RN+ „Ein echter Präzedenzfall“: Erhalt oder Neubau - Wie soll ...

13 Mai 2024
Eva Reber und Marcus Patrias vom BDA werben für eine Weiternutzung der Kreuz-Grundschule. © Oliver Volmerich

Die Kreuz-Grundschule ist ein Beispiel für viele Gebäude in Dortmund. Bleibt sie an alter Stelle oder kommt ein Neubau? So bewerten Architektur-Experten den Fall.

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Der Abriss der alten Kreuz-Grundschule ist vom Tisch, seit der Denkmalschutz das Gebäude aus dem Jahr 1915 für sich entdeckt hat. Die Politik tut sich aber weiterhin schwer damit, eine Zukunftsentscheidung für das altehrwürdige Gebäude im Kreuzviertel zu treffen. Am 16. Mai steht die Entscheidung im Rat der Stadt an.

Zur Erinnerung: Eigentlich war schon der Abriss des alten Schulgebäudes beschlossen, das durch einen Neubau ersetzt werden sollte. Inzwischen ist aber die Eintragung auf die Denkmalliste auf den Weg gebracht. Und die Verwaltung servierte der Politik jüngst einen neuen Vorschlag: Das historische Gebäude soll zwar erhalten bleiben, die Kreuz-Grundschule aber trotzdem in einen Neubau umziehen. Der soll auf dem dahinterliegenden Schulhof in Modulbauweise gebaut werden – für geschätzte 28,6 Millionen Euro.

Das Gebäude der Kreuz-Grundschule stammt aus dem Jahr 1915.© Oliver Volmerich

Für Kopfschütteln sorgt dieser Vorschlag allerdings bei den Expertinnen und Experten des Bundes Deutscher Architekten (BDA) in Dortmund, die sich erfolgreich für den Erhalt der alten Schule eingesetzt hatten. „Das ist die schlechteste aller Varianten“, meint der Dortmunder BDA-Vorsitzende Marcus Patrias.

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Nach dem Vorschlag der Verwaltung soll nun nach alternativen Nutzungsmöglichkeiten für den alten Schulbau gesucht werden. „Ein jahrelanger Leerstand wäre aber der Anfang vom Ende des Gebäudes“, fürchtet Patrias. „Sollte der Bestand nicht als Schule genutzt werden, erlischt der Bestandsschutz in Bezug auf die technischen Anforderungen. Dann muss das Gebäude nach aktuellen Vorschriften umgebaut werden – was zu Mehrkosten führen wird und in einigen Fällen zum Abriss trotz Unterschutzstellung geführt hat.“

Gebäude gründlich untersucht

Die Architekten plädieren dafür, das alte Gebäude nach Umbau weiterhin als Schule zu nutzen. Die Verwaltung hatte bislang immer erklärt, dass dies nicht entsprechend den Schulbauleitlinien der Stadt möglich sei, weil die bestehenden Klassenräume schlicht zu klein seien. Das ist falsch, sagen Marcus Patrias und Architektin Eva Reber, die das Gebäude gründlich untersucht und einen Vorschlag für den Umbau entwickelt hat.

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Durch geschickte Umbauten können die Schulbauleitlinien sehr wohl erfüllt werden und sogar das Raumprogramm für eine auf vier Züge erweiterte Kreuz-Grundschule umgesetzt werden, stellt Eva Reber fest. Sie schlägt dazu einen Dachaufbau nach historischem Vorbild vor, der auch mit dem Denkmalschutz gut in Einklang gebracht werden könne.

So könnte nach Vorschlag des BDA der Dachaufbau nach historischem Vorbild aussehen.© BDA Dortmund

Die Schulbauleitlinien setzen auf eine Cluster-Aufteilung, also flexibel nutzbare Räume für modernen Unterricht. Dazu könnten die großzügigen Flurbereiche des Gebäudes gut genutzt werden, betont Eva Reber. Und auch Barrierefreiheit sei möglich.

Die Skizzen zeigen, wie ein Umbau der alten Schule nach modernen Ansprüchen aussehen könnte.© BDA Dortmund

Auf viel Beifall ist der Vorschlag in der Bezirksvertretung Innenstadt-West und bei den Grünen im Rat gestoßen. Ihr Antrag bei den Ausschussberatungen, dem Vorschlag des BDA zu folgen und die Schule weiter zu nutzen, fand bei CDU und SPD bislang allerdings keine Gegenliebe und damit auch keine Mehrheit.

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Als Argument wurde vor allem die Zeitschiene angeführt. Ein erneutes Umsteuern würde das gesamte Verfahren um drei bis vier Jahre verlängern, argumentierte Andreas Große-Holz als Leiter der Immobilienwirtschaft.

Marcus Patrias und Eva Reber können das nicht nachvollziehen. Eine Entwurfsplanung zu ihrem Vorschlag könne bis März 2025 abgeschlossen, im Februar 2027 mit dem Umbau begonnen werden. Das sei die neue alte Kreuz-Grundschule womöglich schon ab Ende 2028 nutzbar.

Für widersprüchlich halten sie dagegen die Zeitplanung der Verwaltung für einen Neubau auf dem Schulhof. Danach ist eine Bauzeit von 2026 bis zum Sommer 2027 vorgesehen. Zugleich wird der Zeitraum für einen Bebauungsplan mit etwa drei Jahren angegeben. „Doch ohne Baurecht kann mit dem Baubeginn nicht gestartet werden, die Angaben aus der Beschlussvorlage widersprechen sich, die Angaben sind nicht haltbar“, stellt Marcus Patrias fest. Nicht berücksichtigt seien dabei auch möglich Widerstände durch Anwohner, die für zusätzliche Verzögerungen sorgen könnten.

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Geringere Kosten für Umbau

Ein weiteres Argument: Die BDA-Fachleute kalkulieren für den Schulumbau mit Kosten von 21,5 Millionen Euro. Ihr Fazit: Ein Umbau verursacht deutlich geringere Kosten und es entstehen auch keine Kosten für zusätzliche Alternativplanungen und für den Umbau für andere Zwecke.

Nicht zuletzt könnte der Umbau der alten Kreuz-Grundschule auch ein Musterbeispiel für den Umgang mit anderen Schulgebäuden sein. Denn stadtweit stehen mehrere alte Schulen zur Disposition, vor allem, weil mehr Platz benötigt wird. „Die Kreuz-Grundschule ist da ein echter Präzedenzfall“, stellt Markus Patrias fest.

Empfehlung für öffentliches Bauen

Pikant in diesem Zusammenhang: Ebenfalls auf der Tagesordnung des Rates steht am 16. Mai eine Empfehlung des städtischen Klimabeirats und des Deutschen Städtetages nach der das öffentliche Bauen unter das „Primat des Bestandsschutzes, der Bestandssanierung und der Bestandsentwicklung“ gestellt werden soll. „Bestandserweiterungen dürfen nur stattfinden, wenn alle Potentiale der Bestandsentwicklung ausgeschöpft sind. Neubauten wiederum dürfen nur stattfinden, wenn alle Potentiale der Bestandserweiterung herangezogen worden sind“, heißt es da.

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