DFB-Frauen freuen sich über Sieg in Wembley bei Christian Wücks ...
Die englische Football Association hat vorgemacht, was der Deutsche Fußball-Bund (DFB) an diesem Montag wiederholen wird: Die Partie war von langer Hand als festlicher Feier-Abend geplant, bei dem die Stadionregie viel Wert auf die bestmögliche Inszenierung der Rahmenbedingungen gelegt hatte.
Neben einem Feuerwerk nach Einbruch der Dunkelheit wurden Ehrungen für Fan-Lieblinge verteilt und unter dem Applaus Zehntausender eine verdiente Spielerin wie die ehemalige Kapitänin Steph Houghton beim Farewell in den vorgezogenen Ruhestand auf großer Bühne verabschiedet.
Die Deutschen als Party-Crasher
Was die wenigsten erwartet hatten, die ins Wembley-Stadion gekommen waren, um sich die Wiederauflage des EM-Endspiels von 2022 anzuschauen, war die gewinnbringende Courage, mit der die Ladys aus Good old Germany unter sportlichen Gesichtspunkten Maßgebliches zum hohen Unterhaltungswert beitrugen. Die seit Wochenbeginn von Christian Wück betreute Elf setzte sich im Duell mit den Lionesses, die an gleicher Stelle vor 26 Monaten beim 2:1-Finaltriumph für ein furioses Happy End bejubelt worden waren, 4:3 durch.
Die Deutschen entpuppten sich mit ihrer Unerschrockenheit und einer Menge Energie, die nicht zuletzt selbstverschuldete Schnitzer wettzumachen verhalf, als unerwarteter Party-Crasher. Nach der geglückten Revanche mischte sich der neue Bundestrainer direkt im Anschluss an den Abpfiff unter seine Belegschaft, klopfte Schultern und verteilte Komplimente.
Externer Inhalt von Youtube
Um externe Inhalte anzuzeigen, ist Ihre widerrufliche Zustimmung nötig. Dabei können personenbezogene Daten von Drittplattformen (ggf. USA) verarbeitet werden. Weitere Informationen .
Giulia Gwinn berichtete später von einer „Achterbahnfahrt der Gefühle“. Die Münchnerin sorgte per verwandeltem Strafstoß für die Führung (3. Minute) und verwertete zudem ein genau getimtes Zuspiel ihrer Klubkollegin Klara Bühl, die ihr den Ball per Flügelwechsel exakt serviert hatte (11.). Bühl mit einem Distanzschuss (29.) und Sara Däbritz, die einen weiteren Elfmeter verwandelte (72.), erzielten die übrigen Tore für die Deutschen.
Für die Engländerinnen schossen Georgia Stanway (33., Foulelfmeter, und 36.) und Lucy Bronze (81.) nach einem Patzer von Torhüterin Ann-Katrin Berger die Tore; drei weitere Treffer, einer durch Jule Brand für das DFB-Team (51.) und zwei auf der anderen Seite durch Alessia Russo (10.) und Lauren Hemp (77.) wurden jeweils wegen Abseits zurecht nicht gegeben.
Mit einer „risikobehafteten“ Taktik
„Es war wirklich alles dabei“, bilanzierte Gwinn, die sagte, dass sie zufrieden sei, „dass wir dem neuen Trainer einen derartigen Einstand geben konnten“. Es sei ein gutes Gefühl, zu erleben, „dass die Mannschaft so gut funktionierte“, obwohl sie „noch nicht alles perfekt“ umgesetzt hätten. Gwinn berichtete, dass Wück, der erst am Montag in die Detailarbeit mit der Gruppe eingestiegen war, ihnen allen „Mut und Zuversicht“ vermittelt habe und „den Rücken stärkte“. Die Aussage, dass „er uns vertraut und viel zutraut“, sagte sie, sei dabei die „wichtigste Message“ gewesen.
„Risikobehafteter“ nannte sie die Taktik, bei der Wück sie rechts und auf der linken Seite Sarai Linder vom VfL Wolfsburg als Außenverteidigerinnen weit vorgerückt Stellung beziehen ließ. „Defensiv war der Ansatz ein anderer als bei Horst (Hrubesch, Vorgänger als Bundestrainer, d. Red.), dass wir nicht diesen Sicherheitsfußball spielen wollen und immer gefühlt fünf Spielerinnen hinter dem haben möchten“, gab Gwinn Einblick in die Vermittlung eines anderen Selbstverständnisses, das mehr darauf abzielt, eigene Stärken zur Geltung zu bringen.
Externer Inhalt von Eurosport
Um externe Inhalte anzuzeigen, ist Ihre widerrufliche Zustimmung nötig. Dabei können personenbezogene Daten von Drittplattformen (ggf. USA) verarbeitet werden. Weitere Informationen .
„Alle haben gebrannt darauf, unter Christian Wück spielen zu dürfen“, sagte Gwinn, „und man hat auch gemerkt, dass es bei ihm gekribbelt hat, als der Tag da war, an dem es endlich losging.“ Sie zeigte sich zufrieden, dass das Resultat nicht gegen „irgendeinen Gegner“ gelang, sondern in der hin und her wogenden Auseinandersetzung mit einem Ensemble heraussprang, in dem einige der weltweit besten Protagonistinnen versammelt sind – die aber der deutschen Durchsetzungskraft nicht gewachsen waren. „Wir können als Kollektiv sehr, sehr viel bewegen“, sagte Gwinn, „ich freue mich auf alles, was kommt.“
Ähnlich zufrieden klang Nia Künzer, die als DFB-Sportdirektorin im Frühling maßgeblichen Anteil daran besaß, Wück auszuwählen, um ihn nach den Olympischen Spielen als Hrubeschs Nachfolger einzusetzen. „Darauf lässt sich aufbauen“, sagte die 44-Jährige. Sie bezeichnete Wück als „sehr akribischen“ und „ehrgeizigen“ Trainer, der die Zeit seit seiner Ernennung im März bis zur ersten Probe aufs Exempel „gut genutzt“ habe.
„Das begleitet uns ja schon länger“
Nun gelte es an diesem Montag (18.10 Uhr im ZDF) nachzulegen, wenn die Deutschen in Duisburg auf Australien treffen und bei der Heimpremiere von Wück die langjährige Topstürmerin Alexandra Popp ihren letzten (Kurz-)Auftritt haben wird. „Das Thema Kontinuität begleitet uns ja schon länger“, wies Künzer darauf hin, dass die jüngere Vergangenheit allen lehre, dass eine positive Momentaufnahme noch kein Indiz für beständiges Hoch sein muss. Sie brach allerdings am Samstag mit einem „guten Gefühl“ zurück nach Hause auf.
Wück seinerseits sprach von einem „Grundstein für eine hoffentlich erfolgreiche Zeit“. Ihm gefiel insbesondere, wie die Spielerinnen mit Seitenverlagerungen die Engländerinnen so beschäftigt und auf Trab gehalten hatten, dass diese unter Druck gerieten und sich Lücken in deren Abwehrverbund offenbarten, die die Seinen mit Coolness zu nutzen verstanden. Seine Absicht sei es, in Zukunft die Darbietungen so „fehlerfrei wie möglich“ zu gestalten und über die drei Gegentore werde zu reden sein; denn bei jedem einzelnen hätten eigene Patzer das an und für sich Vermeidbare begünstigt.
Auch deswegen hat für ihn das kommende Aufeinandertreffen mit den „Mathildas“ eine hohe Bedeutung, „weil es um die Entwicklung der Frauen-Nationalmannschaft geht“. Für ihn als Bundestrainer werde im Vorhinein ein „bisschen zu viel“ über Popps Abschied gesprochen, sagte Wück, der keinen Zweifel daran ließ, dass sich das in seinen Augen nicht mit dem nötigen Ernst der Lage verträgt. Wenn überhaupt, das klang durch, könne es eine Zusammenkunft vor schätzungsweise 25.000 Zuschauern unter dem Motto „Erst die Arbeit und dann das Vergnügen“ werden.
Dass es seine Spielerinnen, mit denen er die Zukunft gestalten möchte, ähnlich einschätzen, nahm er als Erkenntnis aus London mit: „Sie merken, dass wir ihnen keinen Quatsch erzählen und helfen wollen, zu performen“, sagte Wück nach dem Spektakelsieg, der ihn in seiner Position stärkte und weitere Erwartungen weckte: Viel mehr war zum Beginn nicht möglich.
Die deutschen Fußballerinnen müssen im Länderspiel gegen Australien ohne Sara Däbritz (Olympique Lyon) und Sydney Lohmann (FC Bayern München) auskommen. Däbritz verlässt aufgrund einer muskulären Verletzung vorzeitig die deutsche Nationalmannschaft, wie der Deutsche Fußball-Bund mitteilte. Lohmann plagen Kniebeschwerden, sie reist ebenfalls ab.
Bundestrainer Christian Wück nominierte für die Partie am Montag in Duisburg, bei der die langjährige Kapitänin Alexandra Popp in ihrem 145. und letzten Länderspiel ihre Nationalteam-Karriere beenden wird, Lina Magull von Inter Mailand nach. Sie wird am Sonntag in Düsseldorf zum DFB-Team stoßen. Die Frankfurterin Laura Freigang, die am Dienstag aufgrund einer Erkältung abgereist war, ist immer noch nicht fit und kehrt deshalb nicht in den Kader zurück. (dpa)