"Eine geisteskranke Outlap": Wie Luca Engstler seinen zweiten DTM ...

5 Stunden vor

(Motorsport-Total.com) - Luca Engstler feiert beim Finale in Hockenheim (Rennbericht) den zweiten DTM-Sieg seiner Karriere. Im Gegensatz zum Auftakt in Oschersleben, als der Grasser-Pilot von einer Full-Course-Yellow profitierte, war sein erneuter Triumph allerdings komplett selbst erkämpft - mit einer guten Strategie und "geisteskranker" Outlap!

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Luca Engstler feiert beim Finale in Hockenheim seinen zweiten DTM-Sieg Zoom

Der Schlüssel zum Sieg war ein früher Boxenstopp. Engstler, der vom sechsten Startplatz in das Rennen gegangen war, hatte sich mit einem guten Start bereits auf die vierte Position vorgearbeitet und war dann einer der ersten Piloten aus der Spitzengruppe, die zum vorgeschriebenen Reifenwechsel kamen.

Und obwohl der Boxenstopp seiner Grasser-Mannschaft mit 8,9 Sekunden nicht ganz reibungslos verlief, übernahm Engstler wenig später die Führung von Mirko Bortolotti (SSR-Lamborghini). Wie es dazu kam? "[Es war eine] geisteskranke Outlap", lacht Engstler. "Meine Inlap war wirklich super, die Outlap war mega. Dann habe ich mich sofort wohlgefühlt im Auto und gewusst, das ist die Chance."

Mit dem frühen Stopp reagierte die Grasser-Truppe auf den fünftplatzierten Lucas Auer (Winward-Mercedes), der eine Runde zuvor an die Box gekommen war. "Da wusste ich, okay, jetzt zählt es. Ich bin all-in gegangen", schmunzelt der Lamborghini-Pilot, der "seinen Fahrstil gut auf das kalte Rad umstellen" und deshalb schon nach wenigen Kurven attackieren konnte.

"In den ersten drei Runden alles herausgelassen"

Aufgrund der Bedingungen mit Nebel und Temperaturen um 14 Grad Celsius war es am Sonntag nicht einfach, die Reifen zum Arbeiten zu bringen. "Vor allem beim Start hat man gemerkt, dass es heute etwas kniffliger war als sonst", erinnert Engstler daran, dass unter anderem auch Kelvin van der Linde (Abt-Audi) seine Reifen nach dem Start zunächst nicht auf Temperatur bekam und dadurch viele Positionen verlor.

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Luca Engstler jubelt über den zweiten Karriereerfolg in der DTM Zoom

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Engstler kam damit deutlich besser zurecht, wie auch die Zeiten zeigen. Denn während der Lamborghini-Pilot seine Outlap in 2:09.101 Minuten absolvierte, brauchte Auer mit 2:13.876 Minuten fast fünf Sekunden länger! Auch Bortolotti war mit 2:14.162 Minuten deutlich langsamer, wodurch Engstler überhaupt erst in Schlagdistanz kam.

"Ich habe früher gestoppt als die Autos vor mir, und ich habe in den ersten drei Runden wirklich alles herausgelassen. Und das hat mir geholfen, schnell Tempo aufzubauen und die Autos zu überholen, die auf kalten Reifen unterwegs waren." Dass Engster seine gebrauchten Reifen aus dem Qualifying, mit denen die ersten zehn Piloten starten müssen, früher gegen frische Slicks tauschen konnte, kam ihm dabei ebenfalls zugute.

Bortolotti kämpfte "mit stumpfen Waffen"

In den Runden nach dem Boxenstopp war Engstler zeitweise rund eine Sekunde schneller als Bortolotti und konnte so die Lücke schließen. Der neue DTM-Champion kam zwar knapp vor dem Youngster zurück auf die Strecke, kämpfte dann aber "mit stumpfen Waffen", grinst Engstler gegenüber Motorsport-Total.com. "Wenn er mit kalten Rädern herauskommt, dann haben wir einfach mit dem Undercut die bessere Strategie."

Das sei "heute ein bisschen der Wendepunkt" gewesen, freut sich der Sieger. Und selbst Bortolotti war überrascht! "Ja, denn im ersten Stint hatte ich einen kleinen Vorsprung auf Niki [Thiim], sodass ich dachte, ich wäre ziemlich sicher", gibt der frischgebackene DTM-Champion zu.

"Dann tauchte plötzlich Luca hinter mir auf und ich dachte: Wo kommt der denn her? Ich war natürlich etwas überrascht, ihn dort zu sehen", berichtet Bortolotti. "Man erklärte mir, dass er früher an die Box gekommen war und offensichtlich einen Undercut gemacht hatte, also die volle Strategie für den Rennsieg gefahren war. Um ehrlich zu sein, hatten wir in unserer Position heute einen anderen Fokus."

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"Wir wollten die Meisterschaft gewinnen, und wir wussten, dass wir einige Fahrer mit der Strategie abdecken mussten. Daher war es vielleicht klar, dass wir ein wenig angreifbar sein würden, wenn man sich das reine Rennergebnis ansieht."

Bortolotti: Dachte über Attacke gegen Engstler nach

In den Schlussminuten konnte der Italiener seinen Markenkollegen aber wieder unter Druck setzen. Ob Bortolotti, dem ein zweiter Platz zum Titelgewinn genügte, an einen Angriff auf den späteren Rennsieger dachte? "Wir sind Rennfahrer, wir wollen immer gewinnen. Also habe ich natürlich darüber nachgedacht", meint der 34-Jährige schmunzelnd.

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"Aber dann habe ich auch gedacht: Ja, ich bin in einer komfortablen Position. Die Strategie für dieses Rennen ist klar. Warum sollte ich etwas riskieren und vielleicht das Auto beschädigen und alles zerstören? Und am Ende des Tages gewinnt ein Lamborghini. Solange ein Lamborghini gewinnt, bin ich glücklich."

Auch Engstler war überzeugt, dass er einen Angriff seines Markenkollegen nicht fürchten muss. "Um ehrlich zu sein, wusste ich, dass er nicht angreifen würde, denn er ist sehr clever und will den Titel gewinnen", gibt der Grasser-Pilot zu. "Aber auf der anderen Seite habe ich in den Funk gebrüllt, dass ich um den Sieg kämpfen werde, als gäbe es kein Morgen."

"War klar, dass ich keine Dummheiten mache"

"Aber es war natürlich klar, dass ich keine Dummheiten machen würde", weiß Engstler, der seinem Markenkollegen im Fall der Fälle nicht die Tür vor der Nase zugeschlagen hätte. "Ich wusste, wenn Rene [Rast] kommt, dann ist er vielleicht ein bisschen angespannt. Dann hätte ich nicht gekämpft und ihm irgendwie die Parade versaut."

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Engstler (hier mit Gottfried Grasser) siegte auch beim Auftakt in Oschersleben Zoom

"Er war sehr clever und hat versucht, mir so viel Platz zu lassen, dass ich mich nicht so sehr auf den Spiegel konzentrieren musste", verrät der 24-Jährige, der deshalb keinen großen Druck verspürte. "Für mich war klar: Wenn ich ein paar gute Runden fahre und wir den Abstand zu Rene halten, kommen wir so ins Ziel. Also habe ich mich darauf konzentriert, eine gute Runde nach der anderen zu fahren."

"Ich wusste, dass er nicht attackieren würde, denn er ist einfach ein extrem cleverer und schlauer Fahrer", lobt Engstler, der seine erste DTM-Saison mit Lamborghini auf dem 14. Gesamtrang beendet. "Ich glaube, dass Mirko genau wegen so einer Aktion wie heute die Meisterschaft gewonnen hat."

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