DSV kauft DB Schenker: Was Sie über den Deal wissen müssen

von Jannik Tillar und Monika Dunkel sowie von Moritz Niepold

13.09.2024, 16:27 5 Min.

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Foto Capital - Wirtschaft ist Gesellschaft

Die Bahn verkauft ihre Logistik-Tochter für 14,8 Mrd. Euro an den dänischen Konkurrenten DSV. Kritiker fürchten höhere Preise und schlechteren Service. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Deal

Warum wird DB Schenker verkauft?

Die Deutsche Bahn (DB) hat zu wenig Geld, um in ihre Unternehmenstochter zu investieren. Was noch da ist, soll über Jahre in die schwache Schiene fließen. So will es der Eigentümer, der Bund, der die „Starke Schiene“-Strategie angestoßen hat. Mit dem Erlös von 14,8 Mrd. Euro aus dem Schenker-Verkauf sollen die enorm hohen Schulden von mehr als 30 Mrd. Euro reduziert werden, die auf dem Konzern lasten. Allein für Zinsen zahlt der Konzern jährlich einen hohen dreistelligen Millionenbetrag. Außerdem wird der hochkomplexe Bahn-Konzern so verschlankt. Gegenüber 2021 hat die Bahn bereits mehr als 60 Prozent seiner Beteiligungen abgestoßen. Zwar gehören noch immer fast 300 Unternehmen zum Konzern, aber das Management gestaltet sich damit deutlich einfacher. 

Der Verkauf ist außerdem in beiderseitigem Interesse. DB Schenker steht auf Rang vier der größten Logistiker in Deutschland mit knapp 20 Mrd. Euro Umsatz und über 70.000 Beschäftigten. Während Konkurrenzunternehmen auf Einkaufstour sind, durfte DB Schenker in den vergangenen Jahren keine größeren Akquisitionen vornehmen. Als Privatunternehmen wären die wirtschaftlichen Perspektiven besser, so sieht es auch DB Schenker selbst. Sogar die Gewerkschaft Verdi hält einen Verkauf aus diesen Gründen für sinnvoll. 

Hilft der Schenker-Verkauf dem DB-Konzern?

Die DB verliert mit dem Verkauf erstmal ihre Cashcow. Ohne DB Schenker hätte die Bilanz in den vergangenen Jahren noch schlechter ausgesehen. Das Geschäft auf der Straße läuft besser und profitabler als alles andere. 2023 war der Gewinn von DB Schenker mit 1,8 Mrd. Euro (1,1 Mrd. Euro Ebit) doppelt so hoch wie im DB Fernverkehr und DB Regio zusammen  Für die Bahn geht es vor allem darum, ihr gutes Rating zu erhalten. Denn hätte die Bahn so weitergemacht, wären in Zukunft noch höhere Zinszahlungen bei neuen Krediten fällig gewesen.  

Durch den Verkauf verliert die DB zwar Erlöse, reduziert aber ihre Schuldenlast von 33 Mrd. Euro und spart somit einen signifikanten dreistelligen Millionenbetrag an Zinszahlungen jährlich ein. In Summe stabilisiert sie damit ihre Ratingkennziffern von AA-/positiv (S&P) und Aa1/stabil (Moody’s), steigert sie aber auch nicht. Deshalb lautet eine Lesart, dass der Verkauf in erster Linie Zeit bringt – Zeit, die die Bahn braucht, um die notwendigen Baumaßnahmen zu finanzieren. Was mit den zusätzlich rund 800 Mio. Euro nun passiert – die Bahn hatte zunächst nur mit Erlösen von 14 Mrd. Euro kalkuliert – ist noch unklar. Wahrscheinlich fließen sie in Teilen dem Schuldenabbau zu und in Infrastrukturmaßnahmen. 

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Wer ist der Käufer DSV – und warum hat er sich durchgesetzt?

Die dänische Logistikkette DSV setzte sich im Bieterverfahren gegen den luxemburgischen Private Equity-Fonds CVC durch. Maßgeblicher Unterschied zwischen den Angeboten waren offenbar erfolgsabhängige Zahlungen, die CVC stärker durchsetzen wollte als DSV. Insofern war das Angebot von DSV in erster Linie sicherer, aber auch die Kaufsumme soll höher gelegen haben.

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Foto Capital - Wirtschaft ist Gesellschaft

DSV wurde 1976 in Dänemark gegründet und entstand durch einen Zusammenschluss von örtlichen Speditionsanbietern. Sein Name „De Sammensluttede Vognmænd“ (Die Vereinigten Fuhrmänner) leitet sich davon ab. Durch weitere Übernahmen erschloss sich das Unternehmen über die Jahre immer neue Märkte – sowohl horizontal durch neue Länder wie den USA als auch vertikal wie beispielsweise in der Luftfracht.

Aktuell beschäftigt DSV über 75.000 Mitarbeiter und ist nach Umsatz der drittgrößte Logistiker der Welt. In Deutschland sind die größten Konkurrenten dabei DHL sowie Kühne + Nagel, wobei der DSV-Kundenstamm vor allem aus der Automobilbranche, Gesundheitsdienstleistern und E-Commerce-Händlern besteht. 

Was passiert mit den Arbeitsplätzen?

Arbeitnehmervertreter hatten sich überraschend für einen Kauf durch den Finanzinvestor CVC ausgesprochen – also eines jener Konstrukte, die der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering einst als „Heuschrecken“ bezeichnete, weil sie stark renditeorientiert arbeiten. „Der drohende Arbeitsplatzabbau bei einer Übernahme von DSV ist immens“, schreibt die Gewerkschaft in einem Papier, das auch Stern und Capital vorliegt. Auch bei CVC wäre wohl die Europa-Zentrale von Schenker geschlossen worden und Arbeitsplätze verloren gegangen. Dies sei aber kein Vergleich zu den erwarteten Arbeitsplatzverlusten bei einem Kauf durch DSV, weil CVC bislang keine Logistiksparte besitzt und weniger Synergien heben könnte. 

Die Gewerkschaft Verdi verweist auf den Kauf des Schweizer Logistikunternehmens Panalpina durch DSV im Jahr 2019, der zu massiven Stellenstreichungen geführt habe. Gegenüber Capital wollte sich Verdi am Freitag nicht tiefergehend äußern. „Die Transaktion ist bislang nicht abgeschlossen, da wesentliche Entscheidungen (des Aufsichtsrates der Bahn AG und des Haushaltsausschusses des Bundestags) noch ausstehen. Für uns kommt es wesentlich darauf an, dass am Ende des Verkaufsprozesses so viele Arbeitsplätze wie möglich erhalten bleiben“, erklärte ein Verdi-Sprecher.

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Zur Wahrheit gehört allerdings, dass Schenker auch selbst mit einem geringeren Stellenbedarf kalkulierte. Auch ohne CVC oder DSV wäre es also zu einem Stellenabbau gekommen, der sich auf etwa 800 bis 900 Stellen belaufen hätte. Wohlgemerkt: nicht durch betriebsbedingte Kündigungen, sondern zeitlich gestreckt durch natürliche Fluktuation und Altersregelungen. DSV geht nun etwa vom Doppelten aus, etwa 1600 bis 1900 Vollzeitstellen – was etwa 13 bis 15 Prozent der Schenker-Stellen in Deutschland betrifft. Diese entfielen zu gleichen Teilen auf die Essener Zentrale und den operativen Bereich. Grund dafür sind unnötige Doppelstrukturen, die bei einem Parallelbetrieb bestehen würden. Auch hier könnte der Abbau aber ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen. 

DSV musste im Bieterverfahren ohnehin eine zweijährige Beschäftigungsgarantie abgeben, die ab Übernahmevollzug gilt. Da dieser wohl Mitte 2025 geschieht, dürfte die Garantie bis Mitte 2027 gelten. DSV kündigte sogar an, dass der neue Konzern in fünf Jahren mehr Mitarbeiter haben, und dass man 1 Mrd. Euro ins Geschäft investieren werde.

Was sagen Politik und Wettbewerbshüter?

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat die Trennung der Deutschen Bahn (DB) von ihrer Logistiktochter Schenker begrüßt. „Mein Ziel ist es, dass sich die DB AG auf ihr Kerngeschäft – den Schienenverkehr in Deutschland – fokussiert“, sagte der FDP-Politiker. „Mit dem Verkauf von Schenker ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung unternommen worden.“ Mit dem jetzt von ihm geforderten Sanierungskonzept müsse sich der Konzern wirtschaftlich wie strukturell neu aufstellen. Dabei helfe es, mit dem Erlös die Schulden deutlich reduzieren zu können.

Bahn und Bundesregierung hatten beim Verkauf eng zusammengearbeitet. Vertreter aus vier Ressorts – Finanzministerium, Wirtschaftsministerium, Verkehrsministerium und Bundeskanzleramt – waren involviert. Entsprechend überraschte den Verkauf an DSV auch niemand mehr. 

Auch potenzielle Bedenken von Wettbewerbshütern wurden bei der Bahn intern besprochen. Klarer Tenor war, dass die Bedenken bei einem europäischen Konkurrenten geringer seien als etwa bei einem aus dem arabischen Raum. Auch von hier gab es in früheren Runden Interesse an Schenker, und selbst CVC hat mit dem Staatsfonds aus Abu Dhabi einen Geldgeber aus diesem Raum. Da dieser aber nur Limited Partner ist, hält sich sein Einfluss bei CVC in starken Grenzen, weshalb der Finanzinvestor bis zuletzt als unverdächtig galt. Mit DSV könne es jetzt zwar in einzelnen Bereichen zu einer erhöhten Marktkonzentration kommen, aber insgesamt kommt der neue Gemeinschaftskonzern bei weitem nicht an die Größe von Logistikern wie DHL und Fedex heran. 

Werden der Transport und damit Waren für alle teurer?

Darauf gibt es noch keine Antwort. Zwar steigt die Marktkonzentration in einzelnen Segmenten, und damit die Verhandlungsmacht von DSV/Schenker gegenüber seinen Kunden. Doch der Wettbewerb in der Logistik ist immer noch hart umkämpft und die Margen sind traditionell extrem niedrig. 

Im Vorfeld hatte sich offenbar eine Reihe von Großkunden gegen den Verkauf ausgesprochen, wie der Spiegel berichtete. Laut einem Insider fürchteten sie wohl schlechteren Service und höhere Gebühren, weshalb sie auf Konkurrenten wie Maersk oder DHL ausweichen könnten. Doch wer zu diesen Kunden gehörte und wie viele es waren, schrieb das Nachrichtenmagazin nicht. Zu den Großkunden von DB Schenker gehören zum Beispiel der Autokonzern BMW, der Industriekonzern Siemens und der Chemieproduzent BASF. Auf Capital-Anfrage reagierten diese entweder gar nicht oder lehnten eine Stellungnahme ab.

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