Mittelsachsens Landrat Dirk Neubauer tritt zurück: So reagieren ...

24 Jul 2024
Dirk Neubauer

Dresden. Der parteilose Landrat des Kreises Mittelsachsen, Dirk Neubauer, tritt zurück. In einer persönlichen Erklärung auf seinen Social-Media-Kanälen begründete er den Schritt am Dienstag vor allem mit Anfeindungen und fehlenden Durchsetzungsmöglichkeiten. Seine Amtszeit wäre noch bis 2029 gelaufen. Der gelernte Journalist war 2022 gewählt worden - als einziger Landrat in Sachsen, der nicht der CDU angehört oder von der Union unterstützt wird. Seine Kandidatur war von SPD, Linke und Grünen unterstützt worden. Das sind die Reaktionen aus der Politik:

Matthias Kretschmer, Landesvorsitzender des Katholischen Arbeitskreises und ständiger Gast im Vorstand der sächsischen Christdemokraten:

Aus der sächsischen CDU kamen bislang kaum Reaktionen auf Neubauers Rücktritt. Mit einer Ausnahme: Mathias Kretschmer reagierte auf Instagram mit den Worten, es sei „nicht die Zeit für täglichen Murks und schönem Gerede“. Der in Bockelwitz in Neubauers Landkreis Mittelsachsen lebende Kretschmer interpretierte den Rücktritt zudem als „parteilos, planlos, ratlos … und nun sein Amt los“.

Neubauer reagiert prompt auf X: „Keine Zeit für täglichen Murks? Dann lieber Mathias Kretschmer machen Sie doch was anderes. Dann könnte es sein, dass eine CDU es wieder schafft, klare Linien, Zukunftsziele und eine klare Haltung gegen rechte Wirrköpfe zu generieren. Wer hat denn all die Jahre die Augen verschlossen, Kommunen ausgeblutet und aus Sachsen eine Art Königreich gemacht? Bei allem Respekt. Das war nicht ich.“

Götz Ulrich (CDU), Landrat des Burgenlandkreises in Sachsen-Anhalt

"Wem überlassen wir unser Land, unsere Landkreise, unsere Städte und Gemeinden, wenn wir zurücktreten, weil wir als gewählte Landräte, Bürgermeister oder Ehrenamtliche in den Kommunen vor Hass und Hetze, vor Bedrohungen und Eingriffen in unsere Privatsphäre zurückweichen? Ich verstehe die Beweggründe des Landratskollegen Neubauer in Mittelsachsen. Manchmal kommt man ans Ende seiner Kräfte, dann muss man sich schützen. Für richtig halte ich den Rücktritt nicht.

Wir Landräte müssen Brücken bauen unter demokratischen Kräften, viel erklären, dem Volk genau zuhören, ohne alles zu kopieren. Und wir sind Scharnier zwischen Wahlvolk und Verwaltung, vor allem aber Kämpfer für unsere Demokratie vor Ort und für die freiheitliche-demokratische Grundordnung."

Petra Köpping, SPD-Spitzenkandidatin zur Landtagswahl, Sozialministerin in Sachsen

"Es macht mich fassungslos, wie hier ein Landrat zermürbt wurde. Ich kann gut verstehen, wie Dirk Neubauer sich fühlt. Wir müssen als Gesellschaft insgesamt überlegen, wie wir mit unseren gewählten Verantwortungsträgern umgehen. Wir sind alle Menschen. Wir alle ertragen den Hass und die Spaltung nur bis zu einem gewissen Grad. Wir sind hier wieder an einem Punkt, wo allen Demokraten dringend klar sein muss, was hier auf dem Spiel steht."

Henning Homann, Co-Vorsitzender der SPD Sachsen

“Der Rücktritt von Dirk Neubauer ist menschlich nachvollziehbar. Das sage ich auch als jemand, der Dirk Neubauer durch viele Höhen und Tiefen begleitet hat und selbst in Mittelsachsen wohnt. Dirk Neubauer muss Bedrohungen bis ins Private hinein erdulden. Wir warnen als SPD seit langem davor. Der Überfall auf Matthias Ecke und viele andere war kein Zufall. Das ist eine Zermürbungsstrategie der radikalen Rechten. Und hier hilft keine Pädagogik, sondern nur ein harter Rechtsstaat. Das Bagatellisieren muss aufhören. Teile der CDU in Mittelsachsen haben die Wahl von Dirk Neubauer nie akzeptiert. Sie haben Schaden für den Landkreises in Kauf genommen, um Dirk Neubauer zu schaden. Politisch ist sein Rückzug eine Katastrophe. Es ist inzwischen unerträglich, wie mit Menschen umgegangen wird, die für ihre Stadt, ihren Landkreis, ihr Land etwas anpacken wollte.

Carlos Kasper, SPD-Bundestagabgeordneter für den Wahlkreis Chemnitzer Umland

"Der Rücktritt Dirk Neubauers hinterlässt ein tiefes Loch in der Kommunalpolitik in Mittelsachsen und ist ein großer Verlust. Mit seinen Ideen und Vorhaben hat er gezeigt, dass das Amt des Landrates mehr bedeutet, als nur Verwaltungschef zu sein. Seine Beweggründe zum Rücktritt sind vielseitig und wohl durchdacht. Die von Dirk Neubauer benannte Verrohung des politischen Diskurses ist auf allen politischen Ebenen spürbar und schreckt Menschen aktiv ab, sich in Zukunft politisch zu engagieren. Wenn das familiäre Umfeld und die persönliche Unversehrtheit bedroht werden, ist eine rote Linie des gesellschaftlichen Zusammenhaltes überschritten."

Katja Meier, sächsische Justizministerin (Grüne)

"Mit dem Rückzug von Dirk Neubauer als Landrat des Kreises Mittelsachsen verliert die sächsische Kommunalpolitik einen leidenschaftlichen Demokraten. Er hat sich stets energisch gegen Hass, Hetze und Bedrohungen durch Rechtsextreme gestellt.

Seine Amtszeit war, wie die vieler anderer Kommunalpolitiker in Sachsen, von Einschüchterungen und politischem Stalking im privaten Umfeld geprägt. Diese massiven Angriffe schaden unserer Demokratie und müssen sowohl gesellschaftlich als auch rechtlich bekämpft werden. Es sollte uns alle in Sachsen nachdenklich stimmen, wenn sich engagierte Politiker wie Yvonne Magwas oder Dirk Neubauer aus dem politischen Leben zurückziehen."

Franziska Schubert, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag

"Dirk Neubauer geht. Ich verstehe ihn. Es gibt viele Gründe zu gehen - und viele, weiterzumachen. Danke für das Engagement, den Mut zu Visionen und Größerdenken, die Kraft für Widerspruch."

Anita Maaß, Vorsitzende der FDP Sachsen

"Die Anfeindungen von rechts sind generell problematisch und nicht hinnehmbar. Gerade deshalb dürfte ein Landrat als Wahlbeamter weder selbst politisch polarisieren, noch bei Gegenwind die Flinte ins Korn werfen."

Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der Linken

"Landrat Dirk Neubauer gibt auf, tritt zurück. Die Folge von Hass, Hetze, Drohungen. Von rechts natürlich. Gegen sich und sein Umfeld. Wegen zu vieler Menschen, die weggeschaut haben. Ein trauriger Tag für die Demokratie."

Stefan Hartmann, Landesvorsitzender von Die Linke Sachsen und Marika Tändler-Walenta, Kreisvorsitzende von Die Linke Mittelsachsen:

"Wir respektieren die Entscheidung von Dirk Neubauer, sein Amt als Landrat niederzulegen. So sehr wir seine Gründe nachvollziehen können, so groß ist auch unsere Enttäuschung, dass es soweit gekommen ist. Dass Bedrohungen, bis vor die eigene Haustür, Politikerinnen und Politikern zum Rücktritt treiben, dürfen wir als Gesellschaft nicht hinnehmen. Es ist zudem ein Armutszeugnis für unsere Demokratie, wenn ein Landrat zum Schluss kommt, dass er außerhalb seines Amtes mehr bewirken könne."

Marco Böhme, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken im Landtag

"Landrat Dirk Neubauer (Mittelsachsen) tritt zurück - wegen zu viel Hass und Gewaltandrohungen, fehlenden Mehrheiten durch konservative Übermacht und zu vielen Menschen, die schweigen, wenn Populismus und Hetze die Debatten bestimmen. Ich finde das zutiefst traurig und bestürzend."

Ralf Hron, Regionsgeschäftsführer DGB Südwestsachsen

"Demokraten, Ideengeber müssen effektiv geschützt werden. Opportunismus gegenüber Rechtsextremen, Rechtspopulisten wird Sachsen schweren Schaden zufügen."

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