Traumfinale in Wimbledon 2024: Djokovic gegen Alcaraz
Der Abend war längst angebrochen, doch das störte die Anwesenden nicht im Geringsten. Sie hätten sich vermutlich sogar gewünscht, dass es noch länger weitergeht mit der ziemlich guten Tennis-Unterhaltung auf dem Centre Court von Wimbledon. Doch irgendwann musste ja feststehen, wer nach knapp zwei Wochen an diesem Sonntag um die begehrteste Trophäe der Tenniswelt spielen wird. Das Ergebnis dieses unterhaltsamen und phasenweise hochklassigen zwölften Turniertages war dann wohl auch ganz nach dem Geschmack des Publikums. Der Rasenklassiker bekommt das Endspiel, das sich nach dem Aus von Jannik Sinner viele Fans gewünscht hatten: Titelverteidiger Carlos Alcaraz trifft auf Grand-Slam-Rekordsieger Novak Djokovic. Der Griff zum Popcorn läge nahe, wenn im All England Lawn Tennis Club nicht alle so besessen wären von Erdbeeren mit Sahne.
Den Anfang machte am Freitag Alcaraz, der den Russen Daniil Medwedew beim 6:7 (1:7), 6:3, 6:4, 6:4 nur einen Satz lang glauben ließ, dass er eine Chance haben könnte auf die Teilnahme an seinem siebten Grand-Slam-Finale. Djokovic machte es im Anschluss gegen den Italiener Lorenzo Musetti beim 6:4, 7:6 (7:2), 6:4 noch deutlicher. Besonders ist dieses Duell nicht nur, weil die Nummer zwei der Welt (Djokovic) auf die Nummer drei (Alcaraz) trifft. Es ist auch das Finale aus dem Vorjahr. Die großen Fragen, die dieses Duell umgeben, lauten: Schafft es Djokovic nur wenige Wochen nach seiner Knie-Operation mit seinem 25. Grand-Slam-Titel die Australierin Margaret Court (24) hinter sich zu lassen? Oder gewinnt Alcaraz auch das vierte große Finale, in dem er steht? Welche Generation hat inzwischen die Nase vorn?
Djokovic, der mit seinem achten Wimbledon-Titel Rekordsieger Roger Federer einholen könnte, ist im Geburtsjahr von Alcaraz Profi geworden. 2003 war das. Der Serbe ist inzwischen 37 und damit 16 Jahre älter als sein Gegenüber, sitzt mit unzähligen Rekorden auf dem Tennis-Thron. Alcaraz ist zuzutrauen, dass er sein Nachfolger wird. Im direkten Duell liegt Djokovic derzeit 3:2 vorn. Doch das muss nichts heißen. Als sich beide im vergangenen Jahr im Wimbledon-Finale gegenüberstanden, rang Alcaraz ihn ja schon einmal in fünf Sätzen nieder. Nun folgt die Fortsetzung. Der Ausgang scheint offen. Aber wer hat die besseren Karten?
Bei Alcaraz beschleicht einen zwar das gesamte Turnier über schon das Gefühl, dass er noch nicht auf seinem Top-Level spielt. Doch wenn es wirklich zählt in seinen Matches, punktet der 21-Jährige mit seinem besten Tennis. Um Medwedew zu schlagen, reichte eine Leistungssteigerung nach dem ersten Durchgang, in dem Alcaraz viel zu viele Fehler ohne Not unterlaufen waren. „Ich bin wirklich nervös gestartet und war froh, dass ich im zweiten Satz früh 3:1 vorne lag, danach konnte ich mein Spiel besser durchziehen und habe ein wirklich gutes Match gespielt“, sagte er, ehe ihm beim Siegerinterview auf dem Platz noch ein kleiner Fauxpas unterlief. „Es wird ein guter Tag für die Spanier“, kündigte der 21-Jährige an und hatte nicht nur sein eigenes Match, sondern auch das Finale der Fußball-Europameisterschaft in Berlin im Sinn, in dem seine Landsleute am Sonntagabend auf England treffen. Das britische Publikum schaltete sofort und buhte, woraufhin Alcaraz lachen musste und zumindest ein bisschen zurückruderte. „Ich habe nicht gesagt, dass Spanien gewinnen wird“, erklärte der French-Open-Sieger, der als großer Fußballfan gilt: „Ich habe nur gesagt, dass es ein spaßiger Tag wird.“
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Spaßig? Man wird erst noch sehen müssen, wer mehr Freude haben wird an diesem Duell der Generationen. Dass es Alcaraz ist, scheint längst nicht sicher zu sein. Djokovic steht in Wimbledon zum sechsten Mal in Serie im Endspiel. Gegen den überraschend starken und vor allem mutigen Musetti spielte er am Freitag lange beängstigend gut und verteilte die kleine gelbe Filzkugel phasenweise mit der Präzision einer Ballmaschine. Das Knie, an dem er vor wenigen Wochen am Meniskus operiert wurde, scheint überhaupt keine Probleme mehr zu bereiten. Djokovic rutscht auf dem Rasen herum wie zu seinen besten Zeiten, um auch an den entlegensten Stellen des Platzes noch an Bälle zu kommen, die andere längst schon aufgegeben hätten. Der flinke Alcaraz gibt mit seinem jugendlichen Elan ohnehin nie einen Ball verloren. Das sind gute Vorzeichen. Das Turnier in Wimbledon, so viel scheint sicher, steuert auf ein großes Endspiel zu.