447.000 Megawattstunden.
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Nur wer kurzfristig große Mengen Strom braucht, kauft diesen überhaupt am Spotmarkt der Leipziger Strombörse (EEX) zu. Energiekonzerne oder Großunternehmen wie Stahlkocher beispielsweise haben diese "dynamischen Tarife". Große Verbraucher wie öffentliche Einrichtungen oder Versorger, die den Strom dann an Privatkunden verkaufen, schließen meist langfristige Verträge und sind von Tagesschwankungen an der Strombörse in der Regel erstmal nicht betroffen. Privatkunden können an der EEX gar nicht handeln.
Auch das Bundeswirtschaftsministerium gibt Entwarnung: Die hohen Börsenpreise "wirken sich nicht nennenswert auf den Jahresdurchschnittspreis von Strom aus". Der durchschnittliche Preis lag zuletzt bei 75 Euro pro Megawattstunde. Im vorigen Jahr kostete die gleiche Megawattstunde noch 95 Euro, auf dem Hoch der Energiekrise 2023 lag sie gar bei 235 Euro.
Außerdem hat das Bundeswirtschaftsministerium eine "gute Nachricht": Am Wochenende werde sich die Lage wieder beruhigen, weil dann die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien wieder zunehmen werde.
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Die Stromproduktion ist in Deutschland regional stark verteilt. Windräder liefern im Norden günstige Energie, Biomasse, Kohle, Gas und Wasserkraft in Süddeutschland. Dabei ist der Strom aus dem Norden in der Regel günstiger. Weil es aber nur eine einheitliche Preiszone gibt, kann sich der Strompreis nicht anpassen. Norddeutsche Kunden zahlen also für bayrische Gaskraftwerke mit.
In Europa gibt es einen integrierten Energiemarkt, auf dem Strom zwischen den Ländern je nach Produktion und Bedarf ausgetauscht wird. Deshalb bekommen auch europäische Nachbarn den aktuellen Anstieg zu spüren. "Es ist eine absolut beschissene Situation", sagte Norwegens Energieminister Terje Aasland.
"Die Achterbahnfahrt der Strompreise ist unerträglich", klagte die schwedische Energieministerin Ebba Busch auf der Plattform X. "Dies ist das Ergebnis der Abschaltung von Kernkraftwerken. Wenn der Wind nicht weht, steigen die Strompreise in diesem gescheiterten Energiesystem – wie die Strompreise in Deutschland von etwa 10 Kronen pro Kilowattstunde zeigen." Schweden will deshalb zukünftig noch mehr auf Atomkraftwerke setzen.
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Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich das Problem in den kommenden Jahren absehbar sogar noch verschärfen. Denn je höher der Anteil von Wind und Solar am Strommix, desto mehr Strom muss kompensiert werden, wenn hier die Stromproduktion gedrosselt ist.
"Es ist zum Verzweifeln", monierte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) in der Bild-Zeitung: "Unsere Unternehmen und unser Land können sich keine Schönwetter-Produktion leisten. Wir brauchen dringend Kraftwerke, die sicher einspringen können."
Der Auf- und Ausbau von Speichern wäre eine Möglichkeit, dem Problem entgegenzuwirken. Dann könnten kurzfristige Dunkelflauten überbrückt werden.
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